Aus der Bundesliga abgestiegen ohne Comeback (2): SC Austria Lustenau 1999/2000
Sonstiges 12.Juli.2012 Matthias Pokorny 0
Jedes Jahr muss ein Verein aus der höchsten Spielklasse in Österreich, der tipp3 Bundesliga, absteigen. Oft wurde diese Entscheidung in den letzten 20 Jahren durch Lizenzverweigerungen und Konkurse vorweggenommen. Beim SC Austria Lustenau war es anders: Weder stieg man ab wegen Konkursgefahr noch kam man in Konkursgefahr wegen des Abstiegs. Die Lustenauer Austria steckte den Abstieg – langfristig gesehen – gut weg, blieb wirtschaftlich konstant und etablierte sich sportlich in der oberen Hälfte der zweiten Leistungsstufe. Fast schon eine Besonderheit im österreichischen Liga-Fußball. Dennoch warten die Fans seit über 12 Saisonen auf einen neuerlichen Aufstieg in die tipp3 Bundesliga.Wie kam es damals zum Abstieg?
Es war schon eine Sensation, als mit der Lustenauer Austria im Sommer 1997 ein Vorarlberger Verein in die Bundesliga aufstieg. Es war auch noch nicht abzusehen, dass dies mit SW Bregenz und SCR Altach zwei weitere Vorarlberger Vereine in den kommenden Jahren schaffen könnten. In der Saison 1973/74 hatte der FC Vorarlberg, ein kurzzeitiges Spielgemeinschafts-Projekt von SW Bregenz und Rätia Bludenz, zuletzt Vorarlberg in der höchsten Leistungsstufe vertreten. Jedoch seit Gründung der Bundesliga als Organisation im Jahr 1974 hatte nie mehr ein Vorarlberger Fußballklub an der höchsten Liga in Österreich teilgenommen. Umso größer war die Euphorie in der größten Marktgemeinde Österreichs.
Schon im Aufstiegsjahr fiel Austria Lustenau, geprägt vom stets für neue Ideen bekannten Präsidenten Hubert Nagel, durch bodenständiges Wirtschaften auf. Keine überstürzten Star-Transfers, vernünftige und langfristige Investitionen in Infrastruktur und stets neue Marketing-Ideen (z.B. „Wir Vorarlberger“) belebten die Bundesliga.
Der Kader
Man war durchaus mit einer routinierten Mannschaft in die dritte Bundesliga-Saison gegangen. In Zeiten, als es noch keinen Österreicher-Topf zur Verteilung der Fernsehgelder gab, setzte man jedoch mittlerweile als Bundesligist größtenteils auf Legionäre. So fanden sich im Kader anfangs etliche Spieler aus – zum Beispiel – Deutschland, Brasilien, Bulgarien oder aus den Niederlanden. Wie zum Beispiel Hendrik „Erik“ Regtop, der mit 3 Treffern auch der beste Torschütze im Herbst werden sollte. Der Ungar Tamas Tiefenbach, später noch für die Admira in der Bundesliga tätig, hatte im Vorjahr immerhin 14 Tore geschossen, war aber im Herbst 1999 lange verletzt und traf daher nur zwei Mal.
Abgesehen von den durchaus erfahrenen Verteidigern Marcus Enzenebner und Patrick Jovanovic waren die restlichen österreichischen Kaderspieler jung und unerfahren: Ivan Kristo, Jürgen Maccani, Harald Dürr (heute Kapitän bei Austria Lustenau), Matthias Keck, Christian Ender oder Markus Schneidhofer. Für alle jene war es maximal die zweite Saison in der Bundesliga. Nur einer hatte bereits die Erfahrung von über 100 Bundesliga-Spielen mit Innsbruck, Rapid und der Admira: Der mittlerweile verstorbene Theo Grüner. Insbesondere im Frühjahr 2000 war er, abgesehen von Torhüter Mario Krassnitzer, manchmal sogar der einzige Österreicher, der für Austria Lustenau als Feldspieler am Platz stand. Er blieb den Lustenauern auch in der zweiten Liga noch über drei Jahre treu.
Bekanntlich reichte es sportlich nämlich nicht, um sich dauerhaft in der Bundesliga zu halten. Nachdem Erfolgstrainer Edi Stöhr weg war und im dritten Jahr auch kaum noch Spieler aus der Aufstiegssaison übrig waren, hatte man es mit Klaus Scheer und Goran Stanisavljevic, der – wie in den Vorjahren bei der SV Ried – vorerst als spielender Co-Trainer wirkte, probiert. Im Frühjahr hängte er die Schuhe an den Nagel und wurde alleiniger Chefcoach. Den Abstieg konnte er jedoch weder vom Feld, noch von der Seitenlinie aus verhindern.
Die Saison 1999/2000
Doch so schlecht hatte die Saison ja gar nicht begonnen. Insbesondere der 3:0-Heimsieg im Derby gegen die Rivalen aus Bregenz sorgte für Zufriedenheit im Austria-Dorf. Doch der Lokalrivale sollte den Lustenauern noch ordentlich die Suppe versalzen. Zuhause schafften es die Lustenauer immer wieder voll zu punkten: Heimsieg gegen Austria Wien, Heimsieg gegen Salzburg. Aber dann folgte in Runde 14 das Auswärtsderby in Bregenz. Man verlor mit 0:2 und kam bis zum Ende der Wintersaison nicht mehr auf Touren.
Dadurch kam es auch zum Trainerwechsel. Klaus Scheer musste gehen und Goran Stanisavlejvic bekam die alleinige sportliche Verantwortung für das Frühjahr. Mit dem klaren Ziel: Trendwende schaffen und Klasse halten! Die Lage schien nicht aussichtslos. In der Winterpause hatte man noch drei Punkte Vorsprung auf die Aufsteiger aus Bregenz und lag gleichzeitig nur vier Punkte hinter dem LASK. Und dieser hatte damals bereits finanzielle Probleme und daher einen der besten Spieler abgeben müssen: Markus Weissenberger, der nach Bielefeld wechselte. Doch auch in Lustenau geschah das Bitterste am Transfermarkt: Mit Erik Regtop wechselte die offensive Schaltzentrale – ausgerechnet – zum Lokalrivalen SW Bregenz. Ein Transfer mit Folgen. Denn mehr noch als Regtop den Lustenauern fehlte, nützte er den Bregenzern: Im Lustenauer Reichshofstadion traf er in Runde 31 gegen sein Ex-Klub zum 1:0, sowie zum 2:0 und führte damit die Bregenzer zum 4:0-Derbysieg vor über 10.000 Zuschauern in Lustenau. Damit war die Entscheidung im Abstiegskampf gefallen. Das berühmte Sechs-Punkte-Spiel ließ den Rückstand plötzlich auf zehn Punkte anwachsen. Während den Lustenauern auch nichts mehr gelingen wollte – unter anderem ging man bei Sturm Graz mit 0:7 unter – legte Regtop für Bregenz nach (z.B. beim 5:1-Sieg gegen SV Salzburg). Ex-Regisseur Regtop erzielte im Frühjahr sieben Tore in 15 Spielen für den Lokalrivalen der Lustenauer. Da es im ganzen Frühjahr zu keinem Sieg mehr für Lustenau reichte, war das Ziel schlussendlich deutlich verfehlt worden. Über die ganze Saison gesehen hat es an Qualität gefehlt. Besonders bitter blieben den Fans jedoch die Niederlagen gegen Bregenz in Erinnerung: Sowohl jene am Platz, als auch jene im Transfertheater um Erik Regtop.
Aussicht
Seitdem kämpft der Verein um den Wiederaufstieg in die tipp3 Bundesliga. Ohne finanziell zu viel zu riskieren, gelang es auch jedes Jahr die obere Tabellenhälfte zu erreichen. Auch der Zuschauerschnitt der letzten Jahre zeigt, dass Fans und Umfeld für Höheres berufen wären. Nicht nur in Vorarlberg weiß man: Die Zuschauer der Austria aus Lustenau sind vielfältig, begeisterungsfähig und: Es sind viele! Es wäre dem Verein eine Mannschaft zu wünschen, die eine konstant starke Saison durchspielt – denn dann könnte der SC Austria Lustenau bald wieder die Rückkehr in die tipp3 Bundesliga feiern. Im Jahr 2014 findet übrigens das 100-jährige Vereinsjubiläum statt. Ein willkommener Anlass, könnte man meinen!
Mattias Pokorny. abseits.at
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Matthias Pokorny
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