Eine unterhaltsame und mit einigen Überraschungen versehene Gruppenphase geht zu Ende. Zeit kurz Bilanz zu ziehen und zu schauen, wer und was in den letzten zehn Tagen besonders positiv aufgefallen ist.
Griechenland
Man fühlt sich in diesen Tagen doch sehr stark an die EM 2004 erinnert. Niemand traute damals den Griechen unter Otto Rehhagel zu, während der Gruppenphase einen Sieg zu holen, geschweige denn diese zu überstehen. Genau wie vor acht Jahren bestritten die Hellenen bei diesem Turnier das Eröffnungsspiel gegen den Gastgeber. Obwohl die als überaltert abgeschriebene Mannschaft, ebenfalls eine Parallele zu 2004, das Spiel nicht gewinnen konnte, setzte man beim 1:1 gegen Polen mit einer kämpferisch starken Vorstellung ein so nicht erwartetes Ausrufezeichen. Selbst als die Mannschaft von Trainer Fernando Santos gegen Tschechien nach sechs Minuten bereits 0:2 zurück lag, gab sich das Team nicht auf und schaffte nach dem Anschlusstreffer fast noch den Ausgleich. Im Lager der Griechen hat sich wohl, nicht zu letzt aufgrund der schwierigen Situation in der Heimat, eine „Wir gegen den Rest der Welt“-Mentalität entwickelt. Getragen von dieser Stimmung schlugen sie im letzten Gruppenspiel den haushohen Favoriten Russland mit einer disziplinierten Defensivleistung und schafften so den Einzug in das Viertelfinale. Das Team weiß was es kann und nicht kann. Mit dieser Gewissheit wird es auch Deutschland sicherlich vor Probleme stellen.
Petr Jiracek
Beim VfL Wolfsburg ist der defensive Mittelfeldspieler bisher noch nicht wirklich angekommen. Bei dieser EM zeigte Jiracek bisher aber was er zu leisten im Stande ist. Bei der 1:4-Niederlage gegen Russland sah man ihm an, dass er bis zu letzt an sein Team glaubte, da er mit großem kämpferischen Einsatz bis zum Schlusspfiff voran ging. Im zweiten Spiel spielte er sogar noch besser und erzielte in ungewohnter Offensivrolle das 1:0 gegen Griechenland. Gegen Gastgeber Polen war er im entscheidenden Spiel um den Aufstieg ins Viertelfinale dann der beste Mann auf dem Platz und markierte den wichtigen Siegtreffer. In dieser Form wird sich Petr Jiracek auch ganz gewiss in der Bundesliga durchsetzen.
Mario Gomez und Mats Hummels
Beide Spieler waren vor dem ersten Gruppenspiel eigentlich schon raus aus der Verlosung um die Stammplätze der deutschen Nationalmannschaft. Hummels konnte im DFB-Trikot nie die Leistungen aus Dortmund bestätigen und Gomez galt als zu hölzern für das angestrebte Offensivsystem von Joachim Löw. Doch der Bundestrainer überraschte mit der Aufstellung für das Spiel gegen Portugal alle, als plötzlich beide in der Startelf auftauchten. Löw sollte mit dieser Entscheidung recht behalten. Hummels spielte nun endlich wie bei der Borussia: unüberwindlich im Zweikampf, gute Spieleröffnung und das Unterlassen von Fouls. Gomez spielte zwar wahrlich nicht überragend, tat aber das, wofür er aufgestellt wurde: Tore schießen. Gegen die Niederlande zeigte sich das gleiche Bild: Hummels avancierte nun endgültig zum bisher vielleicht besten Verteidiger des Turniers und Gomez erzielte die beiden Tore. Eines sogar mit solcher Eleganz, dass sogar Bastian Schweinsteiger im Interview der Angstschweiß, ob der bisher nie gesehenen technischen Fähigkeiten seines Kumpels, auf der Stirn stand. Gegen Dänemark konnte Gomez zwar nicht treffen, bereitete das 1:0 durch Podolski aber mustergültig vor. Über die Leistung von Hummels braucht man wohl keine überflüssigen Worte mehr verlieren, auch wenn er gegen Dänemark nicht so überragend wie davor agierte
Cristiano Ronaldo
Was wurde nach den ersten beiden Gruppenspielen nicht alles an Häme über dem gelverklebten Haupt von Cristiano Ronaldo ausgeschüttet. Soviel, dass man aus friseurtechnischer Sicht Angst um die Frisur haben musste. Eben mit diesen auf Äußerlichkeiten fixierten Stereotypen wurde der Portugieser nach seinen, zugegeben, kläglich vergebenen Großchancen gegen Dänemark im Überfluss konfrontiert. Nach dem Motto: Viel Schein, wenig Sein. Im entscheidenden Moment war der Weltstar aber zur Stelle und zeigte die bisher beste Einzelleistung des Turniers. Im Alleingang nahm Ronaldo die Niederlande auseinander. Er gab unglaubliche zwölf Torschüsse ab und erzielte dabei zwei Treffer. Portugal steht nun im Viertelfinale und falls Ronaldo nun endgültig in Form gekommen sein sollte, können sich der oder die nächsten Gegner schon mal warm anziehen.
Dänemark
„Danish Dynamite“ explodierte zwar nur so richtig beim Überraschungserfolg gegen die Niederlande, konnte aber auch bei den beiden Niederlagen durchaus überzeugen. Die Mannschaft von Trainer Morten Olsen hatte gegen Portugal nach toller Aufholjagd schon einen Punkt sicher und auch Deutschland jagte man zeitweise einen gehörigen Schrecken ein. Schlussendlich fehlte gegen die beiden Topteams aber wohl doch die individuelle Klasse.
Irische Fans
Für fünf Minuten herrschte bei Tom Bartels ausnahmsweise Stille. Der Kommentator der ARD schien, wie soviele Zuschauer im Stadion und am Bildschirm, ergriffen von der Stimmgewalt der Fans von der grünen Insel. Obwohl die eigene Mannschaft hoffnungslos gegen Spanien unterlegen war, feierten die Iren ihre Mannschaft und sich selbst, durch das mit unglaublicher Inbrunst intonierte Volkslied „Fields of Athenry“. Im Stadion erhob sich der temporär größte Chor der Welt und gedachte mit dieser Hymne dem trotzigen irischen Credos des niemals Aufgebens. Ein absoluter Gänsehaut-Moment!
England
Zwei Monate vor dem Turnier hatten die „Three Lions“ noch nicht mal einen Trainer. Zudem war klar, dass der einzige englische Weltstar Wayne Rooney die ersten beiden Gruppenspiele verpassen wird. Auch der Kader des Teams von der Insel, bestehend aus vielen Spielern, die im Verein keine Stammspieler sind, wird sicher nicht als einer der stärksten in die englische Geschichte eingehen. Alles keine optimalen Vorzeichen. Die Ernennung von Roy Hodgson zum Nationaltrainer, sorgte ebenfalls nicht gerade für Begeisterungsstürme in der „Yellow Press“. Trotzdem gab es auch einen kleinen Hoffnungsschimmer: mit Joe Hart von Manchester City haben die Briten seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder einen Klassemann zwischen den Pfosten. Dieser überzeugte auch beim 1:1 gegen England im ersten Gruppenspiel. Im zweiten Spiel zeigte man gegen Schweden Moral und drehte einen 1:2-Rückstand noch in einen 3:2-Erfolg. Gegen Gastgeber Ukraine gewann man etwas glücklich, steht aber mit starken sieben Punkten im Viertelfinale und hat den Franzosen wohl das Prädikat „Geheimfavorit“ abgeluchst.
Ral, abseits.at
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Ral
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