In dieser Serie sollen die legendären EM-Momente ausgewählter Teilnehmermannschaften betrachtet werden. Wer waren die großen Spieler? Was waren die entscheidenden Momente? Was die großen... „Der Star ist die Mannschaft“- Deutschlands Triumph bei der EM 1996

In dieser Serie sollen die legendären EM-Momente ausgewählter Teilnehmermannschaften betrachtet werden. Wer waren die großen Spieler? Was waren die entscheidenden Momente? Was die großen Rückschläge? Dieses mal der Rekord-Europameister bei der EM in England.

Das letzte Hurra einer großen Generation

Das überraschende Aus im WM-Viertelfinale gegen Bulgarien 1994 hatte die deutsche Nationalmannschaft einigermaßen weggesteckt. Ein großflächiger Umbruch blieb aus und auch der Trainer hieß weiterhin Berti Vogts. Eine für das EM-Turnier entscheidende Veränderung gab es jedoch: Der bisherige Stammtorwart Bodo Illgner trat nach der WM zurück. Neue Nummer eins wurde Andreas Köpke vom 1.FC Nürnberg, um den sich während des Turniers zusätzlich ein Wechseltheater entfalten sollte.

Dieses Ausbleiben von Veränderungen sorgte innerhalb der deutschen Öffentlichkeit für eher pessimistische Stimmung. Die Helden von 1990 wurden immer älter, neue große Spieler waren nicht in Sicht. Den überragenden deutschen Spieler der letzten Jahre Lothar Matthäus nominierte Vogts aufgrund von Meinungsverschiedenheiten erst gar nicht, während im Sturm Jürgen Klinsmann als der einziger Stürmer von internationalem Format übrig blieb. Der andere, dem man dieses eventuell noch zusprechen konnte war Stefan Kuntz vom 1.FC Kaiserslautern. Oliver Bierhoff und Fredi Bobic hatten ihre Klasse auf dem höchsten Niveau bisher noch nicht gezeigt. Zudem sorgten ein 1:1 gegen Nordirland und ein 0:1 gegen Frankreich in Testspielen vor der EM nicht gerade für Euphorie, sondern untermauerten die vorherrschende Grundstimmung. Um dies alles abschließend auf einen Nenner zu bringen: Als großer Favorit galt die Truppe von Vogts nicht.

Typisches Losglück beschert machbare Gruppe

In der erstmals mit 16 Mannschaften ausgetragenen Gruppenphase traf Deutschland im ersten Spiel auf die Tschechen. Die junge Mannschaft um Spieler wie Karel Poborsky, Pavel Nedved oder Patrick Berger galt als Geheimfavorit. Deshalb überraschte der souveräne 2:0-Erfolg durch Tore von Andreas Möller und Christian Ziege viele Skeptiker der deutschen Mannschaft. Mit dem verletzungsbedingten Ausfall von Kapitän Jürgen Kohler für das restliche Turnier musste jedoch auch eine Hiobsbotschaft verkraftet werden. Fortan trug Jürgen Klinsmann die Binde, was ihn neben Matthias Sammer zum Anführer auf dem Platz machte. Gerade die Rolle Sammers als Libero vor der Abwehr – praktisch eine Frühform des modernen Sechsers- sollte sich für den weiteren erfolgreichen Turnierverlauf als enorm wichtig herausstellen.

Auch im zweiten Gruppenspiel gegen Russland bestätigte die deutsche Elf den Trend des nicht schönen aber erfolgreichen Spielens. Mit einem 3:0-Erfolg mit Toren von Sammer und Klinsmann (2) konnte man mit einer guten Ausgangsposition in das letzte Match gegen Italien gehen. Für die Italiener ging es in diesem Spiel mehr oder weniger um alles. Aufgrund einer Niederlage gegen Tschechien stand die „Squadra azzurra“ mit dem Rücken zur Wand und musste um den Einzug in das Viertelfinale bangen. Nach einer regelrechten Abwehrschlacht und einem gehaltenen Elfmeter von Köpke hielt das deutsche Team ein 0:0. Damit war Deutschland Gruppensieger, während Italien völlig überraschend die Heimreise antreten musste, da die Tschechen mit einem 3:3 gegen Russland den nötigen Punkt zum Weiterkommen einfuhren.

Einer der besten Spiele des Turniers – Deutschland vs. Kroatien

Im Viertelfinale wartete nun die extrem spielstarke Mannschaft aus Kroatien um ihre Superstars Davor Suker, Alen Boksic, Zvonomir Boban und Robert Prosinecki. In einem spannenden und hochklassigen Spiel lieferte Matthias Sammer das Spiel seines Lebens ab. Der Dortmunder war überall auf dem Platz zu finden. Er stopfte hinten Löcher und leitete gleichzeitig die meisten Angriffe ein. In Führung ging die deutsche Elf jedoch durch Kapitän Klinsmann, der einen Foulelfmeter verwandelte. Im Laufe der Partie musste Klinsmann jedoch aufgrund eines Muskelfaserrisses ausgewechselt werden – weiterer Turniereinsatz fraglich. Zu Beginn der zweiten Halbzeit kamen die Kroaten dann durch Suker zum nicht unverdienten Ausgleich in der 51. Minute. Die Antwort des deutschen Teams kam prompt. Schon in der 59. Minute erzielte Sammer mit einem Traumtor das 2:1. Zuvor hatte der Kroate Igor Stimac die gelb-rote Karte gesehen. Trotz Unterzahl kämpfte das kroatische Team leidenschaftlich, schaffte den Ausgleich aber nicht mehr.

„Fußball ist ein einfaches Spiel. 22 Mann jagen einem Ball hinter her und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“- England gegen Deutschand in Wembley

Dieses Bonmot von Gary Lineker passte auf die Halbfinalpartie wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. In dramatischen 120 Minuten hatten die Engländer mehrmals die Entscheidung auf dem Fuß. Die Gastgebermannschaft ging schon früh in der dritten Minute durch Alan Shearer in Führung. Der für den verletzten Klinsmann spielende Stefan Kuntz, dessen englische Aussprache seines Nachnamens bei vielen britischen Kommentatoren für Erheiterung sorgte, konnte dieses Ergebnis aber in schon in der 16. Minute egalisieren. Danach spielten eigentlich nur noch die „Three Lions“. Sie schafften es aber nicht, den Ball am überragenden Köpke vorbei zu bringen, sodass das Spiel in die Verlängerung musste. Dort vergab dann Paul Gascoigne die Riesenchance zur Entscheidung, als er am Ball vorbei rutschte und somit das leere Tor nicht traf. Englands Alptraum wurde also wahr. Wie schon bei der WM 1990 musste man gegen Deutschland ins Elfmeterschießen. Anstatt Stuart Pearce wurde diesmal aber Gareth Southgate zur tragischen Figur. Nachdem alle Schützen souverän verwandelten, scheiterte der Verteidiger beim fünften Elfmeter an Köpke. Anschließend verwandelte Möller eiskalt, sodass Deutschland anstelle der Gastgeber im Finale stand.

„Kouuuuuubaaaaaa“ – Deutschland gegen Tschechien

Vor dem Finale gegen den klaren Außenseiter Tschechien plagte das deutsche Team extreme Personalsorgen, aufgrund derer die Ersatztorhüter Oliver Kahn und Oliver Reck mit Feldspielertrikots ausgestattet wurden und Vogts gar Jens Todt vom SC Freiburg nachnominieren musste. Jedoch bekam die medizinische Abteilung völlig überraschend Jürgen Klinsmann für das Finale fit.

Die erste Halbzeit präsentierte ein höchst zerfahrenes Spiel, bei dem Deutschland leichte Feldvorteile hatte. In der zweiten Halbzeit bekamen die Tschechen aus dem nichts einen unberechtigten Foulelfmeter zugesprochen. Patrick Berger verwandelte und brachte Tschechien somit völlig überraschend in der 59. Minute mit 1:0 in Führung. Deutschland wirkte daraufhin geschockt und brachte die nächsten 15 Minuten nichts Zwingendes zu Wege. Als alles danach aussah, dass die Mannschaft von Berti Vogts geschlagen ist, erzielte der eingewechselte Oliver Bierhoff das erlösende 1:1 in der 73. Minute. Da keine weiteren Treffer fielen, musste auch dieses Spiel in die Verlängerung. Nach gerade einmal fünf Minuten bekam Bierhoff den Ball mit dem Rücken zum Tor zugespielt. Mit einer etwas hölzernen Drehung kam der Italien-Legionär zum Abschluss, welcher zunächst nicht besonders gefährlich wirkte. Der Keeper der Tschechen Petr Kouba ließ den harmlosen Ball aber über die Finger rutschen, was Kommentator Bela Rethy zu seinem legendären langgezogenen Ausruf des Nachnamen des Torhüters animierte. Dank des ersten Golden Goals der EM-Geschichte, war Deutschland zum dritten Mal Europameister.

Ral, abseits.at

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