Heute um 20:45 Uhr bestreiten Spanien und Italien im Olympiastadion in Kiew das Finale der 14. Fußball-Europameisterschaft. Bereits in der Gruppenphase kam es zum... Vorschau, EM-Finale | Spanien – Italien

Heute um 20:45 Uhr bestreiten Spanien und Italien im Olympiastadion in Kiew das Finale der 14. Fußball-Europameisterschaft. Bereits in der Gruppenphase kam es zum Duell dieser beiden Mannschaft. Damals gab es ein Remis, dennoch handelte es sich um eine taktisch hochwertige Partie. Die hochkonzentrierten Italiener verlangten dem Titelverteidiger mit einer disziplinierten Defensivleistung alles ab. Gute Vorzeichen also, dass es im Endspiel ähnlich zugehen wird.

Spanien – Italien

Sonntag, 20:45 Uhr | Olympiastadion Kiew | Schiedsrichter Pedro Proença (Portugal)

Mit oder ohne Stürmer?

Im Halbfinale überraschte Spaniens Teamchef Vicente del Bosque als er für die Stürmerposition Alvaro Negredo aus dem Hut zauberte. Dem 26-Jährige fehlte allerdings jegliche Bindung zum Spiel, weswegen er später durch Cesc Fabregas ersetzt wurde – ein komplett anderer Spielertyp. Als gelernter Mittelfeldspieler brachte er eine zusätzliche spielerische Komponente ein und verstärkte eher das Mittelfeld- als das Sturmzentrum. Will man sich gezielt auf dieses spezialisieren wäre Fernando Llorente die logischste Wahl. Der großgewachsene Bilbao-Angreifer ist ein typischer Neuner, wenngleich er über eine beachtliche Technik verfügt und auch eine hohe Laufbereitschaft an den Tag legt. Die vierte Option wäre Fernando Torres, der die Eigenschaften aller seine Sturmkameraden wohl am besten verkörpert, jedoch seit geraumer Zeit mit seinem Torabschluss hadert. Im Gruppenspiel gegen Italien hatte nach seiner Einwechslung er zum Beispiel zwei gute Gelegenheiten die Begegnung für sein Team zu entscheiden. Aber abgesehen davon beschäftigte er die Abwehr der Italiener mit seinem geradlinigen Spiel deutlich mehr als Fabregas zuvor, obwohl dieser den Ausgleich erzielte. Daher scheint der Chelsea-Stürmer auch die wahrscheinlichste Variante für das Finale, er könnte das zentrierte Spiel der Spanier strecken.

Wer sorgt für Breite?

Ein weiterer wichtiger Punkt warum Spanien im ersten Aufeinandertreffen dieser beiden Mannschaften erst in der Schlussphase gefährlich wurde war die Einwechslung von Jesus Navas. Der Sevilla-Winger öffnete dem Welt- und Europameister mehr Möglichkeiten in die Breite zu spielen. Dennoch scheint ihn del Bosque weiterhin nur als Joker einzuplanen. Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass David Silva seit dem Auftaktmatch, in dem er sehr zentral agierte, eine höhere Positionstreue an den Tag legt und auch Arbeloa das ein oder andere Mal vorstößt. Auf der gegenüberliegenden Spielfeldseite ist Formationsbreite ein kleineres Problem. Iniesta glänzte bisher mit einem sehr guten Flügelspiel und sucht auch oft den Torabschluss. Die richtigen Flankenläufe kommen aber von seinem Hintermann Jordi Alba. Frankreich probierte das Tandem sogar mit zwei Rechtsverteidigern aufzuhalten, was sich jedoch angesichts der Tatsache, dass Debuchy vor dem 1:0 einen entscheidenden Zweikampf gegen Alba verlor, als nicht erfolgreich herausstellte.

Welche Formation wählt Prandelli?

Mehr denn je stellt sich die Frage nach dem Spielsystem der Italiener. Spielte man im 4-3-1-2 gewann die Squadra Azzurra bisher jedes Spiel, jedoch könnte das erste EM-Duell gegen Spanien bei Teamchef Cesare Prandelli zum Umdenken führen. Auf dem Papier spricht alles für die Raute, doch die extreme Enge im Spiel von Spanien ist ein gewichtiges Argument für einen erneuten Einsatz des 3-5-2. Allerdings bietet auch das 4-3-1-2 ein kompaktes Zentrum mit sich, vor allem wenn man untypische Trequartista a la Montolivo und Motta setzt. Beide sind eher defensiv orientiert und können die Formation zu einem flachen 4-4-2 werden lassen, wie die zweite Hälfte gegen Deutschland gezeigt hat. Um Vorstöße von Arbeloa oder Busquets einzudämmen könnten in beiden Szenarien die Stürmer durch hohe Position bei Spaniens Ballbesitz sorgen. Orientiert sich das Sturmduo weit vorne, würde einer der beiden Spanier als zusätzliche Absicherung neben der Innenverteidigung hinten bleiben, da eine Zwei-gegen-Zwei-Situation ein großes Risiko bei Kontern darstellen würde.

Welchen Einfluss haben Standardsituationen und Fitness?

Viele sehen die Italiener wieder einmal körperlich insofern im Nachteil als diese einen Tag weniger Regenerationspause zwischen Halbfinale und Finale haben. Bundestrainer Joachim Löw konnte vor dem Spiel gegen Italien keinen Vorteil darin sehen, immerhin hätten sie ohnehin ganze vier Tage Zeit um wieder zu Kräften zu kommen. In der Tat hatte man den Eindruck, dass die Squadra Azzurra die Extraschicht aus dem Viertelfinale gut verdaut hat. Viel anders ist dies auch im Endspiel nicht zu erwarten, vor allem da der Kontrahent eine intensivere Saison hinter sich hat. Im Schnitt hat jeder spanische Spieler, der gegen Portugal in der Startelf stand 58,5 Spiele (inkl. EM) in den Beinen – zum Vergleich der durchschnittliche Italiener kommt auf 42. Das liegt vor allem daran, dass Prandellis Gerüst aus Spielern von Juventus, das in der abgelaufenen Saison keine Europacupspiele bestritt, besteht. Die tragenden Säulen bei den Iberern stehen hingegen fast ausschließlich beim FC Barcelona oder Real Madrid unter Vertrag. Mehr Relevanz könnten Standardsituationen haben. Der Hälfte der sechs erzielten EM-Treffer Italiens ging ein ruhender Ball voraus.

Die Aufstellungen

Die Kernfragen wurden bereits oben erläutert. Bei Spanien scheint die Variante mit einem „echten“ Stürmer die wahrscheinlichste. Im Gruppenduell konnte Torres mit intelligenten Läufen die italienische Abwehr in Bedrängnis bringen, wodurch er bei del Bosque sicherlich einen Pluspunkt gesammelt hat. Ansonsten ist mit keine Änderungen zu rechnen, denn auf den anderen zehn Postionen begannen jeweils die gleichen Spieler. Auch aufseiten Italiens dürfte es im Vergleich zum Halbfinale kaum Änderungen geben. Lediglich Balzaretti, der gegen Deutschland auf der Rechtsverteidigerposition aushalf, wird auf den Anpfiff von der Bank aus mit ansehen müssen. Abate ist wieder fit und Maggio kehrt nach seiner abgesessenen Sperre wieder zurück in den Kader.

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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