Irischer Riegel von Spanien erfolgreich geknackt – Ungefährdeter 4:0-Sieg für „La Furia Roja“
Gruppe C 15.Juni.2012 Georg Sander 0
Nach dem nicht zufriedenstellenden 1:1-Unentschieden gegen Italien wollte Spanien gegen Irland, die ihren Auftakt gegen Kroatien mit 1:3 verloren hatten, ein Ausrufezeichen setzen. Dies gelang auch, denn Fernando Torres (4., 70.), David Silva (49.) und Cesc Fabregas (83.) besiegelten den deutlichen Sieg der Spanier.
Wenig Umstellung bei Irland
Giovanni Trapattoni vertraute weitgehend auf die Elf, die gegen Kroatien 1:3 verloren hatte und zog sich noch weiter zurück. Statt Kevin Doyle begann Simon Cox an „vorderster“ Front. Die Anführungszeichen beschreiben die taktische Ausrichtung der Iren, die trotz der nominell starken Flügel Damien Duff und Aiden McGeady sehr defensiv auftraten. Die Spanier wiederum begannen auch so gut wie unverändert, einzig Fernando Torres begann als echter Stürmer statt Cesc Fabregas. So ergab sich ein defensives 4-4-2 aus Seiten der Iren gegen ein sehr dynamisches 4-2-3-1 mit stark nach vorne orientierten Außenverteidigern und der von den Barca-Stars Xavi und Busquets angeführten Mittelfeldzentrale. In Ballbesitz ergab sich für die Spanier ein System, bei dem aufgrund der defensiven Ausrichtung der Gegner beinahe alle Spieler am Angriffsspiel teilnehmen konnten.
Eingeständnis
Im Gegensatz zu der langen Zeit, die Spanien im ersten Spiel ohne echten Stürmer agierte, ließ Vicente Del Bosque diesmal mit Fernando Torres eine echte Spitze beginnen, was sich schnell bezahlt machte. Andererseits konnte das auch als Eingeständnis interpretiert werden, dass Cesc Fabregas als falsche Spitze im ersten Spiel gegen Italien die falsche Wahl war. Anzumerken ist allerdings schon, dass das 4-4-2 der Iren auch etwas konservativer als das heutzutage ungewöhnliche italienische System mit einer Dreierabwehr in der Defensivzentrale war. Ansonsten setzte der spanische Coach auf das, was auch bei Barcelona gut funktioniert: Das aggressive Pressing bereits tief in der Hälfte des Gegners. Das wirkte sich dann natürlich gleich in der Anfangsphase in hohem Ballbesitz aus, da die irische Nationalmannschaft nun mal nicht zu den Mannschaften gehört, die über die feine Klinge ein Spiel aufbauen.
Guter Start, kaum Reaktion bei Tor möglich
Auch wenn Simon Cox in der dritten Minute mittels Distanzschuss aus halblinker Position ein Ausrufezeichen setzte, war die Verteidigung trotz einer guten Portion Aggressivität noch in der Kabine. Der Pass von Iniesta, der das frühe 1:0 in der 4. Minute einleitete, passte perfekt in den Lauf von David Silva. Dieser war Richtung Sechzehner, zentral vorm Tor gelaufen. Doch die Abwehr hatte den Ball fast schon wieder, da hätte die Kugel hinausgedroschen gehört. So konnte Torres das tun, was ein Stürmer macht. Er schnappte sich den Ball, brachte sich rechts die Abwehr umlaufend in Position und knallte das Leder in die Maschen. Shay Given war zu nah am Schuss dran, dieser war perfekt getimt und passte einfach. In der Zeit von Schuss bis zum Eintreffen ins Tor konnte der Torhüter, der auch mit einem Flachschuss aufs kurze oder lange Eck rechnen musste, gar nicht reagieren.
Schwere Situation
Für die Iren entwickelte sich eine verzwickte Lage. Nach dem frühen Gegentor musste ein eigenes her, aber wäre man zu weit heraus gerückt, hätten die Spanier so früh im Spiel wohl noch mehr Einschussmöglichkeiten vorgefunden, als Torres aus kurzer Distanz nach Arbeloa-Vorlage (7.) oder Piqué nach einer Ecke aus der Distanz (16.). Der Außenseiter zog sich tief zurück, baute zwei Viererketten, die sehr eng beieinander standen auf und versuchten, bei Ballbesitz, schnelle Konter zu fahren. Das führte allerdings nicht zu dem gewünschten Erfolg, die Defensive der Spanier war zu abgebrüht, die Konter nicht entschlossen und konzentriert genug vorgetragen. In der Offensive gab es noch mehr Probleme, denn die Iberer rochierten sehr viel, wollten sich durchkombinieren. Iniesta versuchte es einmal aus dem Spiel heraus aus der Distanz (23.), das hätte öfters kommen müssen.
(Abwehrformation Irland)
Zweites Tor ein Given-Fehler
Bereits in der 42. Minute hatte Schlussmann Given einen Schuss von Iniesta kurz wegprallen lassen. Beim zweiten Tor trifft ihn die Schuld. Nach einem wuchtigen Weitschuss ließ er das Spielgerät zur Mitte prallen, David Silva tanzte drei Abwehrspieler aus und schob keck ins rechte Eck ein. Warum ist der erfahrene Given schuld? In keiner Situation sollte ein Ball vom Torhüter zur Mitte prallen gelassen werden und schon gar nicht, wenn ohnehin so viel Verkehr vor dem Tor ist. Silva machte das 2:0 in einer sehr aufreizenden Art und gab seinem Gegner auch noch ein Gurkerl mit.
Warum mit so wenig Mut?
Auch wenn die Spanier zuweilen zu verspielt wirkten, waren die Iren genau das Gegenteil. Wenn das Team schon spielerisch unterlegen ist, dann müssen die Konter auch durchgezogen werden. Wurde der Ball, wie in der 60. Minute, als Casillas eine Flanke runterpflückte, nach vorne getragen, waren die Gegner längst schon wieder geordnet. Behäbig und langsam waren die Männer in Grün, die physischen Vorteile, die anhand der Körpergröße offensichtlich waren, wurden nicht in die Waagschale geworfen. Die Spanier wiederum ließen die Gegner mehr und mehr kommen, damit die Räume für Konter geöffnet werden konnten.
Drittes Tor sinnbildlich, viertes ein Hohn
Der dritte Treffer, der zweite von „El Nino“ Torres in der 70. Minute, stand sinnbildlich für das Spiel der Iren. In Ballbesitz im Mittelfeld wurden sie entscheidend unter Druck gesetzt, David Silva eroberte die Kugel, die weit aufgerückte irische Abwehr wurde mit einem Pass ausgehebelt und der Stürmer konnte vollkommen alleine auf Given zulaufen. Das dritte Tor war mehr als verdient, denn die Außenseiter zeigten wieder diese Unkonzentriertheit im Aufbau und die Spanier nutzen das eiskalt aus. Das 4:0 durch Fabregas in der 83. Minute setzte dem Spiel der Iren die Krone auf, denn dieser war der einzige (!) gegnerische Spieler beim kurz abgespielten Eckball im Strafraum…
Spanien aufreizend, Irland ungenügend
Vicente Del Bosques Team agierte oftmals aufreizend bis überheblich, das muss nicht jedem gefallen. Die Iren wiederum präsentierten sich wie erwartet sehr defensiv, aber ließen flottes Offensivspiel vermissen. So war der Sieg in dieser Höhe mehr als verdient. Auch wenn Irland im ersten Durchgang durchaus ansehnlichen Defensivfußball zeigte, fehlten eben die Nadelstiche nach vorne. Defensivfußball ist an sich keine Schande, in dieser Ausführung aber für eine EM-Endrunde vollkommen unzureichend. Hätte man sich mehr getraut, hätte es wohl auch eine hohe Niederlage gesetzt. So zeigte Trapattonis Mannschaft wenig bis gar nichts in der Offensive und verlor trotzdem mehr als deutlich.
Georg Sander, abseits.at
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