In der Gruppe C schoben sich die Kroaten nach einem souveränen 3:1-Erfolg gegen ausrechenbare Iren an die Tabellenspitze und setzen die beiden Gruppen-Favoriten Spanien... Kroaten wurden ihrer Favoritenrolle gerecht – Souveräner 3:1-Sieg im Auftaktspiel gegen Irland

In der Gruppe C schoben sich die Kroaten nach einem souveränen 3:1-Erfolg gegen ausrechenbare Iren an die Tabellenspitze und setzen die beiden Gruppen-Favoriten Spanien und Italien, die sich zuvor in einem interessanten Spiel 1:1-Unentschieden trennten, unter Druck. Für den Außenseiter Irland ist die Europameisterschaft nach der deutlichen Niederlage hingegen schon so gut wie vorbei.

Giovanni Trapattoni brach gleich zu Beginn der Partie einen Rekord, denn mit Anpfiff löste er Otto „Maximale“ Baric, als ältesten Trainer ab, der jemals eine Mannschaft bei einer Europalmeisterschaft betreute. Schon nach drei Minuten sah der 73-Jährige allerdings noch einmal um ein paar Jahre älter aus, denn die Kroaten gingen durch Mandzukic in Führung, nachdem dieser eine abgefälschte Flanke aus gut 12 Metern per Kopf ins gegnerische Tor unterbrachte, obwohl er Sekunden zuvor auf dem nassen Rasen ausrutschte. Dieses Tor setzte die Iren schon früh unter Druck und Trapattonis Defensivkonzept wurde über den Haufen geworfen. Sehen wir uns zunächst aber die Aufstellungen beider Mannschaften an.

Keine Überraschungen bei Irland

Giovanni Trapattonis Aufstellung überraschte niemanden, denn er hatte seine Elf schon einen Tag zuvor den anwesenden Journalisten bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Er schickte eine kampfstarke 4-4-2-Formation aufs Feld, deren Stärken im Normalfall das Flügelspiel über Damien Duff und Aiden McGeady ist. Im zentralen Mittelfeld liefen wie erwartet Keith Andrews und Glenn Whelan auf, wobei ersterer offensiver agierte und mit Abstand die meisten Torschüsse aller Iren aufwies. Kein anderer Spieler seiner Mannschaft schoss öfters als einmal aufs gegnerische Tor, er hingegen probierte es gleich siebenmal, wobei der kroatische Tormann Stipe Pletikosa nur bei einem seiner Versuche eingreifen musste. In der Abwehr-Viererkette gab es keine Überraschungen – Sean St.Ledger und Richard Dunne liefen als Innenverteidiger auf, John O´Shea und Stephen Ward begannen auf den Seiten. Neben Robbie Keane stürmte Kevin Doyle, der den Vorzug gegenüber Simon Cox erhielt.

Kroatien-Trainer Slaven Bilic beweist ein gutes Händchen bei der Aufstellung

Bei Kroatien hingegen gab es einige kleinere Überraschungen, denn Slaven Bilic beorderte Darijo Srna als rechten Außenverteidiger zurück in die Abwehr-Viererkette. Diese Position spielt der 30-Jährige hauptsächlich bei seinem Verein Shakhtar Donetsk, im Nationalteam kam er hingegen meistens im rechten Mittelfeld zum Einsatz. Dort begann jedoch Ivan Rakitic, der häufig nach innen rückte und dem extrem offensiv spielenden Srna somit viel Platz auf dem Flügel ließ. Als linker Außenverteidiger begann Ivan Strinic, der hinter seinem Namensvetter Ivan Perisic seine Rolle ein wenig defensiver auslegte als Srna auf der rechten Seite. Vor dem Innenverteidiger-Duo Gordon Schildenfeld und Vedran Corluka begann Ognjen Vukojevic als einziger defensiver Mittelfeldspieler. Vor ihm agierte Spielmacher Luka Modric im zentralen Mittelfeld, im Sturm begannen Mario Mandzukic und der ehemalige Rapid-Wien-Spieler Nikica Jelavic.

Der Spielverlauf – Kroaten mit Blitztreffern in beiden Spielhälften

Wie bereits oben erwähnt gingen die Kroaten schnell in Führung, was das Defensivkonzept der Iren rasch über den Haufen warf. Man muss Trapattonis Truppe jedoch zugestehen, dass sie auf das schnelle Gegentor gut reagierten, Ruhe in die Partie brachten und besonders in der Anfangsphase mit viel Biss dagegenhielten. Richtig gefährlich wurden die Iren jedoch meist nur bei Standardsituationen. Auf diese Weise fiel auch in der 19. Minute der Ausgleich, als nach einem McGeady-Freistoß St. Ledger das Kopfballduell gegen Corluka gewann und zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich traf. Den Kroaten gelang allerdings noch vor der Pause durch den ehemaligen Rapid-Stürmer Jelavic der erneute Führungstreffer, nachdem Außenverteidiger Ward ein fürchterlicher Fehler unterlief, da er den Ball bei einem verunglückten Klärversuch dem kroatischen Stürmer ideal vor die Füße legte. Nach der Pause vergrößerte Mandzukic nach sehenswertem Kombinationsspiel den Vorsprung auf zwei Tore, wobei er ein wenig Glück hatte, da sein Kopfball von der Stange auf Shay Givens Hinterkopf prallte, von wo aus der Ball ins Tor kullerte.

Starkes Pressing zwingt Irland zu Fehlern im Aufbauspiel

Die Iren waren auch in den EM-Qualifikationsspielen nicht dafür bekannt, dass sie ihre Fans mit zauberhaften Kombinationen in Entzücken versetzen. Sie spielten dennoch einen sehr ansehnlichen, zweckorientierten Fußball, von dem gestern Abend jedoch nur sehr wenig zu sehen war. In erster Linie waren die Kroaten dafür verantwortlich, da sie von Anfang an den Gegner beim Spielaufbau mittels starkem Pressing störten. Die irischen Verteidiger taten sich extrem schwer saubere Anspielstationen zu finden und ihnen blieb oft nichts anderes übrig, als den Ball weit nach vorne zu schlagen.

Sieht man sich die Passquote der vier irischen Abwehrspieler an, dann kommt lediglich Sean St. Leadger gut weg, der mit 88% erfolgreichen Pässen eine positive Ausnahme in der Viererkette darstellt. Richard Dunne, sein Kollege im Abwehrzentrum, erreichte schon zwanzig Prozent weniger und kam nur auf eine erfolgreiche Passquote von 68%. Noch schlimmer sehen die Statistiken aber bei den Außenverteidigern aus: O´Shea brachte nur 65% seiner 40 Passversuche zu seinen Mitspielern, bei Stephen Ward kamen überhaupt nur 60% seiner 43 Pässe an. Wer jetzt denkt, dass diese Zahlen symptomatisch für „hölzerne“ irische Außenverteidiger sind, der irrt sich, denn in der Premier League kam Ward in der vergangenen Saison in 38 Partien im Schnitt auf eine erfolgreiche Passquote von 77,3%. An diesen Zahlen sieht man, dass der Druck der Kroaten sehr groß war, besonders über deren rechte Seite.

Kroaten mit enormem Druck über die rechte Seite

Dass Ward so schlecht aussah und dass Aiden McGeady, Irlands kreativster und trickreichster Spieler, so blass blieb, lag an der extrem starken und offensiven rechten Seite der Kroaten. Man muss Bilic dafür gratulieren, dass er Darijo Srna und Ivan Rakitic gemeinsam auf der rechten Seite aufstellte, denn die beiden harmonisierten perfekt miteinander und Rakitic gelang es immer wieder dem extrem offensiv spielendem Außenverteidiger Räume auf den Flanken frei zu machen, indem er seine Gegenspieler an sich band und in die Mitte zog. Während bei den Kroaten nur 30% der Angriffe über links vorgetragen wurden, kamen 42% aller gefährlichen Aktionen über die rechte Seite. Nur 28% der Angriffe kamen über die Mitte, was auch an der Rolle Modric´ lag, zu der wir gleich kommen werden. Srna zeigte sich jedoch nicht nur in der Offensive stark, sondern nahm zusammen mit Rakitic auch den trickreichen Aiden McGeady komplett aus dem Spiel, was dazu führte, dass auch die Iren die meisten Angriffe über rechts vortrugen (39%) und über die ansonsten starke linke Seite nur wenig ging (29%). Wenn man sich die durchschnittlichen Spielerpositionen der Kroaten anschaut (Grafik oben) , dann sieht man, dass Srna im Schnitt weiter vorne zu finden war als die Mittelfeldspieler Modric und Perisic und dass nur Rakitic und die beiden Sturmspitzen ein wenig weiter vorne agierten.

Modric als stiller Dirigent und großer Kämpfer

Luka Modric glänzte zwar nicht mit spektakulären Szenen in der Offensive, sondern tat das, was er am besten kann. Er dirigierte das Spiel der Kroaten, bestimmte das Tempo und verlagerte das Spiel geschickt auf die Flanken. Ganze elf lange Bälle spielte er auf die Seiten, auch da die Iren die Passwege nach vorne zu den beiden Sturmspitzen recht eng machten und die Räume geschickt zustellten. Modric war das Gehirn der Mannschaft und für seine Mitspieler immer anspielbar, da er sich oft zurückfallen ließ. Neben einigen schönen Dribblings fiel er mit einer tollen Passquote auf, denn von 62 Pässen landeten 94% bei seinen Mitspielern – eine sehr starke Statistik, besonders wenn man bedenkt, dass er oft mit weiten Pässen das Spielgeschehen verlagerte.

Modric zeigte jedoch nicht nur bei Ballbesitz seine große Klasse, sondern glänzte auch durch seine starke Defensivarbeit. Er arbeitete fleißig beim Pressing mit und konnte dreimal einen Pass der Iren abfangen – kein anderer Kroate kam in der Partie auf mehr Interceptions. Auch die Szene in der 53. Minute, die zu seiner gelben Karte führte, zeigte, dass er in dieser Partie alles andere als ein zweikampfscheuer Spielmacher war.

Fazit

Die Iren waren den Kroaten in fast allen Belangen unterlegen und kamen mit dem aggressiven Pressing nicht zurecht, sodass über weite Strecken der Partie kein vernünftiges Aufbauspiel zu Stande kam. Die kroatischen Stürmer attackierten die ballführenden Abwehrspieler der Iren geschickt, wobei insbesondere Jelavic seinen Körper immer wieder gut einzusetzen wusste und selbst in Zweikämpfen gegen Hünen wie Richard Dunne die Oberhand behielt. Über die Rolle des ehemaligen Rapid-Stürmers könnt ihr hier mehr lesen. Die Kroaten zeigten nicht nur ihre spielerische Klasse, sondern nahmen in kritischen Phasen der Partie auch den Kampf an und hielten körperlich gut gegen den physisch starken Gegner. Obwohl man den Iren in Sachen Kampfgeist nichts vorwerfen kann, enttäuschten sie doch ein wenig, da sie vom Spielerischen her in den EM-Qualifikationsspielen ansehnlichere Leistungen zeigten. Gefährlich wurden sie meist nur über Standardsituationen, auf die die österreichische Nationalmannschaft in der kommenden WM-Qualifikation höllisch aufpassen wird müssen. Womöglich wäre die Partie spannender verlaufen, wenn Schiedsrichter Björn Kuipers in der 62. Minute ein Elfmeter-Foul von Schildenfeld an Keane nicht übersehen hätte. Auch bei den Gegentoren hatten die Iren Pech: Der erste Treffer fiel nach einer abgefälschten Flanke, der zweite nach einem großen Schnitzer von Ward und der dritte sprang von Shay Givens Hinterkopf ins eigene Tor. Das alles ändert aber nichts daran, dass der Sieg der Kroaten vollkommen verdient war, denn zwischen den spielerischen Darbietungen dieser Mannschaften lagen gestern Abend Welten.

Die Kroaten freuen sich nun voller Selbstvertrauen auf die Partie gegen Italien und wollen sich mit einem Sieg schon vorzeitig fürs Viertelfinale qualifizieren. Für die Iren wird es nach der Auftaktniederlage nicht mehr viel zu holen geben. Ziel muss es sein den Spaniern und den Italienern das Leben so schwer wie möglich zu machen. An einen Aufstieg glaubt nun selbst in Irland niemand mehr.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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