0:2 – Müde Franzosen unterliegen Schweden, das endlich als Team auftrat
Gruppe D 20.Juni.2012 Georg Sander 0
Sverige begann hoch engagiert, zog den Franzosen defensiv den Zahn und entmutigte die leichtfüßigen Ballartisten. Zlatan Ibrahimovic (54.) und Sebastian Larsson (90.) besiegelten den verdienten, aber letztlich unwichtigen Sieg am dritten Spieltag der Gruppe D.
Schweden versuchen es wieder mit dem Star
Erik Hamrén beließ auch im letzten Spiel seinen Superstar Zlatan Ibrahimovic im Team. Links ersetzte Emir Bajrami von Twente Enschede Rasmus Elm. Der im Kosovo geborene Spieler ist im Gegensatz zum AZ-Alkmaar-Akteur ein echter linker Mittelfeldspieler. An vorderster Front begann Ola Toivonen statt Johan Elmander. Toivonen spielt wie Bajrami in den Niederlanden, bei PSV Eindhoven. Wie aber schon in den ersten zwei Begegnungen galt es für die Skandinavier, Ibrahimovic so einzusetzen, dass er seine Stärken voll ausspielen kann und nicht dem Team zur Last fällt, wenn er entnervt ist.
Blanc mit 4-3-3
Der französische Coach setzte diesmal auf ein klares 4-3-3 mit zwei Spielmachern in der Mittelfeldzentrale. In der Abwehr gab es im Gegensatz zum lockeren 2:0 gegen die Ukraine keine Umstellungen, davor mimte Alou Diarra nunmehr den einzigen Sechser. Statt Yohan Cabaye daneben liefen Samir Nasri und Yann M’Vila in der Zentrale auf. Hatem Ben Afra und Franck Ribery sollten Solospitze Karim Benzema bedienen. Auf der rechten Seite hatte gegen die Gastgeber noch Jeremy Menez angefangen.
Schweden mit freiem Kopf nach vorne
Das Team um Superstar Zlatan Ibrahimovic legte los wie die Feuerwehr. Toivonen hatte in der Anfangsphase eine gute Kopfballchance, kurz darauf köpfelte Larsson nach Källström-Flanke knapp neben das Tor. In der zehnten Minute nutze wieder Toivonen einen Fehler von Mexes, überlief Lloris, traf aber nur die Stange. Die Schweden traten hoch motiviert auf, wollten sich unbedingt mit einem Sieg verabschieden und wählten auch gute Mittel. Schnell, direkt und schnörkellos wurden die Chancen vorgetragen, ohne große Umschweife. Auch Ibrahimovic, der in den vorangegangen Partien zuweilen zu egoistisch agierte, stellte sich in den Dienst der Mannschaft. Das Spiel nach vorne klappte im ersten Durchgang auch nach der Anfangsphase gut, Källström konnte Toivonen in der 32. Minute noch einmal gut einsetzen. Der Lochpass war gut, Lloris musste eingreifen. Zwei Minuten später flog eine Granqvist-Flanke in Richtung Ibrahimovic, der das Beste daraus machte…
Aus der sicheren Defensive heraus
Warum die Schweden nicht früher im Turnier so konzentriert zu Werke gingen, wissen sie wohl nur selbst. Hinten machte es die Abwehrformation im Grunde genommen sehr gut und konnte durch viel Laufarbeit, braves Doppeln und vor allem einer verstärkten Präsenz in der Zentrale punkten. Im Angriffsfall befanden sich noch genügend Defensivspieler, um allfällige schnelle Gegenstöße gut abzufedern. Ein entscheidender Faktor war eben auch Ibrahimovic, der viel unterwegs war und sein Team grandios unterstützte.
Frankreich mit anfänglichem Offensivgeist
Die Franzosen boten ein sehr variables Mittelfeld auf, mit dennoch klar verteilten Rollen. Ribery verblieb beispielsweise auf seiner linken Seite. Die Anfangsfuriostität wurde durch die schwedische Konterauffälligkeit etwas gebremst, nach circa zehn Minuten, dem Fehler von Mexes und der damit verbundenen Chance von Toivonen, mehr Fokus auf die Defensive. Die Angriffe wurden gefällig vorgetragen, der Flügel ab und an mit drei Spielern überladen, um Überzahlsituationen zu kreieren. Doch die Schweden verteidigten diszipliniert: Mellberg fing einen Doppelpass von Nasri und Benzema ab (17.). Benzema kam in der 27. Minute noch einmal zum Abschluss von der Strafraumgrenze, die nächste Chance datierte aber erst wieder aus der 34. Minute, als Ben Afra aus gut 25 Metern abzog. Die französischen Stars wirkten allgemein etwas leer im Kopf, ließen offensive Kreativität vermissen.
Tor und Reaktion durch Routine
Es änderte sich wenig am Bild. Frankreich war mit 57 Prozent insgesamt mehr am Ball, versuchte es mit insgesamt 24 Schüssen, von denen zehn aufs Tor gingen. Isaksson im Kasten der Nordländer war aber stets zur Stelle. Die Schweden waren effektiver, feuerten nur zwölf Schüsse auf das gegnerische Tor ab, von denen gingen aber sieben auf Lloris. In der 54. Minute übernahm Ibrahimovic eine Flanke von der rechten Seite kunstvoll und brachte den Ball im Netz unter. Durch das 1:0 von Wayne Rooney im Parallelspiel änderte sich für die Grande Nation aber wenig. Kurz darauf musste Lloris bei einer Direktabnahme von Wilhelmsson eingreifen. Blanc entschied sich daraufhin dafür, Ben Afra vom Feld zu nehmen und mit dem routinierten Florent Malouda Ruhe ins Spiel zu bringen.
Letzte Konsequenz fehlte, Schweden traf wieder
Der Chelsea-Routinier half mit, das Spiel zu ordnen und brachte Ruhe hinein. Das Tempo blieb aber dennoch hoch und beide Teams kamen zu abgeschlossenen Torraumszenen. Der eingewechselte Olivier Giroud kam nach einer Malouda-Flanke einem Tor am nächsten, setzte den Kopfball an die Latte (83.). Vor allem der zur zweiten Halbzeit gekommene Wilhelmsson lieferte eine tolle Partie ab. In der 90. Minute erzielte Larsson dann das 2:0 nach einer Flanke, die Holmen volley an die Latte gesetzt hatte. Damit riss eine Serie von 23 Spielen, in denen die Franzosen ungeschlagen geblieben waren.
Liebe Schweden: Warum nicht gleich so?
Engagement, Laufbereitschaft, sehenswerte Aktionen – warum die Schweden vor allem gegen die Ukraine diese Attribute vermissen ließen, weiß wohl niemand so genau. Gerade das Spiel gegen die Gastgeber, die auf Augenhöhe standen, und jenes gegen die müden Franzosen zeigten eines ganz deutlich: Wenn nicht alle elf Spieler füreinander da sind, dann kann ein Team der Preisklasse Schwedens, welches über durchaus herausragende Spieler verfügt, aber gegenüber Topnation doch einigen Rückstand hat, nicht gewinnen. Ein offensiver Superstar macht noch lange keinen Viertelfinalisten aus.
Frankreich müde, aber weiter
Die Grande Nation ließ offensive Kreativität vor allem im ersten Durchgang vermissen. Es wirkte, als ob man sich ohnehin auf England verließ, im Kopf schon bei Italien bzw. Spanien war. Das zeitweise schleppende, nicht ganz zielgerichtete Offensivspiel ließ sich nicht nur einfach durch die defensive Qualität der Schweden erklären, dafür waren mit Ribery, Nasri oder Benzema zu viele Kicker mit außergewöhnlichem Talent auf dem Rasen. Vor allem im Kopf muss im Viertelfinale eine deutliche Steigerung her.
Die Franzosen können Dankesbriefe an die ukrainische Offensivabteilung schicken, dass diese den Ball nicht im Tor untergebracht hat. Mit so einer Leistung, deren Wiederholung allerdings eher unwahrscheinlich ist, wird das nichts im Viertelfinale.
Georg Sander, abseits.at
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