abseits.at scoutet Sturm Graz (2): Defensive und offensive Standardsituationen
Fußball in Österreich 23.September.2014 Rene Maric 0
In dieser Serie soll es um eine beispielhafte Gegneranalyse gehen. Wie sehen Vorbereitungen im professionellen Bereich aus? Welche Aspekte werden geschildert? Diese Fragen sollen beantwortet werden. Neben den vielen statistischen- und Videoanalysen gibt es nämlich auch zuhauf reine Textanalysen im Profibereich, mit denen dem Trainer der gegnerischen Mannschaft durch einen Überblick über die grundsätzliche Struktur des Gegners in den vier Spielphasen und bei Standards ein präziser Überblick gegeben werden soll. Meistens wird dies mit einzelnen Erklärungen, gelegentlichen Bewertungen und Ratschlägen garniert, welche das Trainerteam vom Scout erhält und dann bespricht, sowie ins Training implementiert.
Diese Textanalyse nimmt als Beispiel den SK Sturm Graz. Im zweiten Teil geht es um die ruhenden Bälle. Die Standardsituationen werden in Offensive und Defensive geteilt, zudem werden Ratschläge für Gegenmaßnahmen gegeben.
Standardsituationen offensiv
Standards sind insbesondere für spielerisch schwächere oder in der Offensive inkonstante Mannschaften häufig eine der größten Waffen. Standards sind oft ineffizient – benötigen viele Versuche und einstudierte Abläufe, um zum Erfolg zu führen –, aber können trotzdem sehr effektiv sein – sie können also trotzdem einen großen Anteil an der Gesamtzahl der Tore einer Mannschaft ausmachen und einen wichtigen Output bedeuten. Sturm ist hierbei eine mittelmäßige Mannschaft. Bei Offensivstandards spielen die Grazer bei Ecken meistens wie folgt:
Ein Spieler geht vom zweiten Pfosten horizontal auf den ersten. Mit dieser Bewegung bietet er sich einerseits dynamisch am ersten Pfosten ab, kann eventuell Gegenspieler wegziehen, den ballfernen Raum öffnen und auch noch den Torwart bedrängen und ihn verwirren. Die anderen Spieler sollen diese Effekte ausnutzen und bespielen. Drei andere Akteure ziehen dann von kurz vor der Strafraumkante nach vorne; sie sind also nahe am Tor, kommen mit Dynamik in Richtung Ball und in Richtung der strategisch gefährlichsten Zonen bei Ecken. Sie sind meist die kopfballstärksten Spieler ihrer Mannschaft und der Raum vor dem Torwart wird mit der Flanke anvisiert.
Ein weiterer Akteur verbleibt im Rückraum, wo er einerseits absichert, andererseits fehlerhafte Flanken oder schwache Befreiungsschläge sowie Kopfbälle des Gegners erhalten kann. Situativ gibt es auch Ablagen nach hinten der drei in die Spitze gelaufenen Spieler. Ein weiterer Spieler kann noch am zweiten Pfosten stehen. Drei Spieler sichern hinten ab, einer bleibt oft noch im Mittelfeld übrig.
Die Bewegung ist nicht allzu intensiv und verwirrend, dennoch wäre das Verteidigen mit einer Raumdeckung im 4-3-2-1 wohl sehr interessant und würde die wichtigsten Zonen versperren. Die Viererkette würde sich dann entlang der Fünfmeterreihe positionieren, drei Spieler in einer Reihe am Elfmeterpunkt davor und zwei weitere an der Strafraumlinie. Mit einem 4-2-2-2 oder auch einem 3-3-2-2 könnte man eventuell besser kontern.
Die Hereingaben kommen meistens vom Tor weg. Bei Freistößen dreht sich der Ball häufiger zum Tor hin. Bei Freistößen ziehen mehrere Spieler vom zweiten Pfosten in die Mitte oder an den ersten Pfosten, abhängig von der Mauerpositionierung. Teilweise kommen sie also scharf auf den ersten Pfosten und es werden direkte Weiterleitungen und Abschlüsse aufs Tor probiert. Ebenso in der Mitte. Allerdings warten ein bis zwei Spieler am zweiten Pfosten; die Hereingabe variiert nämlich. Meistens führt Stankovic den Freistoß aus, die Flanken kommen möglichst scharf auf den Mann oder werden über ballferne Spieler zurückgelegt. Häufig kommen von den Seiten die Bälle direkt in die Mitte.
Bei Einwürfen agieren sie nicht mit besonderen Schemen und wollen einfach je nach Situation und Spielerzahl schnell ausführen und Räume öffnen, weisen aber nur wenig und kaum systematische Bewegungen auf, dazu aber viel Absicherung nach Ballverlusten.
Standardsituationen defensiv
Bei gegnerischen Ecken besetzt meistens ein Spieler vor dem kurzen Pfosten den Fünfmeterraum. Er soll sich um kurze Hereingaben auf den ersten Pfosten kümmern, diese klären und gegebenenfalls scharfe flache Hereingaben abfangen. Darum steht bei ihnen häufig auch der Torwart quasi am zweiten Pfosten und auf der Torlinie, was einer unorthodoxen Positionierung entspricht, aber in ihrem Schema durchaus Sinn ergibt.
Vier Raumdecker stehen am Fünfmeterraum, sie positionieren sich in einer Linie und versuchen somit die tornächste Zone zu besetzen. Ein weiterer Akteur besetzt den zentralen Raum am Strafraumeck vorne, einer steht auf Höhe des Pfostens in der gleichen vertikalen Linie und einer oft noch vor dem Elfmeterpunkt. Dazu kommen noch drei Manndecker. Einer der Spieler wartet vorne auf mögliche Konter und zur Entlastung.
Bei Freistößen positionieren sie sich relativ klassisch in einer Linie und versuchen zentral kompakt zu stehen. Sobald der Gegner den Freistoß ausführt, laufen sie in Richtung Ball und versuchen ihn sofort zu klären. Spieler, die partout keinen Zugriff auf den Ball erhalten dürfen, laufen einfach ebenfalls nach hinten und versuchen hinter den Spielern, die den Ball erreichen können, abzusichern. Das ist eine sehr klassische und einer der am häufigsten genutzte Spielweise bei gegnerischen Freistößen.
Um das zu bespielen, kann man von der ballfernen Seite mit mehreren Spielern horizontal nach vorne laufen und dann nach einem Abspiel auf den kurzen Pfosten in die Tiefe starten und abschließen. Dies ist kombinierbar mit Ablagen auf Spieler, die breit am zweiten Pfosten bleiben, von einer extrem breiten Position am Strafraumeck auf den zweiten Pfosten ziehen oder vom ersten Pfosten auf den zweiten Pfosten kreuzen. Interessant ist auch eine Spielweise mit 1-2 Spielern im passiven Abseits und mehreren Spielern, die mit mehreren Metern Abstand zu der gegnerischen Linie in die Tiefe starten. Sie ziehen dann zusammen mit einem Sprint und dadurch einem Geschwindigkeitsvorsprung nach vorne, die Flanke kommt in eine lokalkompakte Zone und aus dieser kann dann abgeschlossen oder auf die durch die Positionierung im passiven Abseits mit einem Raumvorteil agierenden Akteure in der Mitte abgelegt werden.
Einwürfe werden relativ mittelmäßig verteidigt; sie wirken nicht insgesamt in der Horizontale kompakt und sind nicht allzu aggressiv gegen Einwürfen. Sie verschieben mannorientiert auf die sich anbietenden Spieler, stellen mit einzelnen Akteuren eine geringe Kompaktheit her und die restlichen Spieler agieren relativ mittig. Mit guten Diagonalbewegungen aus der Mitte in die Halbräume sollte man hier in höheren Zonen unter Umständen gute Positionen zum Empfangen von Einwürfen und direkten Hereingaben finden.
Im morgigen, dritten Teil unseres Scoutings geht es um das Spiel in Ballbesitz.
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Rene Maric
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