Wer A sagt, muss auch B sagen. Dietrich Mateschitz griff wieder einmal ordentlich ins Geldtascherl und engagierte mit Roger Schmidt, Ralf Rangnick und Gerard... Alles neu macht der Juni – Niederlande raus, Deutschland rein bei Red Bull Salzburg

Wer A sagt, muss auch B sagen. Dietrich Mateschitz griff wieder einmal ordentlich ins Geldtascherl und engagierte mit Roger Schmidt, Ralf Rangnick und Gerard Houllier ein Talent und zwei Topleute. Nach der schwierigen Zeit mit Ricardo Moniz setzt man in Fuschl auf Schwarz-Rot-Gold-Blau-Weiß statt auf Oranje. Eine Analyse der Leistungen und möglicher Problemfelder.

Gerald Houllier als Head of Global Soccer

Am vergangenen Donnerstag gab es für den ehemaligen Paderborn-Coach Roger Schmidt den ersten Kontakt mit Red Bull, am Sonntag wurde seine Anstellung per Presseaussendung verkündet, ebenso die Verpflichtung von Ralf Rangnick und Gérard Houllier. Red Bull richtet damit die globale Strategie des Fußballs mit Mannschaften in Brasilien, den USA, Deutschland und Österreich sowie den Akademien, von denen auch eine in Ghana steht, neu aus. Die Koordination soll dabei der 64-jährige Franzose Gérard Houllier übernehmen, der als Trainer Frankreich und Nachwuchsauswahlen der Grande Nation trainiert hatte, mit dem FC Liverpool den UEFA-Cup gewann und drei Jahre lang technischer Direktor des französischen Fußballverbandes war. Sein Know-How soll die Akademien und Kampfmannschaften, die auf drei Kontinente verstreut sind, auf eine Linie bringen. Ein Makel im Lebenslauf Houlliers ist seine Mitbeteiligung am Debakel der französischen Nationalmannschaft bei der WM 2010 in Südafrika. Das Fiasko von Knysna hatte seine Ursachen auch in der zu dem Zeitpunkt schlechten Ausbildung des französischen Nachwuchses, die der Institution Direction Technique Nationale oblag – Eine Verbandseinrichtung, welcher Houllier vorstand. Er flüchtete daraufhin nach Birmingham zu Aston Villa. Dort fungierte er als sportlicher Leiter, in seine Amtszeit fällt auch das Ausscheiden gegen Rapid Wien im Sommer 2010.

Ralf Rangnick als Sportdirektor

Am 22. September trat der Deutsche als Trainer des FC Schalke 04 zurück, Grund war ein Burn-Out-Syndrom. Nun kehrt er auf die österreichische, nicht ganz so große Fußballbühne zurück. Rangnick wird sich als Sportdirektor sowohl in Leipzig, als auch in Salzburg betätigen. Dies ist eine einmalige Rolle im Fußball und es wird sich weisen, ob die erzeugten Synergien positive Auswirkungen haben werden. Der Kader soll natürlich wieder einmal verjüngt werden und gemeinsam mit Houllier, der die Tür zum französischen Nachwuchsmarkt aufstößt, sollen Toptalente an Land gezogen werden. Wie allerdings so eine Doppelrolle bei zwei verschiedenen Vereinen in der Praxis aussehen soll, ist durch mangelnde Beispiele mehr als unklar. Noch dazu vereinfacht die Anwesenheit des angesehenen Trainers Ralf Rangnick die Arbeit von Schmidt und Pacult keineswegs. Dieser Umstand ist eher Makel, denn Katalysator. Die beiden Coaches in den Dependancen haben nun eben einen Fußballlehrer als sportlichen Leiter. Dieser kann gegebenenfalls sofort wieder am Platz stehen. Das vereinfacht die Arbeit sicherlich nicht.

Roger Schmidt als Trainer

Der Westfale hat seine Qualität bei Paderborn unter Beweis gestellt, bei Preußen Münster klappte es nach eineinhalb Jahren zwischen ihm und der Mannschaft nicht mehr. Er gehört der neuen Schule an, diese Trainer verfügen, wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel, nicht über eine allzu erfolgreiche Vita als Spieler. Vielmehr zeichnet sie ein hohes Fachwissen und akribische Arbeit an der Mannschaft aus, unter starker Einbeziehung sportwissenschaftlicher und –psychologischer Aspekte. Ein Weg, den Sturm Graz mit Peter Hyballa geht, den Altach mit Rainer Scharinger einschlägt, den St. Pölten vor Jahren mit Martin Scherb begann und den Hartberg mit Andreas Morrigl einschlug. Männer, die „von außen“ in eine Fußballwelt eindringen, die in Deutschland von den Showtrainern der WM-1990-Generation und in Österreich von den 78ern und den 98 negativ repräsentiert wurde und wird. Ob allerdings Schmidt der Richtige für einen Weltkonzern ist, der nach dem try-and-error-Prinzip einfach nach der bestmöglichen Variante sucht, ist die Frage.

Deutschland über alles?

Die Nachwuchsschule Coerver, die sich auf die technischen Fähigkeiten der Spieler konzentriert, kennt Schmidt nicht einmal, Rangnick wischt sie mit dem Hinweis der Evolution des Fußballs als altmodisch weg. Schwarz-Rot-Gold ist die neue Modefarbe im Fußball und so wie sich in Deutschland derzeit fast jeder Verein einen Kagawa zulegen möchte, werden in Österreich die Coaches aus dem Nachbarland oder zumindest deren Pendants verpflichtet. Ein Schmalspur-Jogi ist „in“, markige Sprüche und diese Wörter wie „Matchplan“, mit denen die Alteingesessenen nicht viel anfangen können, kennzeichnen diese neue Generation von Trainern. Per se reicht das nicht. Ein Trainer braucht Zeit, um eine Mannschaft zu entwickeln, um eine Einheit zu bilden, gerade mit den gestiegenen Ansprüchen des modernen Profigeschäfts. Dieses macht eine gewisse Profilierung und eine tiefe Fachkenntnis, die die angesprochenen Wörter nicht zu Hülsen verkommen lässt, notwendig. Je „kleiner“ der Name ist, desto geringer ist die Zeit, die gegeben wird. Drei Wochen vor Saisonstart und dem x-ten Anlauf, mit dem Energydrink-Geld in die Champions League zu kommen, eine neue Leitung zu präsentieren, ist gewagt.

Derzeit Konzentration auf Salzburg

Dem ehemaligen Ingenieur Schmidt, der bis 2008 noch bei einer Paderborner-Firma sein Studium des Maschinenbaus zu Geld machte, bleibt wenig Zeit. Er muss aus einem Haufen junger und alter Spieler ein Team konstruieren, das am Ende des Sommers mit schönem Fußball endlich die Qualifikation zur Gruppenphase der Champions League schafft und nebenbei noch Meister sowie Cupsieger werden soll. Gewünscht ist auch ein Verbleib im Europacup über den Winter hinaus. Selbst wenn diese Ziele nicht so klar ausformuliert wurden, ist das der Anspruch von Red Bull Salzburg. Aber bei Paderborn, das mit einem Jahresetat von 4,7 Millionen Euro fast in die Bundesliga aufgestiegen wäre, zeigte er, was mit gutem Training und Teamgeist auch kurzfristig möglich sein kann. Nach einem holprigen Start mit Sieg, Unentschieden und zwei Niederlagen blieb der SC Paderborn 2011/12 unter Schmidt 16 Spiele ungeschlagen. Die Niederlagen vor und nach dieser Serie fügte dem SCP übrigens Greuther Fürth zu, der spätere Meister.

Der Zeitfaktor

Das wird, wie immer bei Red Bull, die entscheidende Frage sein. Nach mehreren Hau-ruck-Anläufen, die nicht den gewünschten Erfolg brachten, benötigt das neue Team schlichtweg Zeit, um sich zu finden, zu koordinieren und etwas aufzubauen. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, als bei den bisherigen Trainern. Aber kann sich Schmidt es leisten, auch eine Übergangssaison zu spielen, in der die Ergebnisse nicht passen? Überlebt Rangnick eine Saison, in der Leipzig wieder nicht aufsteigt? Wie viele Afrikaner und Südamerikaner sollen in Salzburg, Leipzig und New York landen, damit Houlliers Arbeit positiv bewertet wird?

Der Juni macht anstatt des Wonnemonats Mai bei Red Bull gezwungenermaßen alles neu. Mehr als sonst wirken die Voraussetzungen, endlich eine relevante Größe im Fußball zu werden, gut. Dennoch gibt es auch bei Schmidt, Rangnick und Houllier das berühmte Haar in der Suppe. Die Frage bleibt, ob diese Problemfelder zum Tragen kommen und auch, ob es für das neue Team genug Zeit gibt, um in Ruhe zu arbeiten.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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