Darüber, dass die Vienna einst den Kampf um das „First“ in ihrem Namen gegen die Cricketer gewonnen hat, wurde in dieser Serie schon berichtet. Wer genau der Erste war, der das Kicken in Österreich einführte, ist bei einer solchen „Volkskrankheit“ selbstverständlich nicht mehr eruierbar. In Wien, Baden bei Wien und Graz began man ungefähr zur selben Zeit in größeren Gruppen zu kicken.
Angeblich sollen es die englischen Gärtner des Baron Rothschild gewesen sein, die den Kontinentaleuropäern die rudimentären Grundregeln des Spiels beibrachten. Fußball auf der Insel war damals schon hart. Bei den Cricketern spielten anfangs nur Exil-Briten, so auch der Ire William Flavin. „Flavin fiel bereits damals durch sein Gewicht auf, welches er an den Mann brachte.“, heißt es in einer Zeitungskritik. Tatsächlich machte sich Flavin in den ersten Matchnachbesprechungen einen Namen als „Remplerkönig.“ Einmal musste er sich sogar wegen der Verletzung eines Gegenspielers vor einem ordentlichen Gericht verantworten.
Zurück zum Match: Die ersten „professionellen“ Spiele verliefen katastrophal. Das Publikum hatte keine Ahnung, worauf es ankam: So dachten viele, dass die Punkte durch den Linienrichter angezeigt würden, und freuten sich, wenn der „Outwachler“ auf ihrer Seite häufig sein Fähnchen hob. Im März 1928 rekapitulierten Mittelschüler im Sporttagblatt, wie sie eine der ersten Begegnungen Cricketer vs. Vienna erlebt hatten: Als den selbsternannten Rotzbuben das Cowboy-Indianer-Spiel zu langweilig geworden war, kamen sie zum Fußball. Die Regeln waren schnell kapiert, und die „Seuche“ hatte – stellvertretend für ganz Österreich – von den Teenagern Besitz ergriffen. Damals – 1928 – erinnerten sie sich an die Anfänge des Kicksports und stellten bedauernswert fest, dass nicht mehr so wie vor einigen Jahren noch trainiert würde. Max Johann Leuthe – alias Mac John Leuthe – war 1896 erstes österreichisches Mitglied des „Exilteams“ der Cricketer gewesen. Leuthe war auch als satirischer Zeichner, Journalist und Chronist des Wiener Fußballs aktiv. Als Trainer entwickelte er eine „geistreich wie wirksame“ Methode, die die Kicker von Fehlern abhalten sollte: Er nahm sich eine Handvoll Steine und stellte sich in die Mitte des Platzes. Mit gezielten Würfen bestrafte er jeden Spieler, der sich einen Patzer geleistet hatte. Schmerzhaft! Die Burschen wussten: „Daher der Name Steinzeit des Fußballs.“ Leuthe starb 1945 in Wien. Zuvor hatte er sich in der NS-Zeit antisemitisch geäußert.
Die „Steinzeit“ des Wiener Fußballs beendete mit M.D. Nicholson wieder ein Engländer. Nicholson kam 1895 nach Wien und arbeitete als Direktor des Reisebüros Thomas Cook. Seine Leidenschaft gehörte jedoch dem Ballsport, in seiner Heimat hatte er einst für Westbromwich gekickt. Nicholson professionalisierte das wilde Fußlümmeln und machte als Spieler und Trainer der Vienna den Sport in Österreich gesellschaftsfähig. Als er in seine Heimat zurückkehrte, ehrte man ihn durch die Gründung eines Fußballklubs, der seinen Namen trug. 1933 wurde aus diesem der FC Wien, der heute bereits mehrmals fusioniert, aufgelöst und neugegründet wurde. Der Klub beruft sich allerdings immer noch auf Magnus Douglas Nicholson – den Befreier aus der Fußball-Steinzeit.
Marie Samstag, abseits.at
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