0:0 im 306. Wiener Derby: Austria nützt einstündige Überzahl nicht aus
Bundesliga 12.August.2013 Daniel Mandl 1
Ein verhältnismäßig schwaches Wiener Derby endet torlos. Sowohl Rapid als auch die Austria müssen mit dem Remis zufrieden sein, zumal Rapid sich über eine Stunde in Unterzahl gegen die Veilchen stemmte und die Austria dennoch die größte Chance durch Christopher Trimmel zuließ. abseits.at analysiert ein zähes Derby in Wien-Hütteldorf.
Rapid-Trainer Barisic brachte erwartungsgemäß Louis Schaub für Marcel Sabitzer, der allerdings schließlich doch begann, weil Steffen Hofmann spontan ausfiel. Auf der linken Abwehrseite begann Stephan Palla statt Thomas Schrammel. Austria-Trainer Nenad Bjelica entschied sich auf der rechten Abwehrseite für Emir Dilaver statt Fabian Koch und brachte im Angriff Rubin Okotie statt Torschützenkönig Philipp Hosiner. Alexander Gorgon kam ebenfalls zurück in die Mannschaft, nachdem er beim 3:3 gegen Ried und im Europacup gegen Hafnarfjördur nicht spielte.
Nervöser Beginn
Beide Mannschaften starteten nervös in die Partie, die Austria hatte zunächst kleine Vorteile, weil sich das Dreiermittelfeld mit Holland, Stankovic und Grünwald vorerst als kompakt erwies. Rapid präsentierte sich technisch stärker, hatte aber immer wieder Probleme durch die Mitte zu kommen, weil die Austria einerseits schwierige Ausgangssituationen für Rapid generierte, andererseits das Passspiel der Hütteldorfer in letzter Instanz zu ungenau war. Beide Teams machten das Spiel eng, kämpften um jeden Meter und kamen in der ersten halben Stunde eher zufällig zu Torchancen.
Wieder Unterzahl, aber andere Ausgangslage als beim 4:2 gegen Sturm
In der 27.Minute erlebte die Partie die erste Wende. Nach einem Foul von Stephan Palla an Alexander Gorgon wurde der Rapidler mit Gelb-Rot vom Platz geschickt. Damit fehlt Palla „nur“ am kommenden Wochenende gegen die Admira. Der 24-jährige Linksverteidiger hätte für die Härte der Attacke auch glatt Rot sehen können. Damit war der Matchplan Zoran Barisics über den Haufen geworfen. Der Rapid-Trainer musste Terrence Boyd opfern, um einen neuen Linksverteidiger in personam Thomas Schrammel zu bringen. Eine Wiederholung des Unterzahl-4:2 bei Sturm Graz war undenkbar – dafür war der Meister aus Wien-Favoriten zu kompakt.
Rapid fehlte Entlastung, Austria in Überzahl defensiv massiv
Die restliche erste Halbzeit hatte Rapid Mühe, die neuerliche personelle Unterzahl zu verdauen. Die Grün-Weißen waren nun in fast jedem Zweikampf, der Konter ermöglicht hätte, zweiter Sieger. Es fehlte die Entlastung, die zuvor Prellbock Boyd brachte. Wenn Rapid Bälle gewann, lief man sich relativ schnell in der dichten Austria-Defensive fest. Angegriffen wurde zumeist zu dritt: Schaub, Sabitzer und Burgstaller hofften auf einen schnellen Lucky Punch nach dem Ausschluss – doch die Austria verteidigte mit fünf bis sechs Leuten und konnte nach erfolgreichem Gegenpressing den Ball problemlos zirkulieren lassen.
Ideale 18 Minuten für violettes Risiko – Chance vertan…
In den 18 Minuten zwischen Ausschluss und Halbzeitpfiff holte sich die Austria die Kontrolle über das Spiel. Aber mehr auch schon nicht. Es war völlig unverständlich, wieso die Bjelica-Elf in dieser Phase nicht risikofreudiger agierte. Selbst wenn etwas schief gegangen wäre, hätten die Veilchen eine Halbzeit Zeit gehabt, um dies wieder auszubaden. Diese 18 Minuten waren die wahrscheinlichste Phase für ein Austria-Tor. Doch die Ballsicherheit, die der Meister im zweiten Spielfelddrittel und dahinter ausstrahlte, konnte man nie in die Offensive übertragen – was wiederum ganz einfache Gründe hatte.
Außenverteidiger viel zu tief, Mittelfeld zu abwartend
Die Austria schaffte rund um die Mittellinie ein Übergewicht – aber trotz numerischer Überlegenheit schob sie sich als Block nie weiter nach vorne. Das beste Beispiel stellten hierbei die Außenverteidiger Markus Suttner und Emir Dilaver da, die viel zu defensiv blieben und nur sporadische Bindung zu ihren vorgelagerten Flügelspielern Jun und Gorgon hatten. Offenbar aus Angst vor Kontern, traute sich auch im zentralen Mittelfeld nie jemand den Versuch eines tödlichen Passes zu. Die Austria riskierte nichts, wartete lediglich (zu) geduldig auf Fehler oder Geschenke Rapids. Doch die blieben aus.
Zweite Halbzeit noch etwas intensiver
In der zweiten Halbzeit veränderte sich der Charakter des Spiels ein wenig. Die Partie wurde hitziger, die Kämpfe um den Ball noch intensiver. Endlich schoben die violetten Außenverteidiger etwas besser heraus, was vor allem auf der linken Angriffsseite immer wieder für Gefahr in Ansätzen sorgte. Wenn auch Tomás Jun der Spieler war, der am meisten grundsätzliche Torgefahr ausstrahlte, blieb er insgesamt eher blass. Nicht nur, weil seine offensiven Mitspieler ihn oft im Stich ließen, sondern auch weil er mit Christopher Trimmel den besten Mann am Platz als Gegenspieler hatte.
Trimmel bester Mann am Platz
Stichwort Trimmel: Der 26-jährige Ersatz-Kapitän galt als Rechtsverteidiger lange Zeit als Notlösung. Eigentlich ist Trimmel gelernter Angreifer, spielte danach als Rechtsaußen, rutschte aufgrund zahlreicher Verletzungen von Mitspielern in die Viererabwehrkette. Im Derby zeigte er einmal mehr, wieso er derzeit sehr wichtig für Rapid ist. Defensiv spielt er selbst gegen schwer zu spielende Gegner wie Tomás Jun stabil. Gegen körperlich unterlegene Gegenspieler erobert er Bälle mit Leichtigkeit. Zudem ist er in der Weiterverarbeitung immer sicherer, offensiv engagiert und auch bei Standards eine gefährliche Waffe: Trimmel vergab in der 59.Minute per Kopf die größte Chance Rapids. Sein Kopfball traf nur die Stange, nachdem er noch von Manuel Ortlechner verlängert wurde. Am Ende war Trimmel der Spieler, der die meisten Zweikämpfe auf dem Platz gewann (81,8%). Vor dem Gegentreffer gegen Asteras Tripolis servierte Trimmel dem Torschützen Sebastián Grazzini den Ball – es war sein einziger Fehler in der vergangenen Woche.
Sonnleitner entschärfte Okotie 65 Minuten lang
Der zweite Grund in Rapids Viererkette, wieso die Austria nicht zwingender wurde, war Mario Sonnleitner, mit 26 Jahren ein weiterer „Quasi-Routinier“ in Rapids Elf. Der Innenverteidiger überzeugte mit gutem Timing und rückte gut aus der Kette heraus, wenn es notwendig war. Anders als der etwas hölzerne Brian Behrendt entschied er auch jedes Laufduell für sich. So etwa in der ersten Halbzeit gegen Rubin Okotie. Erst als in der 65.Minute Hosiner für Okotie kam, wurde die Suche nach dem violetten Überraschungsmoment konkreter, weil sich Hosiner viel besser zurückfallen ließ. Okotie antizipierte praktisch gar nicht. Hosiner erschwerte Rapid die Beibehaltung der Ordnung, indem er viel in der Etappe arbeitete – auf einer Position, auf die der verteidigende Sonnleitner nicht schieben konnte.
Zwei zentrumlastige Rapid-Viererketten
Die Gegenspieler in dieser entscheidenden Zone waren für Hosiner andere: Thanos Petsos und Branko Boskovic waren ohnehin etatmäßig für die Sechser- und Achterposition gedacht. Auch Louis Schaub und Marcel Sabitzer arbeiteten in Unterzahl in besagter Zone defensiv. Rapid baute zwei zentrumlastige Viererketten auf und ließ Guido Burgstaller an vorderster Front Meter machen. Zentrumlastig, weil auch die Außenverteidiger weit einrückten und erst bei entsprechenden Austria-Spielverlagerungen nach außen schoben. Boskovic hatte erneut mit schwierigen Situationen zu kämpfen, löste nicht alle ideal. Gelegentlich hatte der Montenegriner gute Möglichkeiten zur Spielverlagerung, machte sich das Spiel jedoch selbst schwer und vor allem eng.
Austria lässt Aggressivität gegenüber Rapids Aufbauspielern vermissen
Anders verhielt sich dies bei Thanos Petsos. Der Grieche war zwar am gestrigen Nachmittag nicht so dominant wie beim 3:1 über Asteras Tripolis, allerdings wies auch er beste Statistiken und gute Werte auf. Mit 93% war Petsos der Rapid-Spieler mit der höchsten Passgenauigkeit. Der beste Austria-Passspieler war Manuel Ortlechner mit 94,4%. Obwohl Rapid in Unterzahl spielte, spielte Petsos bei 76 Ballkontakten 43 Pässe, von denen 40 an den Mann kamen. Das zeigt einerseits, dass die Austria im Mittelfeld nicht aggressiv genug war und andererseits zu viel in Rapids Laufspiel mit Ball zuließ. Zwar machte Petsos oftmals einen Haken zu viel und scheiterte kurz vor der Chance auf einen tödlichen Pass an einem Gegenspieler, allerdings ist die Ratio 76 Ballkontakte zu 43 Pässe außergewöhnlich hoch. Gerade ein aufbauender Spieler wie Petsos hätte von der Austria wesentlich früher gestört werden müssen. Selbiges gilt mit Abstrichen für Branko Boskovic, der immerhin vier Vorlagen zu Torschüssen verbuchen konnte.
„Duell der Vereinstugenden“ geht an Rapid
Die Austria besann sich anders als Rapid nicht auf ihre traditionellen Tugenden, spielte Rapid in Überzahl nicht aus, sondern versuchten es mit Hauruck-Fußball und am Ende mit immer mehr hohen Bällen. Im Mittelfeld wurde unzulänglich attackiert, wodurch man sich praktisch nie Kontersituationen erarbeitete. Also blieben nur Standards übrig, um gefährlich zu werden. Nach einer Freistoßflanke von Alexander Grünwald verfehlte James Holland den Ball um Zentimeter, nach einem Jun-Eckball kam Marko Stankovic mit dem „zweiten Ball“ zu einer gefährlichen Schusschance. Ein Schussversuch von Daniel Royer in der 88.Minute war schließlich die letzte gefährliche Aktion einer verunsicherten, technisch zumindest offensiv sehr schwachen Austria-Elf.
Rapid seit zehn Derbies sieglos
Rapid erkämpfte sich ein 0:0, hätte durch Trimmels Kopfball bzw. Schaubs vergebenen Nachschuss sogar in Führung gehen können. Für die Austria gibt es nach diesem Derby auf jeder Position Analysebedarf. Auch wenn das 306. Wiener Derby kein Fußballleckerbissen war, können beide Teams mit diesem gerechten Unentschieden leben. Die Austria setzt ihre Derbyserie fort und ist nun bereits seit zehn Derbies unbesiegt. Als moralischer Sieger geht aber Rapid in die nächsten Aufgaben. Die Hütteldorfer müssen zunächst gegen die Admira (a), Dila Gori (h), Grödig (h), Dila Gori (a) und Red Bull Salzburg (a) ran – die Austria trifft auf Wiener Neustadt (h), Dinamo Zagreb (a), den WAC (h), Dinamo Zagreb (h) und Wacker Innsbruck (h).
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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