Attraktive Rapid-Spiele in Wiener Neustadt haben allgemein Seltenheitswert – und so war auch das Zweitrundenspiel der Saison 2012/13 nicht unbedingt ein Leckerbissen. Rapid erkämpfte... 1:0-Sieg in Wiener Neustadt oder warum sich Rapid selbst das Leben schwer machte

Attraktive Rapid-Spiele in Wiener Neustadt haben allgemein Seltenheitswert – und so war auch das Zweitrundenspiel der Saison 2012/13 nicht unbedingt ein Leckerbissen. Rapid erkämpfte sich einen 1:0-Sieg, machte sich dabei aber selbst das Leben schwer und präsentierte sich phasenweise zu verspielt und zu wenig zielgerichtet.

Bereits nach wenigen Minuten hätte Rapid in Führung gehen können, aber Deni Alar traf nach einer Katzer-Flanke das leere Tor nicht. Eine weitere Alar-Chance und zwei Kopfbälle von Terrence Boyd gingen ebenfalls nicht rein – zu diesem Zeitpunkt schoss Wiener Neustadt noch kein einziges Mal in Richtung Rapid-Tor und die Partie schien das Prädikat „schiefe Ebene“ zu bekommen. Als Rapid-Fan konnte man dennoch beruhigt auf den weiteren Spielverlauf blicken, weil das taktische Konzept vom Heimspiel gegen Wacker Innsbruck fortgeführt wurde: Doppelte Flügel, ein tiefer Spielmacher, Freiheiten für die Offensivspieler. Nur setzte Rapid das Konzept, auch aufgrund des holprigen Spielverlaufs und dem Versäumnis ein frühes Tor zu erzielen, nicht immer gut um.

Boyd und Alar im Aufbauspiel zu inaktiv

Das Hauptproblem war die mangelnde Antizipation der offensivsten Spieler. Die Flügel zeigten sich ballsicher und zeitweise gefährlich und zentral lief bis zur „Hofmann-Kulovits-Höhe“ alles recht gut – doch davor klaffte ein Loch, weil Alar und Boyd nicht intensiv genug mitarbeiteten. Boyd stand die gesamte Partie über zu offensiv und auch Alar zog es zu weit nach vorne. Somit fehlte in einer entscheidenden Zone des Kreativspiels immer eine Anspielstation. Daher konnte der SC Wiener Neustadt die Zentralachse 25 – 35 Meter vor dem eigenen Tor besser verschließen und Rapid tat sich schwer Torchancen zu kreieren.

Rapid kontert nicht konsequent genug

Nach einer gut durchgeführten Standardsituation kam Rapid dennoch zum verdienten 1:0 durch Mario Sonnleitner. Sieben Minuten später musste auch noch Neustadt-Außenverteidiger und Ex-Rapidler Jiri Lenko mit Gelb-Rot vom Platz und alles lief auf einen ungefährdeten Erfolg der Grün-Weißen hinaus. Doch Rapid spielte die zahlreichen Konterchancen nicht konsequent genug zu Ende und machte sich das Leben damit noch schwerer. Die besten Konterchancen vergaben Hofmann und der körperlos agierende Grozurek.

Kreative Ansätze im Aufbauspiel durch Gerson und Ildiz

Ansonsten sah man allerdings eine durchaus sichere Rapid-Elf, die praktisch über die gesamte Spieldauer ein recht entspanntes Kurzpass- und Ballbesitzspiel aufzog, das nie für grün-weiße Hektik sorgte. Die Ballkontakt- und Passstatistiken der Rapid-Spieler sprechen Bände: So weisen etwa der bombensichere Innenverteidiger Gerson, sowie der „tiefe Spielmacher“ Muhammed Ildiz Passwerte auf, wie man sie sonst eher bei Xavi vom FC Barcelona vermuten würde. Der große Unterschied zur letzten Saison: Die Pässe, die diese Spieler machten, gingen nicht nur in die Breite, sondern beinhalteten kreative Ansätze. Diese Verbesserung im Aufbauspiel macht Rapid stärker als in der Vorsaison.

Im Fußball geht nichts von alleine

Die Haupterkenntnis des Spiels ist, dass Rapid seine systemtechnische Spielphilosophie auch auswärts fortführt. Allerdings war auch offensichtlich, dass diese Art zu spielen nicht automatisierbar ist. Die Spielidee ist gut, aber es müssen alle Zahnräder ineinandergreifen, sodass sie auch funktioniert. Taktische Aussetzer von Boyd, Alar und phasenweise Hofmann erschwerten Rapid die Umsetzung der Spielidee. Man darf natürlich nicht vergessen, dass es auch einen Gegner gibt, der mit der erfolgreichen grün-weißen Umsetzung eines taktischen Konzepts nicht einverstanden wäre…

Neustadt kompakt, aber fußballerisch zu schwach

Dieser Gegner hieß am gestrigen Tag Wiener Neustadt und machte das, was man von ihnen erwartete: Kämpfen, kratzen, beißen. Es war jedoch sichtbar, dass dem Team von Heimo Pfeifenberger die fußballerische Qualität fehlt, um Rapid ernsthaft zu gefährden. Das System von einem 4-4-2 auf ein 4-2-3-1 zu ändern, war bestimmt die richtige Entscheidung Pfeifenbergers. So war es möglich in der Zentrale mehr Spieler hinter den Ball zu bekommen und auch schnörkelloser zu kontern. Tatsächlich gefährlich wurde Neustadt aber erst durch Zufallsprodukte in der Schlussphase des Spiels. Für Rapid war das Spiel naturgemäß schwerer als das Heimspiel gegen Wacker Innsbruck. Einerseits wegen des unangenehmeren Spielverlaufs, andererseits weil Wiener Neustadt tiefer stand und defensiv weniger Fehler machte als die Tiroler. Eine stärkere Mannschaft hätte Rapid jedoch in deren unverständlichen Leerlaufphasen nach dem Ausschluss noch bestraft…

Neustadt muss zwingender werden, Rapid geduldig bleiben

Wiener Neustadt sollte den eingeschlagenen Weg in den schwierigen nächsten Spielen (Admira a, Ried h) beibehalten und auf Dauer versuchen zwingender zu werden. Rapid muss sein interessantes taktisches Konzept auch im Auswärtsspiel gegen Vojvodina Novi Sad und im darauffolgenden Heim-Derby auftischen und darf nicht nervös sein, wenn die neue Idee Fußball zu spielen, nicht in jeder Partie perfekt aufgeht. Das Motto muss heißen: Abputzen, nach vorne schauen. Der Sieg in Wiener Neustadt war keine Offenbarung, aber auch dieser Sieg bringt drei Punkte.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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