Rapid lieferte am Donnerstagabend in Glasgow eine kämpferisch gute Partie ab, scheiterte aber an alten Problemen. Das 1:3 gegen die Rangers war vermeidbar, ergab... 1:3 in Glasgow: Rapids wertvolle Lehrstunde im Ibrox Park

Rapid lieferte am Donnerstagabend in Glasgow eine kämpferisch gute Partie ab, scheiterte aber an alten Problemen. Das 1:3 gegen die Rangers war vermeidbar, ergab sich aber aus Schwächen, die schon in den letzten Wochen und Monaten immer wieder ersichtlich waren.

Didi Kühbauer stellte die Mannschaft bei seinem Debüt wie erwartet nur an wenigen Positionen um. Andrei Ivan rückte auf seine eigentliche, rechte Seite, wodurch Berisha wieder über links kam. Pavlovic sollte vorne die Bälle festmachen und die Technik von Thomas Murg sollte hinter der Solospitze zum Tragen kommen. Rapids Zehner wurde unter Djuricin fast immer im rechten Mittelfeld aufgeboten, um nach innen ziehen zu können und etwaige Lücken auf den Halbpositionen zu finden.

Gute Zweikampfbalance in der ersten Halbzeit

In Abwehr und Mittelfeldzentrale gab es keine Überraschungen. Auch die Pressinghöhe bot vorerst natürlich keine Neuerungen. Rapid verzichtete auf Offensivpressing, zog sich zurück und presste auch im zweiten Drittel meist eher passiv. Effektive Zweikämpfe, wenn die Rangers das Visier nach vorne ausrichteten und direkter spielen wollten, wurden aber speziell in der ersten Halbzeit sehr konsequent und intensiv geführt, was den Hütteldorfern zur Pause auch ein Plus in der Zweikampfstatistik einbrachte.

Schneller Ausgleich gibt Gerrard mehr Optionen

Der eigentliche Knackpunkt in der Partie war der postwendende Ausgleich nach dem glücklichen Führungstreffer, vor dem Ivan klar im Abseits stand. Durch Morelos‘ Abschluss zum 1:1 konnten die Rangers das Momentum mit in die Pause nehmen und waren taktisch flexibler, während ein Rückstand zur Halbzeit Steven Gerrard zum „Aufmachen“ gezwungen hätte. Die Entstehung des ersten Gegentreffers verriet allerdings noch mehr über Rapids Probleme.

Staffelungsproblem auf der Doppelacht

Stefan Schwab versuchte zur Unterstützung des Pressings immer wieder punktuell nach vorne zu rücken. So verließ der Schlüsselspieler auf Rapids Doppelacht immer wieder seine Position in Richtung offensives Mittelfeld. Ljubicic ist dann neben möglicherweise einrückenden Außenverteidigern oder herausrückenden Innenverteidigern derjenige, der den Zwischenlinienraum zumachen muss.

Vor dem Ausgleich: Kollektivversagen öffnet Zwischenlinienraum

Beim 1:1 funktionierten diese Mechanismen überhaupt nicht, weil die Rangers einfach, aber präzise durch die Mitte kamen. Schwab attackierte den Ballführenden Candeias nicht, der wiederum einen guten Pass durch die Mitte zu Kent spielte. Kent ist eigentlich Linksaußen, zog aber zur Mitte, um den Pass im Zwischenlinienraum zu empfangen. Dabei wurde er einerseits nicht an einen anderen Gegenspieler übergeben, wodurch er keinen Druck hatte, andererseits machte Ljubicic nach Schwabs Aufrücken den Zwischenlinienraum nicht zu und Sonnleitner konnte nicht schnell genug aus der Kette rücken, um Kent zu stören. Rapid Zentrale war somit aufgrund eines situativen Einrückens und einem guten Pass durch die Mitte völlig aus der Ordnung gebracht. Der weitere Situationsverlauf über den überragenden Tavernier und den eiskalt abschließenden Morelos war dadurch fast schon Formsache. Kleines Detail am Rande: Nach Kents Einrücken rückte auch Linksverteidiger Flanagan noch weiter auf, wodurch neben Morelos auch er hätte abschließen können. Die Rangers verstanden es durch ihre Spielidee mit allgemein sehr hoch agierenden Außenverteidigern gut, möglichst viele Leute in die unmittelbare Gefahrenzone zu bekommen.

Flügelpaare mit Problemen in der Tagesform

Das ist etwas, was man von Rapid in Heimspielen auch erwarten muss. Auswärts ist es aber natürlich schwieriger eine solche Dominanz aufzubauen, was in diesem speziellen Fall auch individuelle Gründe hatte. Auf der rechten Seite opferte sich Mert Müldür immer wieder auf, musste aber sehr viele Zweikämpfe führen. Er selbst tat dies gut, aber der vorgelagerte Ivan war für eine derartige Partie zu leichtfüßig und gab zu viele Bälle vorzeitig auf. Auf der anderen Seite das umgekehrte Bild: Berisha rackerte, eroberte Bälle, gewann Zweikämpfe – und hinter ihm erwischte der sonst sehr stabile Marvin Potzmann seinen bisher schwächsten Tag im Rapid-Dress. Die Flügelduos funktionierten fast über die ganze Spieldauer nicht, auch wenn es weitgehend nicht an der Einstellung mangelte.

Keine Harmonie zwischen Schwab und Ljubicic

Die spielerisch-taktischen Probleme lagen dennoch eher in der Zentrale. Die Idee den spielstarken Murg auf der Zehn aufzubieten, hatte ihre Berechtigung und sollte die Ballsicherheit in der Zentrale weiter stärken. Die Doppelacht mit Schwab und Ljubicic funktionierte hingegen speziell in der zweiten Halbzeit überhaupt nicht mehr. Schwabs niedrige Positionstreue stellt weniger den Gegner vor Probleme, sondern viel mehr Ljubicic. Da der Rapid-Kapitän in der zweiten Halbzeit am sprichwörtlichen Zahnfleisch ging und nicht mehr schnell hinter den Ball kam, wurde Ljubicic vor das Problem zahlreicher Entscheidungsfindungen binnen kürzester Zeit gezwungen.

Schwerer Ljubicic-Fehler vor 1:2

Schon im Laufe der zweiten Halbzeit fand er nicht immer die besten Lösungen. Enorm riskante Rückpässe und uninspirierte Spielverschleppungen, die durch das folgende Rangers-Pressing für Rapid gefährlich wurden, waren immer wieder mit dabei. Mit etwas Glück hätte Rapid das 1:1 über die Zeit bringen können, aber eine ebensolche Situation leitete schließlich die Aktion ein, die zum Elfmeter führte. Ljubicic begann vor dem eigenen Strafraum zu dribbeln, verlor den Ball, fehlte vor der Abwehr. Mit einfachsten Mitteln kamen die Schotten in den Strafraum – und Sonnleitner kam gegen den enorm giftigen Morelos zu spät. Tavernier verwandelte den Elfmeter standesgemäß.

Ljubicic‘ Devolution

Didi Kühbauer machte nach der Partie ein körperliches Problem aus, das speziell in der zweiten Halbzeit unverkennbar war. Hätte Rapid den Kampf im zweiten Durchgang genauso annehmen können wie im ersten, wäre diese Partie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verlorengegangen. Das größere Problem in Glasgow war dennoch die Inspirationslosigkeit auf der Doppelacht. Während Dejan Ljubicic in seiner Anfangszeit in der Rapid-Startelf ein äußerst mutiges Passmuster an den Tag legte und über der Mittellinie sehr viele vertikale, öffnende Pässe spielte, ist er mittlerweile der Spieler, der das Spiel Rapids am meisten verschleppt. Das ist sicher eine Frage mangelnden Selbstvertrauens und wohl auch eines verbesserungswürdigen Fokus‘, aber es ist auch Schwabs körperlichen Defiziten und seiner schwachen Reaktionszeit geschuldet. Auf Kühbauer kommen einige Aufgaben zu, aber der Aufbau eines gewissen Selbstverständnisses in der Mittelfeldzentrale ist eine der wichtigsten.

Körperliche Mängel führen zu schwachem Pressing und wenigen Balleroberungen

Viele andere Probleme, die gegen die körperlich starken Rangers gut zu beobachten waren, basieren auf den angesprochenen körperlichen Problemen. Etwa, dass ein durchgängiges Pressing ohne der nötigen Ausdauer nicht durchgezogen werden kann, oder, dass der Fight um zweite Bälle nicht mit 100% geführt werden kann, obwohl man mit vielen langen Bällen operierte und somit ebendiese zweiten Bälle ein zentraler Plan des Matchplanes waren. Noch dazu, wenn mit Deni Alar in einer entscheidenden Phase ein Spieler für die Zehnerposition zweckentfremdet wird, der seine Gegenspieler eher anjoggt, als beißt.

Beinahe ideale Lehrpartie

Für Didi Kühbauer und Rapid ist es auch wegen der vorsichtig aufkeimenden Aufbruchsstimmung sehr bitter, dass diese Partie verloren wurde. Das Pendel hätte definitiv in beide Richtungen ausschlagen können und Rapid war die unglücklichere, weil auch etwas weniger fokussierte Mannschaft. Gleichzeitig hätte es aber kein besseres Lehrspiel für die Grün-Weißen geben können. Gegen eine Mannschaft, die qualitativ weitgehend leicht hinter den Hütteldorfern anzusiedeln ist, die aber sich aber sehr strikt an ihre Aufgaben hielt und körperlich vorzeigte, wo man stehen müsste, ist eine solche Niederlage für die weitere interne Arbeit wesentlich wertvoller, als hätte man zum Beispiel in Villarreal verloren, wo man sich auf die individuelle Klasse des Gegners ausreden könnte. Das nächste Spiel steht bereits übermorgen gegen Mattersburg an und Kühbauer wird wohl erneut an kleinen Schrauben drehen, um kurzfristige Optimierungen zu erreichen. Richtig interessant wird Rapid unter Kühbauer aber erst nach der Länderspielpause, wenn er erstmals Zeit und Ruhe hat, um die Mannschaft auf ein mittelfristiges Ziel einzuschwören.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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