2:2 in Hartberg: Rapid und die fehlende Systematik gegen den Ball
Bundesliga 24.Februar.2020 Daniel Mandl
Zwei Spiele der Frühjahrssaison sind beendet und Rapid steht mit vier Punkten insgesamt gut da bzw. festigte den dritten Platz. Allerdings war nur die erste von vier Halbzeiten im bisherigen Frühjahr wirklich durchgehend stabil. Danach waren die Leistungen mit Ausnahme kurzer Lichtblicke mangelhaft, was wieder einmal an alten Mustern lag.
Nach dem 2:0-Heimsieg gegen die WSG Tirol waren die Reaktionen der Funktionäre und Spieler vielversprechend. Die grausame zweite Hälfte wurde unisono kritisiert und man hatte den Eindruck, dass man aus dem spielerischen und auch kämpferischen Leerlauf lernen möchte. Die ersten 20 Minuten in Hartberg verstärkten diese Vermutung, denn Rapid trat gut und clever auf und machte spielerisch zunächst einiges richtig.
Anfangsphase: Gute Chips hinter die Hartberger Abwehr
In erster Linie gelang es den Hütteldorfern die für einen Heim-Außenseiter durchschnittliche, nicht zu tiefe Feldposition der Hartberger auszunützen. Alleine in der ersten Viertelstunde des Spiels wurde Rapid dreimal gefährlich, weil Chipbälle hinter die Abwehr der Oststeirer gespielt wurden. Dies musste nicht mal mit großer Präzision passieren, weil Hartberg mit diesen Bällen bzw. den sich veränderten Laufwegen auf hohem Tempo allgemein nicht zurechtkam. Rapid stach mit seinen flinken Flügelspielern, aber auch nach der Eroberung von zweiten Bällen in die neuralgischen Zonen und kam somit hinter die letzte Linie der Hartberger. Dies konnte mit klarer Struktur passieren, wie bei Dibons Pass auf Arase (5.) oder ohne exaktem Ziel, wie bei Stojkovic‘ Pass auf Dibon (15.), an dessen Hereingabe Schwab knapp vorbeisegelte.
Schopps Adaptierungen ändern Rapids Situation
Nach etwa 20 Minuten stellte sich Hartberg auf dieses offenkundige Problem besser ein und verlagerte die Durchschnittsposition des verteidigenden Blocks weiter nach hinten. Auch aus dem offensiven Mittelfeld kam nun mehr Unterstützung für die Defensive, das Zentrum wurde verengt, Rapid wurde im Kurzpassspiel auf die Flügel umgeleitet. Zuvor konnte sich Rapid wesentlich besser entfalten, hatte Kontrolle im zweiten Drittel, konnte häufig problemlos in der Breite verlagern und stellte regelmäßig Tiefgang her. Nun musste man sich etwas mühsamer durchkombinieren und versuchte dies gezwungenermaßen vor allem über die Flügel und die Halbpositionen.
(Zu) Hohe Intensität für Außenverteidiger und schwache Strafraumbesetzung
Demnach kam speziell auf die Außenverteidiger eine wichtige Aufgabe zu, der allerdings beide nicht dauerhaft gewachsen waren. Sowohl Auer als auch Stojkovic wirkten über weite Strecken zu fahrig, machten zu viele Fehlpässe und selbst wenn man einmal bis zur Grundlinie kam, wurde ein zweites altes Problem sichtbar: Die Strafraumbesetzung. Einzig bei Koya Kitagawas Lattenschuss und Thorsten Schicks vergebenem Sitzer in der zweiten Halbzeit passte die Besetzung in potentiellen Stanglpasssituationen. Immerhin holte Rapid durch eine ausgezeichnete Raumbesetzung nach einer Standardsituation noch den Last-Minute-Punkt.
Wenn man Rapid spielen lässt, spielt Rapid auch
Unterm Strich stehen aber nach zwei gespielten Frühjahrsrunden nur eine gute Halbzeit gegen die WSG Tirol und 20 starke Minuten gegen Hartberg. In diesen Stärkephasen erarbeitete sich Rapid zahlreiche Torchancen, hätte in der ersten Halbzeit gegen Wattens auch fünf Tore erzielen können, sowie zumindest zwei in den ersten 20 Minuten gegen Hartberg. In genau diesen Phasen sah man das spielerische Leistungspotential der Hütteldorfer. Demgegenüber stehen in beiden Spielen insgesamt schlecht verteidigte Standards, die Rapid unnötigerweise zittern ließen bzw. in Hartberg sogar fast in die Knie zwangen.
Zu viele vergebene Torchancen, aber hohe Schlagzahl
Dass aus diesen Stärkephasen nicht sehr viel Zählbares herausschaute, ist insgesamt kein Problem. Das Wichtigste für Rapid ist seit jeher die konkrete Erzeugung von Torraumszenen. Oft war eines unserer zentralen Analyseargumente, dass sich Rapid zu wenig erarbeitet und sich dann nach nicht gewonnenen Spielen auf einzelne vergebene Chancen ausredet. Unser Gegenargument war hierbei stets, dass man dann eben mehr kreieren müsste – und das kann man Rapid in ebendiesen angesprochenen Phasen nicht vorwerfen.
Mehr Arbeit, mehr Pressing!
Dies leitet uns aber zu den zwei Hauptproblemen weiter. Diese beiden Probleme waren in Hartberg ganz bestimmt nicht der schlechte Rasen oder die marginal falsche Ausführung des Rep-Eckballs vor dem 1:2 aus Rapids Sicht. Die Probleme waren am Ende die Arbeitsrate der Grün-Weißen und das weiterhin massiv mangelhafte Offensivpressing.
Zu viel Kontrolle, zu wenig Kampf
Wie schon in der zweiten Halbzeit gegen die WSG Tirol, hörte Rapid auch nach dem „Führungs-Eigentor“ in Hartberg auf, konsequent weiterzuarbeiten. Man verwaltete, suchte Kontrolle und wollte Zweikämpfen aus dem Weg gehen, indem man den Ball laufen ließ. In der zweiten Halbzeit wurde dies nicht besser – Hartberg „spürte“ Rapid nicht und es entwickelte sich ein müder und zerfahrener, phasenweise fast seltsamer Kick, in dem Rapid offenbar nichts erzwingen wollte und Hartberg mit seinem Qualitätsnachteil nichts erzwingen konnte. Dass Standards das Spiel entschieden kam nicht von ungefähr, wäre aber von Rapids Seite vermeidbar gewesen, wären speziell im Mittelfeld und Angriff mehrere Spieler mal wieder nicht mit 80 oder 85%, anstelle der so oft geforderten 100% zu Werke gegangen.
Rapid will den Ball, anstatt gegen ihn zu arbeiten
Das offensive Spiel gegen den Ball ist das deutlichste Sinnbild für dieses Problem. Hatte man die WSG Tirol durch konsequentes Zustellen des gegnerischen Aufbaus noch zu einem entscheidenden Fehler gezwungen, der das 2:0 für Rapid bedeutete, so wurden spielerisch limitierte Hartberger praktisch nie ausreichend unter Druck gesetzt, wenn sie selbst das Spiel aufbauen wollten. Die Pressingbemühungen Rapids wirkten wie ein Alibi: Mal lief einer der offensivsten Akteure den Ballführenden an, aber dahinter gab es keinerlei mannschaftliche Geschlossenheit. Die Abstände der pressenden Spieler waren viel zu groß, man beschränkte sich aufs Anlaufen, anstatt aufs konkrete Attackieren.
Rapids Antilogik gegen technisch schwächere Gegner
Die über Jahre gewachsene Ausredenkultur in Hütteldorf sieht gerne vor, dass man sich gegen kleinere Gegner als spielerisch stärkere Mannschaft deklariert und dann beispielsweise das schlechte Geläuf zum Mitschuldigen einer nicht ideal verlaufenen Partie bestimmt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn nach dieser Logik müssten es die technisch unterlegenen Hartberger noch schwerer gehabt haben und hätte man deren Aufbau systematisch als Gruppe bzw. Mannschaft gestört – und das mit hundertprozentigem Einsatz aller Beteiligten – wären zwangsläufig mehr Hartberger Fehler erzwungen worden. Exemplarisch hierfür steht auch die Szene vor dem 2:0 gegen Wattens, als nicht nur Fountas den Fehler von Thanos Petsos eiskalt ausnützte, sondern auch Rapids Raumbesetzung in der gesamten Situation ideal gewählt war, um die Tiroler zu stressen. Eine solche Situation sah man in Hartberg kein einziges Mal und so gingen wieder einmal einzelne Spieler viel zu weite und vor allem leere Wege, während gruppentaktische Geschlossenheit deutlich erfolgsversprechender gewesen wäre. Stattdessen tat man Hartberg praktisch einen Gefallen, indem man selbst mit dem Ball Kontrolle suchte, während sich der Außenseiter auf konsequentes Spiel gegen Ball beschränken durfte.
Spielkontrolle ohne Not spielt schwächeren Gegnern in die Karten
Daraus folgend ergibt sich das nächste Paradoxon: Wenn der Platz tatsächlich einer „Motocross-Strecke“ ähnelte, wie Didi Kühbauer in der Pressekonferenz nach dem Spiel konstatierte, ist nicht nachvollziehbar, wieso Rapid so vehement auf spielerische Kontrolle aus ist, anstatt dem technisch unterlegenen Team das Spiel zu überlassen. Wie so oft hätte das Spiel auch anders laufen können, wenn Rapid sich einmal zurückzieht und selbst auf technische Fehler des Gegners und demnach auf Konter wartet. Auch weil Pressing im zweiten Drittel (eventuell sogar in den tieferen Zonen des zweiten Drittels!) wesentlich risikofreier ist als Offensivpressing, wäre das Locken und konsequente, gruppentaktisch geschlossene Attackieren in dieser Zone eine sinnvolle Option gewesen. Vor allem wenn man bereits führt oder zumindest nicht im Rückstand liegt und man mit Arase auf links einen sehr flinken und mit Murg auf rechts einen sehr trickreichen Spieler für Gegenstöße in seinen Reihen hat. Zudem wären auch Knasmüllners Pass- und Verlagerungsqualitäten nach Ballgewinnen in der Zentrale besser zur Geltung gekommen. Passiert ist aber das Gegenteil und Rapid wurde von Hartberg herausgelockt, sodass man mit den dynamischen Dossou und Rep auf Konter lauern konnte.
Trotz Verbesserungen: Rapid hat weiterhin ein Philosophieproblem
Nicht wegen des Rasens, sondern wegen der von Rapid gewählten Spielanlage und der insgesamt biederen Hartberger Mannschaft entwickelte sich nach und nach eine Zufallspartie, in der es am Ende „nur“ ein Eigentor zu verbuchen gab und in der drei von vier Toren aus Standards resultierten. Trotz des Last-Minute-Ausgleichs kann Hartberg mit diesem Punkt wohl gut leben, während Rapid trotz des späten Kara-Treffers einfach nicht zufrieden sein kann. In der Anfangsphase nützte man noch eine konkrete Schwäche der Hartberger aus, Markus Schopp wirkte aber rechtzeitig entgegen. Rapid brachte danach aber keinerlei taktische Systematik in sein Spiel, vor allem nicht gegen den Ball. Ganz banal gesprochen hat es einen Grund, warum der LASK auch mit manchmal schwächeren Leistungen von Sieg zu Sieg eilt und Rapid regelmäßig einem Erklärungsnotstand ausgesetzt ist, in dem immer wieder die völlig falschen Gründe thematisiert werden. Wenn man ganz nach oben will, dann wird man die eigentlichen Fehler (Pressing, Arbeitsrate, Ausmaß der Spielkontrolle in bestimmten Situationen) über kurz oder lang mit enormer Konsequenz und noch härterer Selbstkritik behandeln müssen – aber, wenn Platz 3 auch auf lange Sicht „OK“ für Rapid ist, dann kann man angesichts der Qualitätsunterschiede zu den meisten Konkurrenten auch so weitermachen…
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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