Im Vorfeld hatte man bei Rapid durchaus großen Respekt vor dem SK Sturm Graz – vor allem vor dessen Offensivabteilung. Aber im Endeffekt machte... 3:0 – Rapid für schwache Sturm-Elf zu souverän und ballsicher!

Im Vorfeld hatte man bei Rapid durchaus großen Respekt vor dem SK Sturm Graz – vor allem vor dessen Offensivabteilung. Aber im Endeffekt machte Grün-Weiß dank eines souveränen, technisch guten und ballsicheren Auftritts kurzen Prozess mit dem Meister von 2010/11. Die Blackies waren bei der 0:3-Niederlage in Wien-Hütteldorf praktisch chancenlos.

Peter Schöttel überraschte alle und brachte den 17-jährigen Louis Schaub von Beginn an. Das in Deutschland geborene Riesentalent begann am rechten Flügel im 4-2-3-1, interpretierte seine Position aber wie das gesamte Rapid-Mittelfeld sehr fluide. Dies galt auch für das defensive Mittelfeld, das – ebenfalls etwas überraschend – aus Ildiz und Heikkinen bestand. Burgstaller und Hofmann komplettierten das Mittelfeld, das in dieser Mischung aus Gründen läuferischer und teils auch technischer Homogenität richtig gut funktionierte, dem Rapid-Fan sogar über weite Strecken Spaß machte.

Überragender Hofmann profitiert von Ildiz‘ Kreativität

Muhammed Ildiz ließ sich wie schon gegen den FC Wacker Innsbruck und den SC Wiener Neustadt von Beginn an zwischen die Innenverteidiger Sonnleitner und Gerson zurückfallen. Dort sammelte er Bälle ein, fungierte für alle Mitspieler rundherum als Anspielstation. Nach kleineren anfänglichen Schwierigkeiten wurde er mit Fortdauer des Spiels immer stärker, ballsicherer und frecher. Nicht nur seine Pass- und Dribblingwerte können sich einmal mehr sehen lassen, der 21-Jährige verleiht dem Rapid-Mittelfeld auch eine bedeutende Portion Kreativität. Davon profitierte vor allem der beste Mann am Platz – Rapid-Kapitän Steffen Hofmann. Nicht nur vor dem gemeinsam herausgespielten dritten Treffer hatte man den Eindruck, dass der Routinier einen kongenialen Partner gefunden haben könnte.

Heikkinen stark, weil im Spielaufbau durch Ildiz entlastet

Die Grundposition von „Momo“ Ildiz hatte aber eine weitere entscheidende Auswirkung auf das Rapid-Spiel. Markus Heikkinen spielte durch die tiefe Position Ildiz‘ etwas offensiver als sonst. Der Finne füllte dabei dank seiner Routine stets brachliegende Räume, bewegte sich ohne Ball nicht viel, dafür aber gezielt und clever. Im Falle eines grün-weißen Ballverlusts in Vorwärtsbewegung war ein etwas offensiverer Heikkinen ebenfalls von Vorteil. Zumindest in seiner gestrigen Matchform. Denn der Finne überzeugte durch Kampfkraft, zahlreiche Balleroberungen und ein solides Passspiel – für ihn ist die Situation einen weiteren defensiven Mittelfeldspieler hinter sich zu haben ungewohnt, aber eine weitere Anspielstation kommt natürlich jedem gelegen…

Burgstaller engagiert, energisch – und erfolgreich

Während Louis Schaub eine respektable Talentprobe abgab, präsentierte sich Guido Burgstaller nach langer Zeit wieder bärenstark und knüpfte damit an seine erste gute Saisonleistung in Salzburg an. Der Torschütze zum 1:0 bewegte sich mit und ohne Ball sehr „dreidimensional“ und war aufgrund diverser Finten und energischer Laufwege für den Gegner schwer ausrechenbar. Die Positionsrochaden zwischen Burgstaller und Schaub erschwerten es dem SK Sturm zusätzlich, die Aufgabe den Kärntner auszuschalten. Mit dieser enorm fitten, läuferisch engagierten und im Endeffekt auch effizienten Leistung wird es schwer sein Burgstaller wieder aus der Mannschaft zu spielen. Und auf Bank und Tribüne saßen gestern immerhin Spieler wie Drazan, Trimmel und Grozurek…

Gerson stark, Sonnleitner stärker

Die Innenverteidigung Rapids spielte praktisch fehlerlos, verzettelte sich nur kurz vor Gersons Auswechslung ein wenig. Bis dahin zeigte der Brasilianer eine trockene, humorlose Leistung, spielte zweikampfstark und intelligent. Noch besser war jedoch Mario Sonnleitner, der seinem Hauptgegenspieler Richard Sukuta-Pasu keine Chance ließ. Sonnleitner gewann nicht nur praktisch jeden Zweikampf und glänzte mit Kopfballstärke und Schnelligkeit, sondern war sogar an zwei Toren beteiligt.

Schimpelsberger und Katzer nicht immer präsent, aber solide

Rapids Außenverteidiger spielten im Gegensatz zum völlig dominanten, Sturm über die gesamte Spieldauer kontrollierenden Mittelfeld, relativ unspektakulär. Schimpelsberger hatte in der Anfangsphase das Problem, dass er sich in Rückwärtsbewegung zu weit nach innen fallen ließ und sein Vordermann Burgstaller die Halbposition vor den Abwehrspielern unzureichend schloss. Somit wirkte seine Seite zeitweise verwaist und Sturm konnte über die linke Angriffsseite Druck machen – was die Grazer ansatzweise versuchten, aber nie gut zu Ende spielten. Katzer auf der linken Abwehrseite war solider, sicherer im Passspiel als Schimpelsberger, der dafür mehr Zweikämpfe gewann. Zudem entdeckte der 32-Jährige nun endgültig seine Vorliebe für Offensivspiel und schaltete sich erneut immer wieder gut mit nach vorne ein – wenn auch ohne zählbaren Erfolg.

Rapid insgesamt sehr sicher am Ball und geduldig

Insgesamt präsentierte sich Rapid wieder so wie in der ersten Runde gegen Wacker Innsbruck. Der Gegner wurde im Mittelfeld völlig beherrscht und dennoch blieb das Spiel der Grün-Weißen stets geduldig. Der Zuschauer sah kaum Hauruck-Aktionen oder unnötig komplizierte Passstafetten, wodurch man es bewerkstelligen konnte Ball und Gegner laufen zu lassen. Währenddessen war Rapid als Ganzes in Bewegung und es kam kaum vor, dass der Ballführende verzweifelt nach Anspielstationen suchen musste. Diese Spielweise gepaart mit der nötigen Passsicherheit (für die gestern vor allem Hofmann und Ildiz, aber auch Heikkinen verantwortlich zeichneten) hat zur Folge, dass die Torchancen von alleine zustande kommen.

Zu wenige Torabschlüsse bei Sturm

Sturm hingegen hatte Probleme, die eher mannschaftstaktischer und individueller, weniger gruppentaktischer Natur waren. Das Spiel im Dreieck funktionierte zeitweise recht gut, auch die Grazer zeigten, dass sie den Ball zirkulieren lassen können. Banal gesprochen waren die seltenen Torabschlüsse eines der Hauptprobleme im Grazer Spiel. Gegen die gute Rapid-Abwehr gab es kaum ein Durchkommen und auch aus der Distanz oder mit (frühen) „Verdachtsflanken“ auf den bulligen Sukuta-Pasu probierte man es praktisch nicht, obwohl man Gelegenheiten dazu gehabt hätte.

Gäste in entscheidenden Zweikämpfen zu zahnlos

Geht man jedoch ins Detail erkennt man zwei Basisprobleme im Spiel des SK Sturm: Einerseits mangelte es über die gesamte Partie an individueller Kampfkraft. Kaum ein Spieler opferte sich in Zweikämpfen kompromisslos auf, viel zu oft verlor Sturm den Ball aufgrund verlorener Zweikämpfe im Mittelfeld, für die der ballführende Sturm-Spieler eigentlich die bessere Ausgangsposition hatte. Und wer die Zweikämpfe im Mittelfeld verliert, hat’s im modernen Fußball bekanntlich schwer.

Sturms Umschaltspiel mannschaftlich schwach

Das zweite Problem war das mannschaftlich schlecht umgesetzte Umschaltspiel. In dieses schlichen sich eben nicht nur gruppentechnische Fehler, sondern das ganze Team agierte in einigen Situationen komplett falsch. Gerade in der ersten Halbzeit hatte Sturm mehrfach die Möglichkeit Rapid durch mannschaftlich geschlossenes Umschaltspiel von Defensive auf Offensive nach Ballgewinnen unter Druck zu setzen. Während sich einige Spieler dabei konsequent falsch bewegten (Okotie, Szabics), hatten andere kaum Interesse am Offensiv- bzw. Konterspiel ihres Teams teilzunehmen (Madl, Weber, Ehrenreich).

Offensivspieler nach hinten nicht konsequent genug

Ähnliche Probleme gab es umgekehrt beim Umschaltspiel von Offensive auf Defensive. Beispiel: Szabics und Bodul waren im Defensivspiel physisch zwar anwesend, spulten ihre defensiven Abgaben aber sehr halbherzig ab. Und wie die Gegentore 1 und 3 zeigten, war auch direkt bei den Gegentoren der nötige Biss im Zweikampfverhalten nicht vorhanden: Burgstaller und Ildiz spazierten vor den Treffern durch die Sturm-Reihen und konnten entscheidende Aktionen zu Ende spielen.

Hyballa muss „Spezialistenteam“ eine moderne Spielidee einhauchen

Sturm ist eine Mannschaft mit unausgewogenem Spielermaterial. Aktuell gibt es Defensivleute und Offensivleute – ein richtiges Mittelding, quasi ein omnipotentes Bindeglied sucht man vergeblich. Dies kann in modernen Systemen natürlich von Vorteil sein, allerdings müssen die Offensivspieler verstehen, dass es ganz ohne Defensiv- und „Drecksarbeit“ nicht geht – und die Defensivspieler müssen, auch wenn sie weiter vorne eine Menge Offensivspezialisten in den eigenen Reihen haben, auch selbst etwas für die Offensive tun und sich nicht nur auf die „Spezialisten“ verlassen. Eine solche Mannschaftstaktik zu formen wird eine schwierige, aber lösbare Aufgabe für Peter Hyballa sein – das ihm zur Verfügung stehende Material ist jedenfalls gut genug dafür.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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