8 Gründe, warum Rapid ein neues Profil und einen Konzepttrainer braucht!
Bundesliga 9.November.2021 Daniel Mandl
Mit einem Punktschnitt von 1,41 und nach elf Niederlagen in 27 Pflichtspielen steht Didi Kühbauer als Trainer des SK Rapid vor dem Aus. Die Leistung beim 1:4 in Wolfsberg, aber auch die vorangegangene Niederlage in Zagreb machten die Lage Rapids nach einem guten Oktober ohne Niederlage schnell wieder dramatisch.
Alle Beobachter sind sich einig: Kühbauers Job bei Rapid hängt am seidenen Faden und trotz der widrigen Umstände der Herbstsaison ist für den 50-jährigen Burgenländer die Schonzeit offenbar vorbei. Gründe gibt es dafür einige, etwa die blutleere Darbietung beim WAC, die lethargische Herangehensweise einiger Spieler, aber auch, dass es weiterhin keine durchgängigen Pressingkonzepte und keine wiedererkennbare Spielanlage in Grün-Weiß gibt.
In der Saison 2021/22 wird Rapid allerdings von den so genannten „Kleinen“ vorgezeigt, was mit mannschaftlicher Geschlossenheit und da und dort auch dem richtigen, adaptierten Matchplan möglich ist. „Kollektiv schlägt Individualität“ hieß es nach Rapid-Spielen heuer des Öfteren. So etwa in der ersten Runde beim 0:2 gegen Hartberg, einem peinlichen 1:2 in Altach, beim unglücklichen 1:2 gegen die Admira, einem fast schon erwartbaren 0:3 gegen Sturm und auch zuletzt beim 1:4 in Wolfsberg. Die elfte Saisonniederlage unmittelbar vor der Länderspielpause könnte nun eine zu viel gewesen sein.
Die häufigste Frage dieser Tage: „Aber wer würde nachfolgen?“ – Für gewöhnlich eine Frage, die bei Rapid nicht schwierig zu beantworten ist. Die Hütteldorfer bedienen sich normalerweise an Trainern von der aktuellen Payroll (Djuricin, Barisic) oder am heimischen Markt (Canadi, Kühbauer). Eine Ausnahme stellte das fünf Monate andauernde Engagement von Mike Büskens da, der mit einem Punkteschnitt von 1,64 gehen musste. Büskens war der letzte Trainerlegionär und der Erste seit Lothar Matthäus 2002.
Rapid fischt also in den allermeisten Fällen in vertrauten Gewässern. Wie es im modernen Fußballgeschäft üblich ist, hat Rapid-Sportvorstand Zoran Barisic – ebenso wie bei Spielern – bestimmt eine „Schattenmannschaft“ für den Trainerposten. Ein potentieller Nachfolger für Kühbauer – er wäre der 44. Trainer in der Vereinsgeschichte Rapids – braucht definitiv mehrere Kompetenzen. Nach mittlerweile über 13 Jahren ohne Titel und einem nicht zu übersehenden Wegbruch der (positiven) öffentlichen Emotionen rund um Rapid, wäre es aber fatal, es mit „more of the same“ zu versuchen.
Deshalb braucht der SK Rapid als nächstes einen modernen Konzepttrainer – und dafür gibt es acht schlagende Argumente:
1. „No one is bigger than the club“
Rapid versuchte es in der Vergangenheit mit dem einen oder anderen Taktikfuchs. So etwa 2016 mit Damir Canadi, der jedoch kein nachhaltiges Konzept etablieren wollte, sondern lediglich versuchte, eine viel zu geradlinige Rapid-Mannschaft taktisch so schnell wie möglich flexibler zu machen. Dies war der schwierigen Situation nach der Stadioneröffnung und der extremen Erwartungshaltung geschuldet. Rapid spekulierte massiv darauf, dass die Saison alleine mit der frischen Stadion-Euphorie positiv bestritten werden könnte. Canadi verkomplizierte die Dinge aber zusehends, scheiterte beim ungeduldigen Traditionsverein auch an seiner sozialen Kompetenz. Ein Konzepttrainer muss nicht selbst ein Konzept ins Rennen werfen, sondern kann auch eine grundlegende, möglicherweise sogar historisch in einem Verein gewachsene Philosophie in die Moderne übertragen und so einen Wiedererkennungswert für das Spiel eines Vereins schaffen, mit dem sich der Großteil der Community identifizieren kann und der den Trainer selbst überdauert! Was Rapid nun zu etablieren versuchen muss, ist eine realistischerweise umsetzbare Spielphilosophie, die den Verein über Jahrzehnte begleitet und nur an sich verändernde Begebenheiten des modernen Fußballs adaptiert werden muss.
2. Ein klares Profil im Ganzen, macht individuelle Profile klarer
In einer intakten Spielphilosophie bzw. einem „Spielprofil“, sind die Rollen Einzelner klarer verteilt. Natürlich sind manchmal variable, flexible Entscheidungen vonnöten, aber wenn ein Trainer eine Spielphilosophie – beispielsweise inklusive Pressingkonzept oder anderen Facetten gegen den Ball – etabliert, dann ist auch klarer, welche Spieler es in den Transferperioden auf die Short List schaffen sollten. Kurzum: Eine klare Spielphilosophie verringert das Risiko von krassen Fehlkäufen, entlastet damit auf lange Sicht die Geldbörse. Ein Klassiker bei Rapid: Mutlose „Alibi-Anläufer“ oder Spieler, die kategorisch in keinen Zweikampf gehen wollen, würden in einem ganzheitlichen Konzept idealerweise der Vergangenheit angehören. Auch die Ausbildung eigener Nachwuchsspieler wird spezifischer, wenn man die viel zitierten „Rapid-Spieler“ nach einem durchgängigen Konzept ausbildet, das auch gewisse Ausschlusskriterien mit sich bringt. Zwar ist die Nachwuchsarbeit bei Rapid sehr gut, die Einbindung in die teilweise tagesabhängigen Ideen des Kampfmannschaftstrainers dauert aber aufgrund der fehlenden Durchgängigkeit einer Spielidee zu lange. Hier sind Ajax Amsterdam und mittlerweile auch Red Bull Salzburg erwähnenswerte Positivbeispiele. Einzelne Akteure werden dank einer klaren Spielanlage leichter auswechselbar, wie man beim Serienmeister gut beobachten kann.
3. Das Trainingszentrum kann vieles verändern – braucht aber frische Impulse
Nach dem Weststadion ist das Trainingszentrum das neue infrastrukturelle Leuchtturmprojekt des Vereins. Dieses aber aufzusperren und sich an den besseren Facilities zu erfreuen ist zu wenig, will man es mittel- bis langfristig nutzen, um näher an Salzburg heranzukommen und sich gleichzeitig stärker von kleineren Vereinen zu emanzipieren. Diese absolut zentrale Neuerung im Rapid-Alltag benötigt Knowhow, Leben und sehr viel Innovation und Einfallsreichtum. Und eben das werden Trainer, die mit den bestehenden Möglichkeiten arbeiten und lediglich an Rädchen drehen oder ihr Wirken auf Emotionen basieren nicht einbringen. Es braucht Umsetzungsmut, womöglich auch die eine oder andere verrückte Idee und alles muss auf Basis der gesamten Philosophie und immer state-of-the-art geschehen. Altbackene, zur Stagnation verdammte Herangehensweisen sind hier fehl am Platz. Rapid muss dieses neue Asset bestmöglich nützen – und demnach auch einige Dinge am Alltag verändern bzw. neue Aspekte in diesen implementieren.
4. Rapid benötigt endlich klare Automatismen auf dem Platz
Der geneigte Beobachter jammert bereits seit gut einem Jahrzehnt, dass bei Rapid klare Automatismen Seltenheitswert haben oder nur in einzelnen Spielen wirklich konsequent durchgezogen werden. Eine klarere Spielidee und ein Profil, das vorgibt, wie Rapid auf dem Platz aussehen will, sind auch wie eine deutlichere Handlungsanweisung für Spieler zu verstehen, wenn es mal nicht so gut läuft. Aktuell – und im Grunde seit vielen Jahren – ist Rapid mit dem Problem konfrontiert, dass die Spieler in kniffligen Situationen zu wenig Eigeninitiative mitbringen, um das Ruder herumzureißen. Zusammengefasst wird in solchen Situationen dann gerne von einem Mentalitätsproblem gesprochen, das in Wahrheit nicht immer ein solches ist. Häufig fehlt es den grün-weißen Kickern auch einfach an vorgegebenen Alternativen, sei es taktisch, kämpferisch oder spielerisch. Ein klareres Profil kann in solchen Situationen, aber auch in Phasen der Dominanz („bei 1:0 aufs zweite Tor spielen“ als banales Beispiel) ein zentraler Leitfaden für die Spieler sein.
5. Das Publikum kann wieder ins Boot geholt werden
Wenn man aktuell mit Rapid-Fans und vor allem mit zahlenden Mitgliedern und Abonnenten spricht, dann hört man eine immer tiefere Frustration heraus. Die oft zu hohe Erwartungshaltung schlug ins Gegenextrem um und das ist nicht etwa Wut, sondern Lethargie. Aus Wut ist bei Rapid in der Vergangenheit auch immer wieder Großes entstanden. Lethargie ist aber der gefährlichste Zustand im Rapid-Umfeld. Menschen, die früher ihre Urlaube nach dem Rapid-Spielplan planten und dem Stadionbesuch alles unterordneten, haben diese Angewohnheit abgelegt. Man geht nicht mehr primär zum Spiel, um Rapid zu sehen, sondern um Freunde zu treffen. Nun gibt es aber die Möglichkeit auf dem Reißbrett etwas zu erstellen und umzusetzen (bzw. von einem Konzepttrainer umsetzen zu lassen), das die Zuschauer wieder mitreißt und Stadion und Mannschaft wieder zu einer Einheit werden lässt. Rapid-Fans lieben traditionsbedingt das Spektakel, Kampf um jeden Millimeter, Angriffspressing. Wenn das Spektakel einer kontrollierten Abwehrhaltung Platz machen muss, fehlt auch das Feuer auf den Rängen. Eine Möglichkeit zu finden, die „grüne Festung“ endlich zu einer solchen zu machen, ist einer der wichtigsten Eckpunkte des notwendigen, neuen Profils in Grün-Weiß. Bereits erwähntes „more of the same“ wird aber nichts verändern – man hat es lange genug probiert.
6. Es braucht keinen Trainer mit Rapid-Nähe
In Hütteldorf arbeiten in zahlreichen Positionen seit jeher gebrannte Kinder. Ein schwieriger Spieler aus Land X, ein Trainer mit Vergangenheit Y, ein Star mit der hohen Ablösesumme Z – wenn sie einmal nicht funktionieren, dann pauschaliert man gerne und lässt für die nächsten Jahre die Finger davon. Deshalb wählt Rapid häufig den Weg des geringsten Widerstands, der zwar in manchen Fällen passabel funktioniert, aber nur in den wenigsten Fällen für einen echten Unterschied und eine nachhaltige Kurve nach oben sorgt. Ein Argument für Trainerbestellungen war in der Vergangenheit häufig, dass ein Coach sich darüber im Klaren sein muss, welcher Druck bei Rapid herrscht. Offenbar ist aber keine der „internen“ Lösungen bisher wirklich damit zurechtgekommen, denn in eine größere Liga hat Rapid einen Trainer das letzte Mal im Jahr 1985 exportiert. Damals wechselte Otto Baric zum VfB Stuttgart. Einzig Josef Hickersberger schaffte danach mit dem Wechsel zum ÖFB einen Sprung nach „oben“. In der Zwischenzeit suchen Trainer aber bereits über die Umwege Wolfsberg, Hartberg oder LASK den Weg ins Ausland, während man bei Rapid weiterhin dieselben Abläufe durchzieht und keine grundlegenden Strukturveränderungen zulässt. Es braucht de facto einen Trainer, der Rapid als jenen schlafenden Riesen sieht, dessen Potential mit Hilfe von Innovation entfesselt werden kann. Im näheren Rapid-Umfeld gibt es einen solchen Trainer nicht, weshalb man trotz zweier Fehlgriffe in den letzten 20 (!) Jahren auf eine gut ausgebildete, kreative, ausländische Lösung zurückgreifen sollte. Für die entemotionalisierte und sachliche Erstellung und Umsetzung einer modernen Spielphilosophie ist auch ein gewisses Maß an Distanz hilfreich.
7. Rapid muss den Sprung nach oben einfacher machen
Zahlreiche Talente tummeln sich in den Nachwuchsmannschaften des SK Rapid und mittlerweile schaffen viele den Sprung zu den Profis. Sei es, um einmal hineinzuschnuppern, oder sich auch dauerhaft durchzusetzen. Die Kader der Juniorennationalteams geben den Verantwortlichen im Rapid-Nachwuchs eindrucksvoll Recht. Die spielerisch-taktischen Unterschiede zwischen der Kampfmannschaft und den Jugendteams sind aber weiterhin extrem hoch. Sieht man sich an einem Wochenende zuerst die „Zweier“ und dann die „Erste“ an, so sieht man meist deutlich unterschiedliche Spielanlagen. Durchgängige Konzepte (nicht zu verwechseln mit „Systeme“) erleichtern den Sprung von unten nach oben. Salzburg und Liefering zeigen bereits vor, wie dies funktionieren kann. Große internationale Klubs wählen die Klubs für ihre Leihspieler ebenfalls nicht mehr aufgrund zu erwartender Spielpraxis aus, sondern viel mehr, weil die Spieler bei einem kleineren Klub auf eine klare Spielidee gedrillt werden.
8. Rapid kann genau das!
Rapid hatte bisher nicht den Mut, diesen unbekannten Weg zu gehen und kurzfristige Lösungen, teilweise auch nur Brände löschende Lösungen beiseite zu schieben. Je länger man jedoch zuwartet, diesem Verein einen spielerisch, taktisch, kämpferisch, emotionalen und auch in Bezug auf jede Art der Balance neuen Anstrich zu verpassen, desto mehr Zeit verliert man und desto weiter wird sich der jetzt schon uneinholbar scheinende Konkurrent aus Salzburg entfernen. Doch das ist nicht alles: Kleine Klubs arbeiten bereits im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach derartigen Konzepten und Rapid musste die von alten Trainern etablierte Handschrift erst am Sonntag beim 1:4 in Wolfsberg schmerzlich erleben. Somit läuft Rapid gerade im aktuellen Downtrend Gefahr, auch von anderen Klubs „überholt“ zu werden. Zwar womöglich nur kurzfristig, aber der Leidensdruck im gesamten Rapid-Soziotop wird dadurch größer und größer. Rapid ist allerdings nach Salzburg der finanzstärkste Klub der Liga, holt im Vergleich zu vielen „Kleinen“, die sich vermeintlich einfacher an derart einschneidende Änderungen wagen können als der Rekordmeister, viel zu wenig aus seinen finanziellen Möglichkeiten heraus. Rapid kann seine Ressourcen aber deutlich effizienter einsetzen, wenn klarer ist, in welche Richtung es auf dem Platz genau gehen soll. Wie will Rapid sein? Wie wird man künftig auftreten? Welche Spieler wird man künftig nicht mehr in Betracht ziehen? Das sind Fragen, für die bisher eine klare Basis fehlte, worüber die Gesamtqualität häufig hinwegtäuschte. Wenn Rapid seine Möglichkeiten aber auf Basis einer wasserdichten Spielphilosophie ausspielt, die nicht nur bei Spielen der „Ersten“ gelebt wird, ist dieser Klub nicht nur schwer von Platz 2 wegzudenken, sondern wird sich mittel- bis langfristig auch wieder an Salzburg annähern – wie es etwa unter einem Trainer Zoran Barisic unter anderen Voraussetzungen bereits der Fall war.
Natürlich erfordert ein Umdenken in diese Richtung einiges an Arbeit und Mut, sowie das Begehen von Neuland. Nach Jahren der „braven Arbeit“, die aber nie in einem zählbaren Erfolg in Form eines Titels gipfelte, wäre es nun aber an der Zeit wichtige Eckpfeiler des Leitbildes im sportlichen Bereich umzusetzen, um a) nicht mehr den eigenen Ansprüchen hinterher zu hecheln und b) endlich damit abzuschließen, in der Vergangenheit zu leben und mutig die Moderne zu betreten. Es ist eine Chance, etwas anzustoßen, das Rapid-Fans auch 2025, 2030 und 2035 spüren werden. Und diese Chance ist jetzt. Geht Rapid erneut den Weg des geringsten Widerstands, wird man sich wieder an kurzfristigen Verbesserungen erfreuen können, langfristig wird sich aber definitiv nichts ändern, zumal das aktuelle Profil schlichtweg nicht scharf genug ist.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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