9 Gründe für den grün-weißen Höhenflug
Bundesliga 1.November.2017 Daniel Mandl 1
Sieben Pflichtspielsiege in Serie, seit zehn Pflichtspielen ungeschlagen – Rapid funktioniert wieder. Das hat seine Gründe, die wir hier kompakt beleuchten wollen.
Die letzte Niederlage musste Rapid noch während der Sommertransferzeit hinnehmen. Beim 1:2 gegen Sturm Graz am 19.August spielte Maximilian Wöber, mittlerweile grün-weißer Rekordtransfer und Stammspieler bei Ajax, noch durch.
Im Zuge der Transferzeit war Rapid mit öffentlicher Kritik konfrontiert. Die Einkaufspolitik sei trotz der offensichtlichen Probleme zu pomadig, zu langsam gewesen. Zwei Monate später müssen sich die Kritiker eingestehen, dass die Schachzüge sehr clever waren.
Die Gründe für den grün-weißen Höhenflug – analysiert von hinten nach vorne.
Solider Keeper
Richard Strebinger war nicht immer unumstritten, griff in seinen ersten beiden Saisonen für Rapid schon mal daneben. Diese Unsicherheiten scheinen nach einer starken Sommervorbereitung wie fortgeblasen. Der 24-Jährige wurde zu einem sicheren Rückhalt, strahlt die nötige Ruhe aus und kassierte nun schon seit fast 400 Minuten keinen Treffer. Dabei kratzte er den einen oder anderen spielentscheidenden Ball von der Linie.
Ein dominanter Abwehrchef
Der Brasilianer Lucas Galvao zeigte bisher außergewöhnliche Leistungen. Der 26-Jährige ist trotz seiner verhältnismäßig geringen Körpergröße ein resoluter Zweikämpfer, vor allem aber ein exzellenter Spieleröffner, der große Ruhe am Ball ausstrahlt. Auch seinen jeweiligen Innenverteidiger-Kollegen stärkt Galvao. Die spielerische Sicherheit, die der Ex-Altacher mitbringt, beruhigt die gesamte Hintermannschaft und seine energischen Vorstöße machen Rapid im Aufbau deutlich stärker.
Dynamik in der Außenverteidigung
Boli Bolingoli brauchte ein paar Spiele zur Eingewöhnung, schwamm aber recht bald wie ein Fisch im Wasser. Seine Vorstöße in die gegnerische Hälfte sind schwer zu verteidigen, seine Laufstärke ein echter Trumpf für Rapid. Auf der anderen Seite ging man weg vom leichtfüßigen Spiel des aktuell verletzten Mario Pavelic und hin zum ebenfalls dynamischen Auftreten Stephan Auers. Dieser hat zwar nicht die offensiven Vorzüge wie Bolingoli (oder auch Pavelic), ist aber ein deutlich unangenehmerer Gegenspieler als etwa Pavelic oder Thurnwald und macht Rapid im gesamten Abwehrverbund unangenehmer.
Ein Youngster federt Probleme in der Zentrale ab
Wenn man Dejan Ljubicic Woche für Woche zusieht muss man sich fragen, wieso Rapid überhaupt daran dachte, einen solchen Spieler nach Wiener Neustadt zu verleihen. Der 20-Jährige war in den letzten Wochen einer der besten Rapid-Spieler, überzeugte durch hohe Passsicherheit und das Auge für vertikale Zuspiele. Seit er neben Schwab spielt, kann der manchmal schwächelnde Kapitän mehr Zweikämpfe abgeben. Aber nicht, weil Ljubicic sie ihm abnimmt, sondern weil er das Spiel so gut lesen kann, dass Rapid sich pro Spiel mehrere Zweikämpfe in der Zentrale erspart. Man war sich nicht sicher, ob Ljubicic dieses Niveau auf lange Sicht halten kann. Wir warten noch immer gespannt, wann bzw. ob der Leistungseinbruch kommt…
Der August-Louis spurt noch immer
Die Rapid-Fans verschmähten den heimlichen Star im Team stets damit, dass er nur im August seine Top-Leistungen abruft, mit Sinken des Thermometers aber schwächer wird. Heuer scheint Louis Schaub aber wieder entfesselt. Drei Tore, sechs Assists und zwei Toreinleitungen sprechen eine deutliche Sprache. Begleitet von wiederkehrenden, kleinen Leerläufen, macht Schaub wieder Dinge, die Spiele entscheiden können. Auch wenn er noch immer konstanter werden könnte, ist der 22-Jährige auf einem guten Weg.
Eine Rakete für die besonderen Momente
Nach langer Leidenszeit ist Philipp Schobesberger wieder da – und es ist so, als wäre er nie weg gewesen. Seine Slalomläufe durch die gegnerischen Reihen sind extrem schwierig zu verteidigen und geben Rapid die dringend nötigen Überraschungsmomente. Einzig an seiner Effizienz muss der flinke Linksaußen noch feilen, aber so oder so ist er eine wertvolle Waffe für Rapid. Dennoch: Rapid zeigte in der ersten Halbzeit gegen die Admira eine der besten Saisonleistungen – ohne Schobesberger.
Robustheit in der offensiven Dreierreihe
Allgemein ist der läuferische und kämpferische Aufwand in Rapids offensiver Dreierreihe angestiegen. Federführend ist hier Thomas Murg, der aufopferungsvoll das Pressing anführt und keinen Schritt zu wenig macht. Nicht nur bei Murg, sondern auch bei Schaub, Schobesberger oder dem ohnehin „zerlegten“ Berisha wird die Arbeit des neuen Athletiktrainers Toni Beretzki sichtbar. Unter Büskens oder Canadi noch ein wenig lasch und auf die Schönheit des Spiels konzentriert, sind die Kreativspieler Rapids nun körperlich gereift und sich für keinen Sprint oder Zweikampf zu schade.
Besseres Kombinationsspiel
Das Kombinieren in den gegnerischen Strafraum war lange Zeit Rapids Hauptproblem in der Offensive. Heute kann es sich der Rekordmeister sogar leisten, sich des Öfteren zu verzetteln, zu kompliziert zu spielen – und trotzdem kommt Rapid zu mehr klaren Torchancen als davor. Auch wenn die Verwertung ebendieser noch zu wünschen übrig lässt, sind Ballsicherheit und Passgenauigkeit im letzten Drittel deutlich gestiegen. Das liegt einerseits daran, dass Rapid im Rückraum und auch an den Flügeln passsichere Anspielstationen hat, andererseits aber auch an der bestechenden Fitness, die höhere Konzentration und Spannung in Stresssituationen zulässt.
Hohe Kaderdichte
Wenn Spieler wie Thanos Petsos, Philipp Schobesberger oder Joelinton auf der Bank Platz nehmen müssen, sagt das schon einiges über die Qualität der ersten Elf aus. Zudem sind Kicker wie Tamas Szanto erst im Aufbautraining, der ewige Kapitän Steffen Hofmann sogar nur Zuschauer. Rapid hat auch in der Breite große Qualität und kann variieren, nachdem man bisher weitgehend vom ganz großen Verletzungspech verschont blieb.
Wie geht’s weiter?
Rapid gehört spielerisch derzeit deutlich zu den drei Top-Teams der Liga. Die Tabelle spiegelt über die gesamte Saison recht gut die Kräfteverhältnisse wider. Interessant ist aber, dass Rapid mit 23 Toren nur drei weniger als Salzburg und vier weniger als Sturm erzielte. Während bei Sturm zehn Treffer von Angreifern erzielt wurden und bei Salzburg sogar 18, waren es bei Rapid derer gerademal zwei – beide erzielt von Joelinton. Würden bei den Hütteldorfern nun auch die Stürmer zu treffen beginnen, würde das Gesamtpaket der Djuricin-Truppe passen. Aber hier stellt sich eben noch die Preisfrage, die nur die Zeit beantworten kann: Wird das schon noch oder muss Fredy Bickel vielleicht im Winter wirklich noch einmal auf Stürmerpirsch gehen? Egal was sich als Antwort entpuppt: Das Rüstzeug hinter der „Neun“ ist hoch.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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