Abseitsverdächtig: Licht am Ende des Tunnels
Bundesliga 1.Februar.2012 Archimedes 1
Rubin Okotie wechselte in allerletzter Minute zum SK Sturm. Dort soll der Stürmer endlich wieder an seine Glanzzeiten anknüpfen können. Die Zeichen dafür stehen gut, denn er hat die erste richtige Entscheidung seit Langem getroffen.
Ein Stern geht auf und verglüht
Wir schreiben das Jahr 2010, an einem schwülen Augustabend trifft die Austria im Europacup auf Metalurg Donezk. Das Horr-Stadion ist voll, die Stimmung gut, und das Spiel steht auf Messers Schneide. Es geht um den Aufstieg in die Gruppenphase. Es geht um Geld – viel Geld. Und es geht um Prestige. Rubin Okotie steht in der Startelf, obwohl er nicht fit ist. Es gibt eben Spiele, die sind so wichtig, dass auch verletzte Spieler die Zähne zusammenbeißen müssen. Okotie beißt zusammen, und trifft nach 36 Minuten sogar zum 1:1 für die Violetten. Es entwickelt sich ein offener Schlagabtausch, nach dem 2:2 im Hinspiel geht es mit demselben Ergebnis nach 90 Minuten in die Verlängerung. Die Spannung ist auf ihrem Höhepunkt, und als alles bereits mit einem Elfmeterschießen rechnet, trifft Emin Sulimani mit einem direkten Freistoß zum 3:2. Grenzenloser Jubel bei den Fans, die Ersatzspieler laufen aufs Feld, um mit ihren Kollegen zu feiern. Zu diesem Zeitpunkt ist Rubin Okotie bereits am Weg ins Spital. Die Austria steigt schlussendlich in die Gruppenphase auf, Okotie droht nach der Diagnose Knorpelschaden im Knie eine lange Pause. Der Beginn des Abstiegs eines Spielers, dessen Aufstieg eigentlich gerade erst begonnen hatte.
Falsche Entscheidungen mit Folgen
Laut einigen Ärzten war es ein verhängnisvoller Fehler, Okotie in jenem Spiel gegen Metalurg Donezk spielen zu lassen. Ein Knorpelschaden ist eine ernsthafte Verletzung, viele Ärzte sprechen sogar von einem frühen Grad der Sportinvalidität. Ungeachtet dessen wechselte Okotie im darauffolgenden Sommer in die deutsche Bundesliga zum 1. FC Nürnberg. Wohl die nächste falsche Entscheidung in der noch jungen Karriere, denn nach einer so langen Verletzungspause ist der ohnehin bereits schwere Sprung von der österreichischen in die deutsche Liga fast unmöglich zu bewältigen. Das merkte auch Okoties Trainer Dieter Hecking, und sprach immer wieder davon, dass der Stürmer „noch nicht so weit sei“. So kam es dazu, dass Okotie in einem Jahr in Nürnberg nur 76 Minuten Bundesligaluft schnuppern durfte – nicht einmal ein komplettes Match. Immerhin gelang ihm beim 1:1 gegen den SC Freiburg eine Torvorlage. Ein schwacher Trost für ein verkorkstes Comeback-Jahr. Und wieder traf der 24-Jährige eine falsche Entscheidung: er ließ sich in die belgische Liga an den Provinzklub St. Truiden verleihen. Warum Okotie gerade dort sein Glück hätte finden sollen, bleibt fraglich. Nach zwei derart verkorksten Jahren, geprägt von Verletzungen und Misserfolgen, wäre eine Leihe in die vertraute österreichische Liga wohl die bessere Alternative gewesen. Auch, was das Leistungsniveau betrifft, hätte die österreichische Liga keinen großen Unterschied zur belgischen gemacht. Aber Okotie suchte sein Glück in St. Truiden – und scheiterte abermals. Neun Spiele absolvierte er für den Klub, und erzielte dabei ein Tor. Irgendwie bezeichnend, dass es nutzlos war. Das 2:4 gegen Beerschot bedeutete nur noch Ergebniskosmetik. Die, zumindest im Stadion kaum vertretenen Fans in St. Truiden werden dem Österreicher wohl keine Träne nachweinen.
Ein passendes Theater und ein Hoffnungsschimmer
Das Theater um den Wechsel zu Sturm Graz zum Ende der aktuellen Transferzeit passt da nur zu gut ins Bild. Okotie glaubte einmal, in Belgien zu bleiben, um Stunden später wieder seine Sachen für eine Reise nach Graz zu packen. Schlussendlich konnte der Deal mit Sturm doch noch fixiert werden – zum Glück für Okotie. In Österreich stehen die Chancen zur Rehabilitation für den Torjäger besser als nirgendwo anders. Bei Sturm kommt Okotie in eine vertraute Liga, spricht die Landessprache und wird zu genügend Einsatzzeit kommen. Im Sommer müsste der 24-Jährige nach derzeitigem Stand wieder nach Nürnberg zurückkehren. Aktuell hätte er dort keine Chance auf einen Platz in der Startelf – doch das will er bis zum Sommer ändern. Bei Sturm findet er dafür auch die perfekten Bedingungen vor. Okotie wäre nicht der erste Spieler, der nach schweren Jahren in Graz unter Franco Foda wieder in die Erfolgsspur zurückfindet.
Prominente Leidensgenossen
So schwer die Situation für Rubin Okotie auch ist – einen kleinen Trost kann man immer noch spenden: es gibt genügend Leidensgenossen für den Stürmer. Auch Erwin „Jimmy“ Hoffer bekommt seit seinem Wechsel von Rapid zum SSC Napoli keinen Fuß auf die Erde, Ümit Korkmaz schlägt sich ebenfalls seit seinem Gang ins Ausland mit Verletzungen und Formkrisen herum. Positive Beispiele gibt es allerdings auch. Zum Beispiel Jürgen Säumel: Der Mittelfeldmotor pendelte jahrelang im Ausland zwischen erster und zweiter Liga, zwischen Fitness und Verletzungen, zwischen Startelf und Tribüne – und kämpfte sich wieder zurück. Wo? Natürlich bei Sturm Graz und Franco Foda.
Archimedes. www.abseits.at
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