18 Jahre bei einem Verein: wer schafft das im modernen Fußballgeschäft schon? Abgesehen von den Treuesten unter den Kickern wie Maldini, Giggs oder Totti... Alexander Gorgon – ein Evergreen als Lebensversicherung

18 Jahre bei einem Verein: wer schafft das im modernen Fußballgeschäft schon? Abgesehen von den Treuesten unter den Kickern wie Maldini, Giggs oder Totti findet man kaum noch Kicker, die über so einen langen Zeitraum für einen einzigen Klub spielen. In Österreich gibt es einen – er ist erst 23.

Früh übt sich

Mit fünf Jahren kam ein kleiner Knirps nach Wien-Favoriten, und schloss sich dem Nachwuchs der Wiener Austria an. Für so junge Kicker gab es damals noch keine eigene Mannschaft, also durfte er bei den Siebenjährigen mitkicken. Als Sohn eines Schiedsrichters ist er von Anfang an vom Fußballvirus infiziert. Der Herr Papa spielte selbst profimäßig Fußball. In Polen, wo die Familie ursprünglich ihre Wurzeln hat, schnürte er einst die Schuhe für Wisla Krakau. Nach der Übersiedlung nach Österreich wechselte er in das Fach der Schiedsrichter. Der Junior interessiert sich nicht für Schiedsrichter, sondern nur für Ballbehandlung, Torschüsse und Traumpässe. Nach der Schule, am Nachmittag, bis in die späten Abendstunden gibt es nur eins: Kicken. Wir schreiben das Jahr 1992, die Vorbilder der Kinder heißen Marco van Basten, Thomas Hässler oder Hristo Stoichkov. Auch unser kleiner Knirps verehrt die Superstars. Es handelt sich um den heutigen Stammspieler der Wiener Austria, Alexander Gorgon. Der heute 23-Jährige durchlief in den folgenden Jahren alle Nachwuchsabteilungen der Veilchen. Überall setzte sich der kreative Mittelfeldspieler durch und überlebte die beinharten Aussiebungsverfahren am Ende jeder Saison beim Großklub. Als 18-Jähriger wird Gorgon 2006 vom Nachwuchs in die Mannschaft der Austria Amateure hochgezogen. Dort fügt er sich gut ins Team ein, wird aber nie wirklich zum Stammspieler.

Der Verletzungsteufel schlägt zu

Im Jänner 2008 folgt der erste große Rückschlag in der bis dahin so idyllisch verlaufenden Karriere des Alexander Gorgon. Eine Verletzung stoppt seine Entwicklung, die zweifellos in die Kampfmannschaft und in die Bundesliga geführt hätte. Doch es ist keine herkömmliche Verletzung wie ein Bänderriss oder ein Knochenbruch, wo es eine fixe und bekannte Ausfallzeit als Prognose gibt. Die Ärzte müssen Gorgon immer wieder vertrösten: „Wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis du wieder fit bist.“ Eine hartnäckige Schambeinverletzung stoppt die Karriere und lässt den Motor stocken. Was folgt, sind Therapien, Übungen, und viel, viel Schonung. Nachdem mehr als ein Jahr vergeht, zieht Gorgon sogar ein frühzeitiges Karriereende in Betracht. „Als ich am Schambein lange verletzt war und viele Therapien gemacht habe, saß ich daheim und habe mir gedacht, wie es wohl weiter geht. Ob ich überhaupt den Weg zurück schaffe, bevor es überhaupt begonnen hat.“ Die Hoffnung auf Besserung schwindet mit jedem Tag, Gorgon sieht sich bereits um Möglichkeiten am zweiten Bildungsweg um. Doch dann, im Jänner 2010, zwei gesamte Jahre nach dem Aufbrechen der Verletzung, erscheint ein Silberstreif am Horizont. Gorgon bekommt von den Ärzten grünes Licht und kann wieder mit leichten Laufeinheiten beginnen. Die Verletzung scheint ausgeheilt zu sein und hindert Gorgon nicht weiter. Auch wenn er zwei Jahre verloren hat – seine Karriere scheint gerettet.

Comeback in Rekordzeit

Bei den Amateuren spielt Gorgon, als wäre er nie weg gewesen. In zwölf Spielen in der Ersten Liga kommt er zum Einsatz, dabei gelingen ihm sogar jeweils ein Tor und ein Assist. Im Sommer 2010 kann Gorgon endlich wieder eine gesamte Vorbereitung mit den Amateuren absolvieren – die Basis für eine gute Saison. Die zweite Mannschaft der Austria spielt mittlerweile nur noch in der Regionalliga Ost, aber auch das reicht, um sich wieder an die Domäne Spitzensport zu gewöhnen. 23 Spiele, sieben Tore – so lautet das annehmbare Fazit in der ersten Saison nach der schweren Verletzung. Und auch in der Bundesliga lässt der damalige Austria-Coach Karl Daxbacher den Jungstar drei Mal reinschnuppern.

Ein Teil des Teams – und was für eins!

Im vergangenen Sommer nimmt Daxbacher Gorgon als ständiges Mitglied fix in den Kader der Kampfmannschaft auf. Der ist davon so motiviert, dass er sich auf Anhieb einen Stammplatz erkämpft. In Runde 1 wird er bei der 0:2-Niederlage in Salzburg in Minute 77 eingewechselt, ab dem sechsten Spieltag ist er aus dem Team nicht mehr wegzudenken. Zwischen der sechsten und der 23. Runde wird Gorgon in jedem Spiel durchgehend eingesetzt. Auch in der Europa League darf er sein Können beweisen. In allen sechs Gruppenspielen steht Gorgon auf dem Platz, beim 2:2 gegen den niederländischen Tabellenführer AZ Alkmaar trifft er sogar für die Veilchen. In Rekordzeit hat sich Gorgon bei den Profis etabliert – nach zwei Jahren völliger Auszeit. Trotzdem bleibt er bescheiden: „Ich habe schon das Gefühl, dass man hinter mir steht, mir vertraut. Das macht mich stärker und stärkt mein Selbstvertrauen. Ich möchte mich mit guten Leistungen dafür bedanken. Hoffentlich geht es so weiter.“

Vastics Retter

Karl Daxbacher förderte seinen aufstrebenden Youngster und machte ihn zum Kaderspieler, Ivica Vastic hat Gorgon bereits nach vier Spielen im Amt so einiges zu verdanken. Denn in der laufenden Rückrunde erzielte Gorgon alle Austria-Tore! Beide Treffer beim Auftakt zum 2:0-Heimsieg gegen Ried gehen auf sein Konto, dazu kommt der Siegestreffer beim 1:0-Auswärtssieg gegen die Innsbrucker am Tivoli, den ebenfalls Gorgon beisteuerte. Sechs Punkte, an denen Gorgon maßgeblich beteiligt war! Weder der arrivierte Jun, noch der junge Tadic oder die Neuzugänge Kienast und Simkovic sind die Top-Scorer – sondern das schüchterne Eigengewächs auf der rechten Mittelfeldseite.

„Ich bin ein Spätstarter“

Viele werden sich wundern, wenn bei einem 23-Jährigen von einem Youngster die Rede ist. Gemessen an der Erfahrung ist Gorgon aber ein solcher. Durch die zweijährige Verletzungspause kommt er mit 23 Jahren erst auf 22 Bundesligaspiele. Wo wäre er wohl, wenn ihm die schwere Verletzung am Schambein nicht 24 Monate seiner Karriere geraubt hätte? „Ich will mich nie auf etwas ausreden. Weder auf Verletzungen noch darauf, keine Chance bekommen zu haben. In meinem Fall muss ich aber wirklich sagen, dass mich die Verletzung mit 19 zwei Jahre außer Gefecht gesetzt hat. Die Schambeinverletzung war chronisch. Jetzt habe ich mit 22 den Sprung geschafft, komme zum Spielen. Ich will mich nicht fragen, wo ich ohne die verlorenen zwei Jahre wäre. Das macht keinen Sinn. Ich bin eben ein Spätstarter.“

Zukunftsmusik

Die Zukunft ist bereits vorgezeichnet. Die Wiener Austria erkannte die Zeichen der Zeit und verlängerte Gorgons Vertrag bis 2015. Was natürlich nicht heißt, dass Gorgon auch bis dahin im violetten Trikot zu bewundern sein wird. In den letzten Jahren zeigten ja viele ehemalige Austrianer, dass man aus Wien-Favoriten den Sprung in eine andere Liga schaffen kann. Auch das Nationalteam könnte schon bald zum Thema für Gorgon werden. Durch die Torarmut in der Bundesliga müsste Gorgon mit seinen drei Treffern in der Rückrunde Teamchef Koller noch mehr ins Auge gestochen sein. Eine Zukunftsoption schließt Gorgon aber bereits jetzt aus: „Bei Rapid werde ich nicht unterschreiben. Immerhin bin ich seit 18 Jahren bei der Austria, und Vereinstreue ist mir wichtig.“ Man darf gespannt sein, wo sein Weg den sympathischen Kreativspieler in den nächsten Jahren noch führen wird.

Archimedes, abseits.at

Archimedes

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