Am 16. Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing die Wiener Austria den SK Sturm Graz zum „Traditionsduell“. Dabei wollten die Violetten zurück auf die Erfolgsstraße finden, nachdem man drei Spiele ohne Sieg blieb und damit etwas Boden auf die Meistergruppe verlor. Daher kam dieser Partie eine große Bedeutung zu, bestand doch die Möglichkeit, den Rückstand auf die drittplatzierten Grazer auf vier Punkte zu reduzieren. Auf der anderen Seite ging es für die kriselnden Steirer darum, ebenfalls wieder auf die Erfolgsstraße zu finden, wartete man doch seit bereits sieben Partien auf einen Sieg. Spannung war also geboten und es stand einiges auf dem Spiel.
Grazer starten schwungvoll
Bei der Austria stand im Vorfeld des Spiels die Frage im Raum, welchen taktischen Ansatz man gegen den SK Sturm wählen würde. Im Hinspiel der beiden Teams fanden die Violetten nämlich ein gutes Mittel gegen die Steirer und „spiegelten“ das 4-Raute-2 System der Grazer kurzerhand, wodurch man mit einem mannorientierten Ansatz einen Punktgewinn einfahren konnte. Seit einigen Wochen greift die Austria jedoch auf eine Fünferkette zurück, in der der nominelle Sechser Martel als Halbverteidiger zurückgezogen wurde, während Kapitän Suttner ebenfalls in die Mitte rückte, um Platz für den hochtalentierten Linksverteidiger El Sheiwi zu machen. Das sollte sich auch gegen Sturm nicht ändern und Austria-Trainer Manfred Schmid vertraute der gleichen Mannschaft, wo einzig Braunöder gesperrt fehlte und von Jukic vertreten wurde.
Auf der anderen Seite kamen die Grazer nach turbulenten Wochen nach Wien-Favoriten angereist und am Ende einer englischen Woche. Am Donnerstag war man noch gegen PSV Eindhoven in der Europa League im Einsatz, wo man relativ sang- und klanglos mit 0:2 verlor. Man war sich der Bedeutung des Spiels gegen die Austria durchaus bewusst, weshalb man auch nicht großartig rotierte und nur punktuelle Veränderungen vornahm. Am Grundkonstrukt änderte sich wenig und man vertraute wie gewohnt auf das 4-Raute-2, auch wenn man zuletzt auch mal auf eine Systematik mit Fünferkette griff. Von Müdigkeit war bei den Grazern wenig zu sehen und man brachte von Beginn an eine ordentliche Intensität auf den Platz.
Die ersten Minuten konnte die Austria zwar den Ball länger in den Reihen halten, aber das Blatt wendete sich dahingehend recht schnell. Sturm versuchte mit einem geordneten Ballbesitzspiel, die Partie ebenfalls unter ihre Kontrolle zu bringen, um auch so die Fünferkette der Gastgeber zu knacken. Man überlegte sich auch gegen das 5-3-2/5-2-1-2 der Austria etwas und legte sich einen klaren Plan zurecht. Dabei wurde die rechte Seite und der dortige Halbraum besonders von den Grazern attackiert und hier wurde eine strategische Zone definiert. Mit dem offensivstarken Rechtsverteidiger Gazibegovic, dem Achter Kuen und dem jeweils ausweichenden Stürmer Jantscher/Yeboah, baute man hier ein spielstarkes Dreieck auf, welches immer wieder von Niangbo und Gorenc Stankovic unterstützt wurde. Strategisch durchdacht war dieser Ansatz deshalb, weil man hier bewusst die strukturellen Nachteile der Systematik bei der Austria auf den äußeren Zonen des Feldes bzw. am Flügel/Halbraum attackierte und eine konstante Überzahlsituation versuchte herzustellen.
Dieser Ansatz ging zu Beginn wunderbar auf und es entstand eine regelrechte Drangphase, wodurch man sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte. Man zeigte hier gute Rotationsbewegungen und ein sauberes Passspiel, wodurch man immer wieder im „Dreiecksspiel“ einen freien Mann fand und sich dem Zugriff der Austria entziehen konnte. Doch nicht nur mit dem Ball spielte man hier den Vorteil aus, auch gegen den Ball konnte man absolut dominieren und den violetten Gastgebern mit dem Gegenpressing den Zahn ziehen. In dieser Anfangsphase gelang es den Wiener nämlich kaum, dieses „Pressingnetz“ zu überspielen, weshalb viele Ballverluste und kaum Kontersituationen entstanden, da diese im Keim erstickt wurden.
Die Konterabsicherung der Grazer war vorbildlich, weshalb die Austrianer zunächst kaum geordnet und spielerisch nach vorne kamen. Die beiden violetten Spitzen Djuricin und Huskovic wurden mit vielen langen und undankbaren langen Bällen gefüttert, die schwer zu sichern waren. Dadurch konnte Sturm die Kontrolle übernehmen und Überhand gewinnen. Jedoch schlugen die Grazer aus dieser starken Anfangsphase wenig Kapital, da man zwar den Ball gut im (halb)rechten Raum zirkulieren ließ, allerdings kaum den Weg auf die ballferne Seite fand und das Spiel zu wenig verlagerte. Dadurch konnten die Gastgeber zumindest den Weg zum Tor versperren und je näher die Grazer vordrangen, desto enger gestaffelt standen die Austrianer. Hier fehlte es Sturm an Lösungen im letzten Drittel und den passenden Anschlussaktionen nach der Überlagerung auf die rechten Seite, um Torchancen zu kreieren.
Austria nimmt Anpassungen vor und kippt die Partie
Dem violetten Trainer Manfred Schmid blieben die Probleme seiner Mannschaft ebenfalls nicht verborgen und es mussten Lösungsansätze her. Die Ballbesitzphasen blieben viel zu kurz und es konnte kaum für Entlastung gesorgt werden, da die Grazer den Spielaufbau der Violetten früh anpressten und versuchten zuzustellen. Die Lösung der Austria? Diese Herausforderung anzunehmen und zu versuchen, das Pressing von Sturm zu umspielen. Schmid mahnte offensichtlich mehr Ruhe ein und ordnete an, den spielstarken Torhüter Pentz vermehrt in das Aufbauspiel einzubinden. Oftmals agierte man zu hektisch und suchte zu schnell den Weg nach vorne, statt den Ball in der hinteren Aufbaureihe laufen zu lassen, um dann in die entstandenen Lücken beim Gegner zu spielen. Mit der gezielteren Einbindung von Pentz, konnte man eine Überzahl kreieren und fand öfter den freien Mann. Sofern sich die Grazer zusammenzogen, spielte Pentz die Außenverteidiger frei, sofern die Gäste breit standen, wurde das Zentrum anvisiert.
Hier fanden auch die beiden Sechser/Achter Demaku und Fischer eine bessere Abstimmung und mit den Gegenbewegungen gelang es ihnen, Gegenspieler wegzuziehen und Raum für den jeweils anderen zu kreieren, damit dieser sich fallenlassen und anbieten konnte. Situativ wich Demaku etwa auch weit auf den Flügel aus oder Jukic unterstützte den Spielaufbau aus einer tieferen Position heraus, wodurch die Austrianer in der Lage waren, den freien Mann im Aufbau zu finden und das Pressing der Grazer auszuhebeln. Die Folge war, dass nicht nur die Ballbesitzzeiten in Richtung der Wiener pendelten, sondern zunehmend das gesamte Spiel.
Das lag auch daran, dass die Offensive der Austria recht aktiv agierte und speziell die beiden Flügelverteidiger und Stürmer der Violetten gut im Spiel waren. Die beiden Flügelverteidiger stießen immer wieder mit einem guten Timing nach vorne und bedienten die Stürmer, die ihrerseits sehr weitläufig agierten und viel auswichen, um ihre Kollegen zu unterstützen. Hier war auch die Rolle von Jukic entscheidend, der gut aus der Tiefe nachstieß und als Verbindungsspieler seine Kollegen unterstützte und einsetzte. So kamen die Violetten auch zu den deutlich besseren Chancen und hätte man sich mindestens einen Treffer verdient. Exemplarisch gab es dann auch Szenen gegen Ende der Halbzeit, in denen die Austria fast minutenlang den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren lassen konnte und die Grazer keinen Zugriff erlangten.
Kurz vor dem Pausenpfiff hatten die Gastgeber eine große Doppelchance auf die Führung, die man jedoch liegen ließ. So ging es mit einem Ballbesitzplus und dennoch torlos für die Austrianer in die Halbzeitpause.
Partie nimmt durch Treffer an Fahrt auf
Nach dem Wiederanpfiff dauerte es aber nicht lange, ehe der erste Treffer fiel und dem Spiel endgültig eine Wendung geben sollte. Die Austria belohnte sich für eine starke Schlussphase des ersten Durchgangs etwas verspätet, als Djuricin mustergültig Huskovic in Szene setzte und dieser diesmal die Ruhe vor dem Kasten behielt und zur 1:0-Führung traf. Dieser Treffer war sichtlich befreiend und entsprechend fiel auch der Jubel aus, mussten die Violetten doch seit über 250 Minuten auf ein erzieltes Tor warten. Dadurch war jetzt natürlich Sturm gefordert und musste auf den Rückstand reagieren, entglitt den Steirern doch bereits im ersten Durchgang die Partie.
Der Gegentreffer sollte die Gäste auch tatsächlich aufwecken und man schien wieder deutlich zielstrebiger und aggressiver zu Werke gehen. Sturm-Trainer Ilzer versuchte die Offensive auch mit einigen Anpassungen zu befeuern und man versuchte speziell, noch mehr die Tiefe zu suchen und mehr Flanken in den Strafraum zu bringen. Generell wollte man also noch mehr Präsenz im Strafraum entwickeln und in den Block des Gegners hinein, statt nur um diesen herum zu spielen.
Der Ausgangspunkt blieb zumeist auch weiterhin die rechte Zone, wo man sich gut nach vorne kombinierte. Die Anpassungen zeigten dann auch ihre Wirkung, denn nach schöner Steil-Klatsch-Steil-Kombination und einem Lupfer in die Tiefe, scheiterte Jantscher aus aussichtsreicher Position an Torhüter Pentz. Wenig später führte ein weiterer Lupfer in die Tiefe zu einer noch besseren Möglichkeit, als Yeboah wunderbar von Kuen bedient wurde und die Innenstange traf.
Die Austria hatte in diesen Szenen einiges an Glück und es schien, als würde die Führung nicht lange Bestand haben. Doch dann schwächten sich die Grazer selbst, denn Kuen rutschte völlig übermotiviert von hinten in seinen Gegenspieler und erhielt dafür zurecht die rote Karte, wodurch Sturm in Unterzahl weitermachen musste. Die Steirer ließen sich die Unterzahl aber nicht wirklich anmerken und man presste nicht nur weiter, sondern versuchte auch offensiv zu agieren und den Gegner damit unter Druck zu setzen.
Die violetten Gastgeber spielten die Überzahl nur selten wirklich gut aus. Es gab zwar einige Situationen, in denen man das Pressing sauber überspielen konnte, allerdings machte man viel zu wenig aus den großen Rückräumen, die Sturm den Austrianern anbot. Teilweise fanden die Stürmer immer wieder Eins gegen Eins-Situationen vor, die man aber nicht konsequent genug ausnutze. Eine Kontersituation konnte man dann allerdings doch verwerten und der starke Jukic erzielte nach einem Zuspiel von Martel das 2:0, was die Vorentscheidung sein sollte.
Eigentlich schien damit das Spiel vorüber, doch die Violetten übertrieben dann in einer Situation den Versuch, das Pressing der in Unterzahl befindlichen Grazer zu umspielen und leisteten sich prompt einen Ballverlust im Strafraum, der den Anschlusstreffer der Grazer zur Folge hatte. Da man unzählige Kontersituationen bereits im Ansatz verstolperte und hier die Wechselspieler keine gute Figur machten, blieb es bis zum Schluss spannend, auch wenn die Gäste zu keiner guten Ausgleichschance mehr kamen. Somit blieb es beim 2:1-Sieg der Austrianer.
Fazit
Insgesamt betrachtet war es ein sehr abwechslungsreiches Spiel, bei dem beide Teams ihre starken Phasen hatten und auch noch mehr Tore hätten fallen können. Den Grazern gehörte dank des guten Matchplans die Anfangsphase, wo man mit der strategischen Überlagerung auf der rechten Seite und dem guten Gegenpressing dem Gegner Probleme bereitete. Die Austria passte sich allerdings auch gut an und Trainer Schmid reagierte entsprechend auf die Probleme, indem man speziell die Stärken von Torhüter Pentz gut einbinden konnte (55 (!) Ballkontakte) wodurch man das Spiel letztlich zu den eigenen Gunsten drehte. Dennoch hätten es sich die Violetten viel einfacher machen können und augenscheinlich fehlt in einigen Situationen noch die Routine und Abgebrühtheit, sei es im Ballhalten oder in der Verwertung von Kontersituationen. Wichtig sind allerdings die drei Punkte, denn dadurch hält man den Anschluss zur Spitzengruppe und hat vor dem großen Wiener Derby nochmal Selbstvertrauen getankt.
Dalibor Babic, abseits.at
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