Zum Auftakt der Rückrunde des Grunddurchgangs kam es am 12. Spieltag zur Partie zweier Traditionsvereine, bei dem der SK Sturm Graz den FK Austria... Analyse: Austria fügt Sturm erste Saisonniederlage zu

Zum Auftakt der Rückrunde des Grunddurchgangs kam es am 12. Spieltag zur Partie zweier Traditionsvereine, bei dem der SK Sturm Graz den FK Austria Wien empfing. Dabei ging es für die Steirer darum, die Tabellenführung in der Liga zu festigen und den eigenen Erfolgslauf zu prologieren, nachdem man zuletzt auch dem italienischen Topverein Atalanta Bergamo einen Punkt abknöpfen konnte. Auf der anderen Seite befindet sich auch die Austria in den letzten Wochen im Aufwind und blieb im Oktober bislang ungeschlagen. Somit war eine interessante Ausgangslage gegeben und letztlich sollte auch eine der beiden Serien ein Ende nehmen.

Austria wählt den destruktiven Ansatz

Blickte man im Vorfeld auf die Bilanz der Violetten gegen den SK Sturm, verhieß dies nichts Gutes. Die letzten fünf Duelle verlor man allesamt am Stück gegen die Steirer und fand in keiner der Begegnungen das richtige Mittel, um der intensiven Spielweise der Grazer Einhalt zu gebieten. Egal ob man versuchte mitzuspielen, das Pressing zu spiegeln oder tief zu stehen, nichts funktionierte so richtig. Das lag auch daran, dass sich Sturm in jedem Duell spezifisch auf die Wiener einstellte und auch die eigene Formation adaptierte, um vor allem gegen den Ball Zugriff zu erhalten. Aus dieser Umklammerung vermochten sich die Austrianer selten sich zu befreien oder gar Lösungen zu finden. Daher war man im Lager der „Veilchen“ gespannt, welchen Ansatz man diesmal wählen würde.

Zunächst gab es vor dem Anpfiff eine Hiobsbotschaft, fiel doch der violette Spielmacher Dominik Fitz krankheitsbedingt aus und musste man auch Abwehrchef Galvao weiterhin vorgeben. Für Fitz rutschte Kapitän Fischer wieder in die Mannschaft und übernahm dessen Position. Von der Systematik änderte sich daher wenig, wurde diese jedoch der Stärke des Gegners angepasst. So war das übliche 3-4-3 von Anfang an sehr selten zu sehen und man formierte sich vordergründig zu einem klaren 5-2-3. Die erste Pressinglinie sollte dabei nicht vorne attackieren, sondern sich im Bereich des Mittelkreises postieren und hier versuchen, die Passwege ins Zentrum abzuschneiden. Man setzte also statt dem gewohnten Angriffspressing, diesmal vermehrt auf ein klassisches Mittelfeldpressing.

Das war auch im Anlaufverhalten deutlich zu sehen, rückten die Flügelverteidiger seltener als üblich auf die gegnerischen Außenverteidiger auf und blieben stattdessen oftmals in der Fünferkette zurück. Der Hintergrund war hier wohl, dass man Sturm keinen Raum zwischen den Halb- und Flügelverteidigern geben wollte, um die „longline“ Bälle hinter der Abwehr/der Seitenlinie entlang spielen zu können. Das bedeutete aber im Umkehrschluss viel Laufarbeit für Akteure wie Fischer und Gruber, die zuerst das Zentrum sichern mussten, um nach dem Pass nach außen anschließend auf die gegnerischen Außenverteidiger schieben zu können.

Sturm schnürt die Austria in der Anfangsphase ein

Damit überließ man Sturm auch quasi den Spielaufbau und versuchte stattdessen, vordergründig die Räume zu verdichten. Folglich konnten die Hausherren bereits in den ersten Minuten der Begegnung die Ballbesitzzahlen in die Höhe schrauben und mussten einen tiefstehenden Gegner bespielen. Die Grazer liefen wie mittlerweile üblich gegen die Wiener nicht mit einem 4-Raute-2 auf, sondern mit einem 4-2-3-1/4-3-3. Lavalee und Gorenc-Stankovic bildeten die Doppelsechs, Horvat positionierte sich davor und die Sturmspitze Jatta wurde von Sarkaria und Prass flankiert. Für gewöhnlich wählt man diesen Ansatz, um speziell im Anlaufverhalten einen besseren Zugriff auf die Dreierkette der Violetten zu gewährleisten. Das kann man beim nächsten Bild gut erkennen:

Die Austria im Spielaufbau, Sturm setzt nicht wie gewohnt auf ein 4-Raute-2, sondern formiert sich gegen den Ball zu einem klaren 4-2-3-1.

Die Wiener versuchten zunächst, das Spiel von hinten sauber aufzubauen und waren durchaus gewillt zu versuchen, das Pressing der Grazer zu bespielen und auszutesten. Dafür zog man Flügelverteidiger Ranftl weit nach hinten und bildete damit kurzzeitig eine Viererkette im Aufbau. Hier versuchte man wiederum, Sturms-Linksverteidiger Schnegg aus der Abwehrkette, ganz nach vorne zu ziehen, um den Raum hinter ihm zu öffnen und anschließend zu bespielen. In der Theorie eine interessante Variante, die in der Praxis jedoch kaum funktionierte. Die Gastgeber schoben nämlich sauber und geschlossen zum Ball und bauten einen so hohen Raumdruck auf, dass hier kaum ein Durchkommen möglich war.

Daraus resultierte, dass die Austrianer in der Anfangsphase viele lange Bälle nach vorne schlugen und es nicht schafften, zwei bis drei Pässe hintereinander zu spielen, ohne den Ball wieder abzugeben. Dadurch gelang es Sturm, sich in der Hälfte der Gäste festzusetzen und ihre enorme Intensität auszuspielen, mit der man unaufhörlich der Austria zusetzte. Es dauerte auch nur wenige Minuten, ehe die Gastgeber zur ersten guten Möglichkeit kamen, als Schnegg im Rückraum freigespielt wurde und dessen Abschluss gerade noch geblockt werden konnte.

Austria bricht den Rhythmus und ebnet den Weg zur Führung

Nach diesen Anfangsminuten mussten einigen Anhängern der Violetten Angst und Bange werden, nahm das Spiel doch den üblichen Lauf und man wirkte mit der Intensität bisweilen überfordert. Entlastungsangriffe gab es kaum und somit war man nur mit dem Verteidigen beschäftigt, was über die gesamte Spielzeit schwer aufrechtzuerhalten ist. Interessanterweise brach man dann plötzlich nach gut zehn Minuten den Rhythmus und begann in einer Sequenz, Sturm weit vorne zu attackieren. Das hatte den Effekt, dass bei Sturm etwas Hektik ins Spiel kam und man mit hohen Bällen antwortete. Diese konnten hin und wieder auch die Austrianer sichern und so kam man zunehmend an Ballbesitz. Durch diese kleinen Teilerfolge gewann man allgemein an Selbstvertrauen und fand damit ins Spiel hinein.

Letztlich sollte dieser Moment den Weg zur Schlüsselszene des Spiels ebnen. Es dauerte nämlich keine drei Minuten, ehe in weiterer Folge daraus die Führung resultierte. Dabei war das Tor spielerisch ganz stark herausgearbeitet und wir wollen die zahlreichen Aspekte nochmal herausstreichen. Hier zeigte speziell das Zentrum bestehend aus Potzmann/Jukic seine technische Klasse und hebelte de facto mit zwei Pässen das Pressing des Gegners aus.

Die Szene beginnt zunächst mit einem riskanten aber präzisen Pass von Meisl, der (mit seinem schwächeren Fuß) Potzmann in ein enges Passfenster im Zentrum anspielt:

Eine gefährliche Szene und das ist üblicherweise der Pass, auf den Sturm lauert und den man am liebsten anpresst bzw. gerne auch eine „Pressingfalle“ aufbaut. Dieser Bereich ist als absolute „Pressingzone“ definiert und selten schafft es eine Mannschaft, sich hier spielerisch zu befreien. Potzmann positioniert sich jedoch nicht nur hervorragend in der Schnittstelle zwischen den beiden Pressinglinien der Grazer, sondern weiß auch dank seiner Vororientierung wo der eigene Mitspieler und Gegenspieler ist, weshalb er…

…die Ruhe behält und die richtige Körperstellung einnimmt, um mit einem sauberen Kontakt den Ball nicht nur direkt zu Jukic weiterzuleiten, sondern damit auch seinen Gegenspieler aus dem Spiel zu nehmen (man behalte dazu am rechten unteren Bildrand Ranftl im Auge).

Hier lauert jedoch die nächste Gefahr, denn Sturms Sechser Gorenc-Stankovic erkennt die Situation und ist bereits am Sprung zu Jukic, um ihn direkt unter Druck zu setzen und zum Rückpass oder Ballverlust zu zwingen. Doch auch Jukic hat die Situation dank seiner Vororientierung absolut im Blick, weshalb er vor der Ballannahme bereits weiß, was zu tun ist und gleich den nächsten Pass spielt…

nämlich zum freistehend Kapitän Fischer, der sich im Rücken von Gorenc-Stankovic abgesetzt hat und nun angespielt werden kann. Würde Jukic nur eine Sekunde zu lange brauchen, wäre Gorenc-Stankovic bereits direkt vor ihm und der Sechser könnte diesen Angriff abwürgen. Hätte Potzmann den Ball nicht direkt auf Jukic weitergespielt und stattdessen angenommen, hätte Gorenc-Stankovic die Situation früher lesen können. Doch so steht er nun im Nirvana, da er weder zu Jukic kommt, noch seinen Rücken sichern kann. Mit dem Pass reißt Jukic die beiden Pressinglinien von Sturm endgültig auf und die Austria läuft auf die Viererkette der Grazer zu. Hier spielt nun auch Ranftl eine entscheidende Rolle, den man wie oben angemerkt im Auge behalten sollte. Der Flügelverteidiger erkennt nämlich die Situation und startet aus dem rechten Halbraum vertikal in die Spitze und zieht mit seinem entscheidenden Laufweg die Aufmerksamkeit der Abwehrkette auf sich…

wodurch im Rückraum Gruber völlig alleine steht und Linksverteidiger Schnegg in der Zwickmühle steckt. Er muss sich defensivtaktisch auf den tornäheren Spieler fokussieren, da dieser die größere Gefahr darstellt. Austria-Kapitän Fischer beweist in dieser Szene ebenfalls seine Klasse und behält hier nicht nur die Übersicht, sondern spielt mit seinem schwächeren Fuß den punktgenauen Seitenwechsel auf Gruber, der nun viel Platz vor sich hat. Hier hätte Gruber wohl den freistehenden Ranftl anspielen müssen, nahm sich stattdessen jedoch ein Herz und wurde letztlich für den Mut belohnt.

Diese Szene kann man wie im modernen Sprachgebrauch üblich definitiv als „Masterclass“ bezeichnen. Hier muss man dem Austria-Trainer Michael Wimmer ein großes Kompliment aussprechen, denn dieses Muster wurde definitiv im Vorfeld einstudiert und kam gezielt zum Einsatz, um das Pressing von Sturm auszuhebeln. Angefangen von der Verhaltensweise der beiden Sechser, über die Positionierung von Fischer und Gruber, bis hin zum raumschaffenden Laufweg von Ranftl, ging alles wie aus einem Guss vonstatten.

Gleichzeitig muss man aber auch konstatieren, dass diese Sequenz eines der wenigen spielerischen Glanzlichter der Austrianer im ersten Durchgang war. Das Umschaltspiel blieb aufgrund der zumeist weiten Wege nach vorne und des starken Gegenpressings der Grazer sehr überschaubar und gab es hier kaum Entlastung, da auch Gruber und Asllani nicht ihren besten Tag erwischten. Das sollten die Violetten dann auch im Verlauf des ersten Durchgangs zu spüren bekommen, da sich die „Blackies“ in der eigenen Hälfte festsetzten, einige hochkarätige Torchancen erspielten und auch einen Elfmeter zugesprochen bekamen, nachdem sich Meisl und Martins im Defensivverhalten nicht gut anstellten. Doch man wankte nur, fiel letztlich nicht, was man dem bärenstarken Torhüter Früchtl zu verdanken hat. Der deutsche U21-Teamspieler parierte nicht nur den Elfmeter, sondern hielt auch mit einigen weiteren Paraden den Vorsprung seiner Mannschaft fest, mit dem es in die Halbzeitpause ging.

Austria stabilisiert die Defensive und gewinnt an Souveränität

Nach dem Wiederanpfiff war für die Austrianer zunächst klar, dass man noch so eine Hälfte nicht überstehen würde und es notwendig ist, noch konsequenter zu verteidigen und zumindest hin und wieder für Entlastung zu sorgen. Zunächst schien es jedoch so, als würde das Spiel den gleichen Rhythmus weiterführen, den man im ersten Durchgang zu sehen bekam. Nach einem unnötigen Ballverlust von Polster, trug Sturm einen Konterangriff vor und setzte der quirlige Jatta seinen Fernschuss nur knapp am Tor vorbei. Doch von Minute zu Minute nahm die Frequenz der Sturm-Angriffe ab und es gelang der Austria zunehmend, die Steirer vom Strafraum fernzuhalten.

Hier hatte vor allem das Mittelfeldzentrum entscheidenden Anteil und konnte viele Bälle abfangen und klären, wobei hier Jukic nochmal herausragte und nicht nur 86 (!) Prozent seiner Duelle gewann, sondern auch starke sieben Bälle eroberte. Und kam Sturm doch einmal hinter das Mittelfeld der Austria, waren die drei Innenverteidiger meist zur Stelle und konnten die Situation bereinigen, wobei hier vor allem Martins den gegnerischen Stürmer meist sehr gut bewachte. So verstrich Minute um Minute und fehlte den Grazern nicht nur die entscheidende Idee, um den gut organisierten Block der Austria zu knacken, sondern auch generell die letzte Durchschlagskraft.

Gäste-Trainer Wimmer brachte dann auch nach 60 Minuten mit Baltaxa und Holland zwei defensivere Optionen ins Spiel, um hier auch gegen Standards noch besser gerüstet zu sein. Sturm-Trainer Ilzer reagierte ebenfalls darauf und erhöhte nach und nach das Risiko, weshalb er zunächst auf ein 4-3-3, in der Schlussphase sogar auf ein 3-4-3 umstellte und fünf (!) Angreifer aufs Spielfeld schickte. Doch damit ging auch die Struktur ein Stück weit verloren und man wollte irgendwie mit der Brechstange den Ausgleich erzwingen.

Das war jedoch zu wenig, um eine defensiv stabile Austria zu knacken, die noch dazu körperlich wesentlich mehr Reserven im Tank hatte. Das war speziell in der Schlussviertelstunde zu sehen, wo die „Veilchen“ vermehrt zu gefährlichen Umschaltsituationen kamen und in mehreren Situationen die Möglichkeit auf das 2:0 und die Vorentscheidung im Spiel vergaben. Das sollte sich jedoch nicht rächen, da man sich leidenschaftlich in jeden Zweikampf warf und um jeden Zentimeter am Spielfeld kämpfte, weshalb man den knappen Vorsprung über die Zeit brachte.

Fazit

Der Austria gelang also die Sensation und man fügte dem SK Sturm die ersten Saisonniederlage in der Liga zu. Anders als in den Begegnungen zuvor, lief diesmal vieles zugunsten der Violetten und man ging nicht nur glücklich in Führung, sondern durfte sich bei Torhüter Früchtl bedanken, dass dieser einen Elfmeter und einige weitere schwieriger Bälle parieren konnte. Allerdings konnte man sich im zweiten Durchgang merklich stabilisieren und ließ de facto keine einzige gute Ausgleichsgelegenheit des Gegners zu. Man hatte im Gegenteil sogar mehrmals die Chance, den Deckel wesentlich früher auf diese Partie zu setzen.

Der Schlüssel zum Erfolg war sicherlich der starke Mittelblock der Violetten bestehend aus den drei Innenverteidigern und zwei Sechsern, die vieles wegverteidigen konnten und meist zur Stelle waren, wenn es brenzlig wurde. Doch auch generell war dies vor allem gegen den Ball über weite Strecken äußerst diszipliniert und kommt es nicht von ungefähr, dass man nun seit über sieben Stunden keinen Gegentreffer mehr kassierte. Dazu noch das wunderbar herausgespielte Goldtor, was von Trainer Wimmer perfekt orchestriert wurde und somit gelang letztlich der große Coup, dass man den Tabellenführer stürzen konnte. Mit diesen „Bonuspunkten“ meldet man sich wieder im Kampf um die Meistergruppe zurück und konnte hier einiges an Boden wiedergutmachen.

Dalibor Babic