Je näher das Ende des Grunddurchgangs rückt, desto spannender wird die Situation und Lage der Mannschaften in der österreichischen Bundesliga. So auch am... Analyse: Austria gelingt Befreiungsschlag gegen Hartberg

 

Je näher das Ende des Grunddurchgangs rückt, desto spannender wird die Situation und Lage der Mannschaften in der österreichischen Bundesliga. So auch am 20. Spieltag, wo mit der Wiener Austria und Aufsteiger Hartberg zwei direkte Konkurrenten im Kampf um ein Ticket für die Qualifikation zur Meisterrunde aufeinandertrafen. Wesentlich mehr Druck verspürte dabei die Austria, nachdem der Saisonstart mit zwei Niederlagen gründlich schief ging und es im Umfeld der Violetten bereits rumorte. Doch auch für Hartberg stand einiges auf dem Spiel, denn um eine realistische Chance auf die Meisterrunde zu wahren, musste mindestens ein Punktegewinn her, wenn nicht sogar ein voller Erfolg.

Austria startet ambitioniert

Im Vergleich zur 0:2-Niederlage in Linz, nahm Austria-Trainer Thomas Letsch in der Startformation drei Änderungen vor. Mit Monschein, Prokop und Kapitän Grünwald rückten frische Offensivkräfte in die Mannschaft und sollten neue Impulse setzen, nachdem man beim LASK zu keiner einzigen Torchance kam. Das System blieb dabei das zuletzt bevorzugte 4-4-2, wobei die Besetzung im Zentrum – nach dem kurzfristigen Ausfall von Sechser Jeggo – mit Grünwald und Matic doch überraschte und eine durchaus mutige Entscheidung war.

In der Anfangsphase merkte man auch die Entschlossenheit der Violetten, die sofort die Kontrolle über das Spiel an sich rissen und versuchten, die Hartberger früh unter Druck zu setzen. Das 4-4-2 der Austria wurde dabei situativ auch mal zum 4-3-3, da der rechte Flügel Sax immer wieder sehr weit nach vorne schob und Breite gab, während sein Pendant auf der anderen Seite, Dominik Prokop, invers agierte und oft im Zentrum anzutreffen war. Die beiden Stürmer Edomwonyi und Monschein agierten sehr beweglich und ließen sich konstant nach hinten oder auf den Flügel fallen, um Räume aufzureißen und für Unordnung beim Gegner zu sorgen.

Was hatte sich Hartberg gegen die Austria ausgedacht? Von der Systematik her zumindest etwas recht Untypisches. Die Oststeirer laufen normalerweise in einer 4-4-2/4-4-1-1-Mischformation auf, allerdings stellten sie für das Gastspiel in Wien überraschenderweise ihre Grundordnung um. Was zu Beginn wie ein 4-3-3 aussah, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als ein 5-2-3/5-4-1, wobei dies speziell mit der Rolle des nominellen Sechsers der Hartberger, Florian Sittsam, zusammenhing. Dieser hielt sich nämlich gegen den Ball nicht auf seiner angestammten Position im defensiven Mittelfeld auf, sondern rückte gegen den Ball zwischen die beiden Innenverteidiger zurück und verstärkte damit den Abwehrverbund – weshalb eine klare Fünferkette entstand.

Die Pressinglinie verlegten die Hartberger etwas tiefer und griffen zu einem klassischen Mittelfeldpressing, wobei die drei Spitzen ganz vorne auch mal situativ energischer aus ihren Positionen nach vorne stachen, um ihre Gegenspieler unter Druck zu setzten.

In erster Linie versuchten die drei Angreifer zunächst die zentralen Räume und die Passwege in den „Sechserraum“ zu blockieren, weshalb sie relativ eng beieinander standen und die Außenverteidiger der Austria offenließen. Sobald dann der Pass der Austria nach außen erfolgte, verschob man kollektiv in Richtung Ball und versuchte Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Zu Beginn klappte dies allerdings nur unzureichend und speziell auf der ballfernen Seite ergaben sich große Räume, welche die violetten Gastgeber auch attackierten. Dadurch konnte sich die Austria in den ersten Minuten in der gegnerischen Hälfte festsetzen und die Kontrolle über das Spiel übernehmen. Man kam sogar zu zwei Gelegenheiten (damit also schon doppelt so viele wie in Linz), die man jedoch nicht im Tor unterbringen konnte. Noch wichtiger war jedoch, dass man nach Ballverlust sehr viele Bälle rasch wieder zurückerobern konnte und im Gegenpressing sehr griffig wirkte, weshalb man sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte.

Nach gut einer Viertelstunde konnten sich die Hartberger dann etwas Luft verschaffen und sich sozusagen freischwimmen. Das lag in erster Linie daran, dass die Abläufe beim Verschieben sauberer wurden und speziell die Abwehrlinie etwas breiter gestaffelt stand, wodurch man die Flügelzonen besser in den Griff bekam. Es wurde auch der hohe Fokus auf den rechten Flügel der Austria erkannt, wo die Violetten versuchten mit dem Duo Klein und Sax Durchbrüche zu kreieren, weshalb man noch stärker zu dieser Seite verschob.

Zusätzlich nahmen die Innenverteidiger auch konsequenter die Fallbewegungen der beiden Austria-Stürmer auf und verhinderten so ein Aufdrehen der beiden gegnerischen Angreifer in Richtung eigenes Tor. Noch wichtiger war jedoch, dass Hartberg bei eigenem Ballbesitz wesentlich ruhiger und ballsicherer wurde. Interessanterweise baute man bei Ballbesitz das Spiel nicht mit einer Dreierkette auf, was an und für sich logisch wäre, sondern in dem Fall rückte Sittsam wieder auf seine angestammte Position auf die „Sechs“, was zu Problemen und Verwirrung bei der Austria führte.

Hartberg entzieht sich dem Zugriff des Gegners

Der Trainer des Austria reagierte nämlich auf die überraschende Systemumstellung der Steirer und passte die eigene Formation im Defensivverhalten auf ein 4-3-3 an, was jedoch alles andere als sattelfest wirkte. Man versuchte zwar durchaus vorne Druck auszuüben und den Gegner zu Fehlern zu zwingen, allerdings zeigte man speziell im Anlaufverhalten einige Schwächen. Die Hartberger verstanden es gut, den freien Mann im zentralen Mittelfeld zu finden und man nutzte die Überzahl gegen die drei Angreifer der Austria geschickt aus, indem sich der ballferne zentrale Mittelfeldspieler (Kainz oder Tschernegg) meist im richtigen Moment fallen ließ und nicht gedeckt wurde.

Aber auch die beiden Stürmer der Violetten liefen nicht gut gestaffelt bzw. nicht versetzt zueinander an und ließen Sechser Sittsam oft frei, der dadurch immer wieder das Spielgerät problemlos empfangen konnte. Hartberg bestätigte damit erneut, dass man zweifellos den Anspruch hat, Fußball zu spielen und spielerische Lösungen zu finden. Das ist durchaus löblich und zeigt auch die gute Arbeit von Trainer Markus Schopp, der trotz eines limitierten Kaders das Maximum aus seinem Team herauskitzelt und von seiner Mannschaft viel Mut verlangt.

Durch das gute Aufbauspiel, konnte man sich mit Fortdauer der ersten Halbzeit Spielanteile zurückholen und so auch einige Male durchaus ansehnlich die Austria nach hinten drängen. Entscheidend dafür war auch Spielmacher Rep, der nominell als Mittelstürmer aufgestellt wurde, sich jedoch sehr oft fallen ließ, um das Kombinationsspiel ins Laufen zu bringen und dabei eine Art „falsche Neun“ gab.

In der Phase, in der das Spiel zu kippen drohte, ging dann die Austria plötzlich in Führung. Nach einem Eckball von Sax, köpfte Abwehrchef Madl den Ball ins Tor und brachte damit seine Mannschaft in Front. Doch mit der Führung im Rücken konnten die violetten Gastgeber das Spiel nicht wirklich beruhigen, im Gegenteil. Hartberg drückte die Austria immer öfter in die eigene Hälfte zurück und nach gut 30 Minuten verzeichnete man sogar mehr Ballbesitz als die Veilchen. Die Austria hatte Probleme, eine geschlossene Kompaktheit zustande zu bringen und oft stand man zu weit voneinander entfernt, wodurch die Hartberger immer wieder Räume vorfanden. Jedoch agierten die Steirer in ihrem Offensivspiel und speziell im letzten Drittel zu eindimensional und voraussehbar, denn nahezu alle Angriffsbemühungen fanden ausschließlich über die beiden Flügelzonen statt.

Nicht von ungefähr stellten die Hartberger im letzten Spiel gegen den SKN mit 40 (!) Flanken im Spiel einen neuen Rekord auf, woran man ein Muster erkennen konnte. Jedoch war im Strafraum meist kein Abnehmer zu finden, da man beim Gastspiel in Wien auf einen echten Stürmer in der Aufstellung verzichtete. Dadurch konnte die Austria die Angriffsbemühungen der Gäste mit einer soliden Strafraumverteidigung meist unterbinden, auch wenn die Steirer zweimal an einer Flanke knapp vorbeischrammten. Die Strafraumverteidigung der Austria sollte aber bald noch mehr auf die Probe gestellt werden, denn Innenverteidiger Igor flog kurz vor der Halbzeit nach einem unnötigen Foul vom Platz, weshalb die Austria die gesamte zweite Spielhälfte in Unterzahl bestreiten musste.

Hartberg beißt sich an disziplinierter Austria die Zähne aus

In der Halbzeitpause musste der Austria-Trainer klarerweise reagieren und brachte mit Schoissengeyr für Prokop einen Innenverteidiger und stellte das System auf ein 4-4-1 um. Man zog sich mit der Führung im Rücken zurück in die eigene Hälfte, baute zwei enge Viererketten auf und lauerte auf Konterangriffe über den physisch starken Edomwonyi.

Die Hartberger stellten ihrerseits ebenfalls in der Halbzeitpause um und brachten mit Tadic einen echten Stürmer in das Spiel, weshalb sich das System zu einem 4-2-3-1/4-4-1-1 veränderte, da Rep nun seine angestammte Position hinter der Spitze bekleidete. Am Muster der Angriffe änderte diese Umstellung relativ wenig, man versuchte weiterhin mit jeweils zwei Pärchen auf den Flügeln Durchbrüche zu kreieren und Flanken in den Strafraum zu bringen. Gegen die kopfballstarken Schoissengeyr und Madl war dies jedoch auch weiterhin ein untaugliches Mittel, weshalb die Steirer in der Offensive harmlos blieben.

Daher war auch eine Standardsituation nötig, um den Ausgleich zu besorgen. Einen Eckball spielte man flach in den Rückraum, wo der völlig freie Flecker auf das Tor schießen konnte und der Ball abgefälscht im Tor landete. Doch keine 90 Sekunden darauf ging die Austria wieder in Führung, nachdem Kapitän Grünwald von der Strafraumgrenze aus mit einem technisch anspruchsvollen Schuss aus der Drehung das 2:1 besorgte.

Danach änderte sich am Spielrhythmus recht wenig, die Austria verteidigte mit Mann und Maus die eigene Hälfte und konnte sich auf die gute Strafraumverteidigung verlassen, während den Hartbergern trotz viel Ballbesitz kaum Lösungen einfielen und man weiterhin zu durchschaubar blieb. Für die Steirer kam es sogar noch dicker, denn Matic baute mit einem Traumtor die Führung der Austria um einen weiteren Treffer aus. Die Hartberger antworteten dann zwar noch mit einem Tor und konnten auf 2:3 verkürzen, jedoch besorgte der eingewechselte Turgeman mit seinem Jokertor den 4:2-Endstand und sicherte seiner Mannschaft damit die wichtigen drei Zähler.

Fazit

Der im Vorfeld geforderte Pflichtsieg wurde von der Austria letztlich eingetütet, auch wenn mit mehr Spannung und Dramatik, als es den meisten Austria-Fans lieb war. Speziell nach dem vermeidbaren Platzverweis von Igor, hätten wohl nur die Wenigsten ihr Geld auf die kriselnde Austria gesetzt und man ahnte bereits Schlimmes. Doch im zweiten Durchgang bewiesen die Veilchen Moral, rückten noch enger zusammen und konnten basierend auf einer disziplinierten Abwehrarbeit und einer gnadenlosen Effizienz vor dem Tor, das Spiel tatsächlich noch gewinnen.

Damit festigt man auch weiterhin den Ruf als Wundertüte, denn man weiß letztlich nie, was bei der Austria im nächsten Spiel herauskommt. Jedenfalls konnten sich die Violetten mit dem Sieg den dritten Tabellenrang sichern und mit einem vollen Erfolg im nächsten Heimspiel gegen den Tabellenletzten Altach, würde man das Ticket für die Meisterrunde endgültig fixieren, womit wenigstens kurzzeitig wieder Ruhe in Wien-Favoriten einkehren würde.

Auf der anderen Seite muss sich Hartberg mit der Niederlage wohl endgültig vom Rennen um die Meisterrunde verabschieden und kann sich nun auf den Abstiegskampf konzentrieren. Zwar spielte man auch diesmal gut mit und legte eine durchaus mutige Spielweise an den Tag, jedoch zeigte man sich in den entscheidenden Momenten zu fehleranfällig und nicht konsequent genug, weshalb man aus der Überzahl auch letztlich zu wenig Kapital schlagen konnte und vor allem im offensiven letzten Drittel kaum Lösungen fand. Dennoch stellt dies für die Steirer keinen Beinbruch dar, denn mit diesem Leistungsniveau hat man sehr gute Chancen, auch nächstes Jahr in der höchsten Spielklasse vertreten zu sein, was angesichts des kleinsten Budget der Liga eine kleine Sensation wäre.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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