Die heimische Bundesliga ist endlich wieder zurück aus der Sommerpause und in der ersten Runde kam es zum Duell zwischen dem Aufsteiger WSG Tirol und der Wiener Austria. Für die Tiroler war es dabei nach jahrzehntelanger Abstinenz der erste Auftritt in der höchsten Spielklasse und dementsprechend groß war die Vorfreude. Aber auch die Austria erwartete mit viel Spannung den Auftakt in die Bundesliga, feierte doch Neo-Trainer Christian Ilzer seine Premiere an der Seitenlinie der Violetten. Die Erwartungen waren am Verteilerkreis groß und die Fans wünschten sich einen Sieg, damit die (zusätzlich durch die Stöger-Verpflichtung) entstandene Euphorie nicht gedämpft werden würde.
Raute gegen Fünferkette
Bei der Rückkehr in die höchste Spielklasse, konnten die Wattener aus dem vollen Schöpfen und ihre beste Mannschaft aufbieten. Trainer Thomas Silberberger wählte eine 5-2-1-2 Formation als Gerüst, um dem favorisierten Gegner die Stirn bieten zu können. Dabei treten die Wiener wie man mittlerweile mitbekommen hat in einem 4-4-2 mit Raute auf, was man in der ersten und zweiten Liga nicht alltäglich zu bespielen hat. Dementsprechend genau mussten sich die Tiroler darauf einstellen und sich den passenden Plan zurechtlegen, um die Vorteile der Raute zu neutralisieren.
In erster Instanz, wählte die WSG bei den Stürmern eine Staffelung aus, die die zentrale Aufbauformation der Austria spiegeln sollte. Die beiden Stürmer Dedic und Walch orientierten sich an den beiden Innenverteidigern, versuchten aber auch Kontakt zueinander zu halten und nicht zu weit voneinander entfernt zu stehen. Etwas weiter nach hinten versetzt lauerte „Zehner“ Pranter, der den gegnerischen Sechser Jeggo im Auge behalten sollte, aber auch die Passwege ins Zentrum verschließen sollte, damit die Innenverteidiger keinen direkten Passweg auf Alex Grünwald angeboten bekamen. Die Pressinglinie positionierte man dabei rundum die Mittellinie und man stach mit den Stürmern auch mal situativ auf die Innenverteidiger raus, um sie unter Druck zu setzen.
Wichtig war im Matchplan der Tiroler aber auch, wie man auf den Außenpositionen die Austria gedachte, in den Griff zu bekommen. So stachen die beiden Flügelverteidiger immer wieder sehr weit nach vorne und orientierten sich an den gegnerischen Außenverteidigern, weshalb situativ auch immer wieder hinten eine Dreierkette und ein 3-4-1-2 entstand. Der ballnahe Sechser schob dabei ebenfalls heraus und stellte den Achter der Austria, wodurch man in der Nähe des Balles einige Spieler in Position brachte. Generell lag der Fokus der Gastgeber ganz klar darauf, mit dem 2-1-2 Block vor der Abwehr (gemeint sind Mittefeldspieler und Angreifer) das Zentrum dicht zu halten und die Austria auf die Außen zu drängen, wo man sie dann anpressen wollte.
Wie reagierte die Austria darauf? Von Haus aus wählte Trainer Ilzer eine etwas „defensivere“ Variante im Mittelfeld, indem er Ebner den Vorzug vor Prokop und Sarkaria gab. Das hing wohl auch damit zusammen, dass mit Martschinko der defensiv stärkere Außenverteidiger ausfiel und man dadurch nicht zu viel Risiko gehen wollte, indem man mit Prokop einen Spieler brachte, der neben Linksverteidiger Cavlan ebenfalls seien Stärken in der Offensive gehabt hätte. So versuchte die Austria eine gewisse Balance zu wahren und die Stärken von Cavlan in der Offensive einzubinden, ohne Abstriche in der Phase gegen den Ball machen zu müssen.
Die Austria startete zu Beginn geduldig und ließ das Spielgerät vordergründig hinten in den eigenen Reihen zirkulieren um sich auch anzusehen, was sich der Gegner genau überlegte. Man versuchte es mit verschiedenen Aufbaumustern, indem mal die Achter sich in den defensiven Halbräumen fallen ließen, Jeggo zwischen die Innenverteidiger abkippte oder Kapitän Grünwald ebenfalls sich hinten den Ball abholte. Vereinzelt gelang dabei auch einige Male ein sauberer Übergang in die höheren Zonen, indem die zentralen Mittelfeldspieler ihre Gegenspieler herauszogen und die Passwege zu den Stürmern öffneten, die dann mit dem Rücken zum Tor die Bälle verarbeiten und weiterleiten sollten. Allerdings agierte man noch zu ungenau im Passspiel und bekam keine Sauberkeit in den eigenen Aktionen, weshalb man im letzten Drittel wenig Kapital daraus schlagen konnte.
Zu große Abstände, fehlendes Gegenpressing der Gäste
Nach gut einer Viertelstunde wurde die WSG dann mutiger und wachte etwas auf, nachdem die Austria in der Vorwärtsbewegung leichtfertig den Ball verlor und nach einem Konter Dedic alleine vor Lucic scheiterte. Das war die Initialzündung für die Gastgeber, aktiver zu werden und mehr für das Spiel zu machen. Die Wiener wirkten in dieser Phase etwas pomadig und bekamen keine Klarheit in ihr Passspiel, weshalb die eigene Ballzirkulation immer wieder ins Stocken kam und man so den Ball leichtfertig herschenkte. Das Entscheidende dabei war allerdings, dass man diese Bälle zu selten zurückholen konnte und das eigene Gegenpressing überhaupt nicht in Fahrt kam. Die Abstände blieben oft zu weit und vor allem die beiden Achter kamen meist einen Schritt zu spät, wodurch die Wattener das Mittelfeld der Violetten relativ leicht ausspielen konnten. Das war für die Austria besonders verheerend, denn dadurch mussten die beiden Innenverteidiger und der zur Absicherung verbliebene Sechser Jeggo sehr viel Raum verteidigen. Sie standen dadurch auch oft vor der schwierigen Wahl, entweder nachzuschieben und dem Gegner viel Rückraum zu geben, oder zurückzufallen und keinen Druck auf den Gegner auszuüben, um stattdessen lieber die letzte Linie zu verteidigen.
Durch diese Unsicherheit und fehlende Abstimmung, hatte die WSG auch viel Zeit am Ball, um die eigenen Konter zu fahren und fand immer wieder auch speziell hinter den gegnerischen Außenverteidigern Räume vor, die man gezielt attackierte. Aber auch allgemein konzentrierte sich der Gastgeber auf die Flügelzone und ortete da einen strategischen Vorteil, den man ausnutzen wollte. Immer wieder versuchte die WSG das Spiel schnell zu verlagern und die ballferne Seite der Austria zu attackieren, um so tief in die gegnerische Hälfte vorzudringen. Auch aus dem Spielaufbau heraus, versuchte man über den linken Halbverteidiger Gugganig und dessen scharfen Diagonalbällen auf die andere Seite zu kommen und den Gegner von da aus zu knacken. Das klappte auch recht gut und man konnte die Wiener dadurch zurückdrängen und mit zahlreichen Flanken unter Druck setzen. Daraus resultierte eine Druckphase mit einigen guten Gelegenheiten, was letztlich auch in den Führungstreffer mündete. Nach einer Ecke verlängerte Serbest den Ball unglücklich mit dem Rücken in das eigene Tor und brachte den Gegner damit in Front.
Wie reagierte die Austria darauf? Zum ersten Mal blitze endlich das auf, was man von den Violetten in der Vorbereitung zu sehen bekam. Plötzlich wurde man im Passspiel wesentlich klarer, konnte im Zentrum sauberer kombinieren und fand immer wieder die beiden Stürmer oder den sehr offensiven Cavlan, der über seine Seite viel Druck ausübte. Durch die längere Ballzirkulation, bekam man auch mehr Sicherheit in das eigene Spiel und wurde das eigene schwache Gegenpressing nicht mehr so zum Problem, wodurch der Gegner auch seltener zum Kontern kam. Man setzte sich auch im letzten Drittel fest und fand auch nach einer schön herausgespielten Aktion die Großchance auf das 1:1 vor, die jedoch Edomwonyi leichtfertig liegen ließ. So ging es für die Wiener mit dem 0:1 Rückstand in die Kabine.
Austria lädt mit Fehlern den Gegner zum Kontern ein
Nach dem Wiederanpfiff, versuchten die violetten Gäste dort anzuknüpfen, wo man vor der Halbzeit aufhörte. Die WSG positionierte sich nun auch etwas tiefer und abwartender, während die Austria immer mehr das Heft in die Hand nahm und versuchte, den tiefen Abwehrblock des Gegners zu knacken. Der aktive Linksverteidiger Cavlan rückte noch weiter auf und agierte im Stile eines Flügelstürmers, wodurch im linken Halbraum für Serbest und Grünwald Platz zum Kombinieren freigemacht und die Angriffsbemühungen von dort aus gestartet wurden. Man probierte es auch vermehrt mit „Longline-Bällen“ auf die ausweichenden Stürmer, die über den Flügel versuchten Durchbrüche zu kreieren und mit Hereingaben für Gefahr zu sorgen.
In der Phase als es so schien, als würde die Austria das Spiel in den Griff bekommen, leistete man sich zum wiederholten Male in der Vorwärtsbewegung einen schlimmen Fehlpass, wodurch die WSG in Überzahl einen Konter fahren konnte. Stürmer Walch behielt alleine vor dem Torhüter die Ruhe und schob trocken zum 2:0 für die Gastgeber ein. Als wäre dies nicht genug, fiel wenige Minuten darauf sogar noch ein weiterer Treffer für die Tiroler. Die Austria kam nach einen Ballverlust erneut nicht ins Gegenpressing und die Wattener konnten daraufhin kontern, die Gäste mit Spielverlagerungen auseinanderziehen und letztlich das 3:0 erzielen. Diese beiden Gegentreffer stehen quasi symptomatisch für die Probleme im Spiel der Austria und führten unweigerlich auch prompt ins Verderben.
Nach dem 0:3, konnte sich die Veilchen immerhin wieder erfangen und fielen nicht komplett auseinander. Man zeigte dann die letzte halbe Stunde im Ballbesitz ungefähr jene Qualitäten und Spielzüge, die sich Ilzer wohl von Anfang an erwartete. Man kombinierte sich immer wieder gut durch die gegnerischen Reihen, kam relativ zügig in das letzte Drittel und fand konstant Lösungen gegen den tiefstehenden Block des Gegners. Es hing wohl auch damit zusammen, dass die WSG sich nur noch auf das Verteidigen beschränkte und nur noch selten aufrückte und Nadelstiche setzte. Es reichte zwar für den relativ raschen Anschlusstreffer, doch weitere Gelegenheiten konnte die Austria nicht verwerten, um das Spiel nochmal spannend machen zu können, weshalb es letztlich beim 3:1 Sieg für die Wattener blieb.
Fazit
Was für ein Auftakt für die WSG in das Abenteuer Bundesliga! Selbst die kühnsten Optimisten hätten wohl mit so einem Ausgang und Spielverlauf nicht gerechnet. Dabei zeigten sich die Tiroler sehr gut auf den Gegner vorbereitet, zogen ihren Matchplan konsequent durch und schlugen genau in den richtigen Momenten zu. Angeführt von den Routiniers Pranter, Dedic und Walch nutzte man die Geschenke und Räume des Gegners eiskalt aus und feierte dadurch letztlich einen verdienten Sieg. Wenn man in dieser Tonart in den nächsten Wochen weitermachen kann, dann wird der Zuspruch aus Tirol garantiert nicht weniger werden.
Auf der anderen Seite folgte auf die große Euphorie der Austria ein noch größerer Rückschlag. Die Wiener vermochten es nicht, eine kompakte und stabile Defensivleistung auf den Platz zu bringen und offenbarten dem Gegner einfach viel zu viele Räume und Geschenke, wodurch man letztlich ein um das andere Mal recht simpel ausgekontert wurde. Vor allem das Gegenpressing stellte eine große Enttäuschung dar und die Abstände waren insgesamt zu groß, woran Neo-Coach Ilzer in der kommenden Trainingswoche arbeiten wird müssen. Nun hat man sich durch diese Niederlage unter Zugzwang gebracht, gegen Vizemeister LASK in der kommenden Woche gewinnen zu müssen, sonst könnte die Ernüchterung noch größer werden, als sie aktuell ist.
Dalibor Babic, abseits.at
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Dalibor Babic
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