Analyse: Austria macht großen Schritt in Richtung Meistergruppe
Bundesliga 21.Februar.2022 Dalibor Babic
Am 20. Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es zu einem spannenden Aufeinandertreffen im Kampf um die Meistergruppe, denn die Wiener Austria empfing Hartberg. Für die Violetten war dies dabei die große Chance, nach dem Auftaktsieg gegen Altach, mit einem weiteren Erfolg den nächsten Schritt in Richtung Meistergruppe zu machen und sich in eine gute Ausgangsposition für die finalen Begegnungen des Grunddurchgangs zu bringen. Auf der anderen Seite titulierte der TSV Hartberg die Reise nach Wien als „Finalspiel“, da nur ein Sieg den Steirern weiterhalf, um in Schlagdistanz zu verbleiben und doch noch den Sprung in die Meistergruppe zu schaffen.
Das spielerische Element rückt in den Vordergrund
Nach dem überzeugenden Auftakterfolg in Altach, wo man dank einer aggressiven und spielerisch guten Leistung siegte, war man auf Seiten der Austria natürlich gespannt, ob man diese Leistung auch vor heimischen Publikum prolongieren konnte. Austria-Trainer Schmid vertraute auch der gleichen Mannschaft und Formation, hatte aber de facto auch keinen Grund, etwas zu verändern und man lief daher erneut mit einer 4-2-3-1 Systematik auf.
Wie schon in der Begegnung gegen Altach, traf man dabei auf ein Team, welches ebenfalls auf die gleiche Formation setzt. Anders als die Vorarlberger, sind die Hartberger jedoch wesentlich gefestigter in ihrem Auftreten und verstehen es, den Ball äußerst gut in den eigenen Reihen laufen zu lassen. Die Steirer sind keine Mannschaft, die sich versteckt und sie wählen einen durchaus aktiven Ansatz im Spiel mit und gegen den Ball.
Das war in den Anfangsminuten dieser Begegnung auch prompt zu sehen, wo die Gäste recht gut in die Begegnung fanden. Mit dem Ball versuchten die Hartberger es mit einem kontinuierlichen Spielaufbau, wo man versuchte, über die beiden Sechser das Spielgerät nach vorne zu tragen und den richtigen Moment im Übergangsspiel nach vorne zu finden. Hier suchte man speziell den weiträumig agierenden Heil und den nach innen ziehenden Flügelspieler Avdijaj im Zwischenlinienraum, die freigespielt werden und den Ball anschließend nach vorne treiben sollten. Dadurch hatte man in der Anfangsphase auch etwas mehr Ballbesitz und fand sich in einem guten Rhythmus wieder. Auch gegen den Ball wollten die Hartberger aktiv agieren und setzen hier auf situatives Angriffspressing.
Zunächst verteidigte man aus einem 4-4-2 heraus, wo die beiden vordersten Spitzen etwas enger und leicht versetzt zueinanderstanden, um Pässe zwischen ihnen hindurch zu verhindern und den gegnerischen Sechser Martel vom Spielaufbau abzuschneiden. Man wollte die Austria dadurch auf die Flügel leiten, um dann im passenden Moment ins Pressing zu starten. Wenn man dann ins Pressing ging, rückten die Mittelfeldspieler nach und wurden die Wiener in Manndeckung genommen, um sie in direkte Zweikämpfe zu verwickeln. Das wurde beinahe in den ersten Minuten auch belohnt, als man Sechser Martel gut unter Druck setze und einen hohen Ballgewinn an der Strafraumgrenze erzwang, die Austria jedoch in höchster Not die Situation gerade noch bereinigen konnte. Aber in diesen Szenen zeigten die Steirer, dass sie durchaus in der Lage waren der Austria wehzutun und sich nicht verstecken zu wollen.
Spielerisch starkes violettes Dreieck
Die Violetten brauchten einige Minuten, um sich auf die Gegebenheiten anzupassen und die richtigen Mittel gegen die aggressiven Hartberger zu finden. Zunächst einmal galt der Fokus darauf, das Ballbesitzspiel der Steirer einzudämmen und nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Hier legten die Austrianer ihr Augenmerk auf den Sechserraum des Gegners, welchen man attackieren wollte. Vor den beiden eher aufbauschwachen Innenverteidiger hatte man wenig Sorgen, weshalb man diese oftmals auch zunächst in Ruhe ließ, da diese meist nur Sicherheitspässe spielten. So konnten die Hartberger auch zu gewissen Ballbesitzzeiten kommen, indem sie unter Einbeziehung von Torhüter Swete den Ball hinten herumspielen konnten. Sofern dann jedoch der Pass auf einen Sechser kam, war dies der Pressingauslöser für die violetten Gastgeber.
In dem Fall formierten sich die Austrianer gegen den Ball von einem 4-2-3-1 zu einem 4-1-4-1, damit die beiden „Achter“ Grünwald und Braunöder die beiden gegnerischen Sechser von hinten unter Druck setzen konnten. So war es von Anfang an ein übliches Bild, dass ein Sechser der Steirer angespielt wurde, jedoch sofort im Rücken einen Gegenspieler hatte, nicht aufdrehen konnte und zurückspielen musste.
Damit verhinderte die Austria oftmals ein Bespielen des Zentrums und Hartberg musste zurück oder in die Breite spielen, wodurch das Übergangsspiel nicht in Fahrt kam und man sich schwertat, in die gegnerische Hälfte zu kommen. Das Pressing der „Veilchen“ war sehr energisch und die meiste Zeit gut organisiert, wodurch es den Gästen auch nicht leichtgemacht wurde sich daraus zu befreien, wozu sie definitiv in der Lage sind.
Der erste Schritt für die Austria war damit gemacht, allerdings musste man für einen dominanten Auftritt natürlich auch mit dem Ball Akzente setzen und Lösungen finden. Und auch hier stellten sich die Gastgeber schnell auf die Begebenheiten ein und fanden Ansätze vor, wie man die Hartberger knacken konnte. Nach gut zehn Minuten fing man an, Torhüter Pentz noch aktiver in den Spielaufbau miteinzubeziehen und so eine noch klarere Überzahl gegen die beiden Stürmer des Gegners herzustellen. Das ging dann sogar soweit, dass Pentz teilweise 30 Meter vor dem eigenen Tor stand und damit eine „Raute“ mit den beiden Innenverteidigern und Sechser Martel bildete, wie man dies im nächsten Bild gut erkennen kann:
Die Austria im Spielaufbau, Mithilfe des spielstarken Torhüters Pentz, bildet man eine Raute (gelbe Markierung) und schafft damit eine klare Überzahl gegen die beiden Stürmer. Die Hartberger müssen sich zusammenziehen, um den Passweg zum Sechser zu verschließen. Dadurch bekommt aber der rechte Innenverteidiger Mühl mehr Raum und kann den Ball nach vorne ins Mittelfeld führen.
Was wie ein kleiner taktischer Kniff aussieht, hat große Auswirkungen auf die Zuordnung des Gegners. In der dargestellten Szene stellt sich dann für den linken Mittelfeldspieler der Hartberger Avdijaj (rechter unterer Bildrand) die Frage: Attackiere ich den Innenverteidiger und verlasse meine Position? Oder verbleibe ich in meiner Position und achte auf den Rechtsverteidiger, wodurch der Innenverteidiger aber ungestört nach vorne dribbeln/passen kann?
Indem man diese Zuordnungsprobleme in einer Defensive kreiert, schafft man es auch diese zu destabilisieren, um Räume und Möglichkeiten zu schaffen. Das gelang der Austria relativ rasch in diesem Spiel äußerst erfolgreich und sorgte dafür, dass man ein gut funktionierendes Übergangsspiel aus dem Spielaufbau heraus initiierte und so relativ einfach in die gegnerische Hälfte eindrang.
Aufbauend auf diese Vorgehensweise im Spielaufbau, gab es dann auch noch einen weiteren strategischen Kniff, mit dem man die Defensive des Gegners knacken wollte, um dann ins letzte Drittel und letztlich vor das gegnerische Tor zu kommen. Man baute nämlich auf der rechten Seite ein klares „Dreieck“ auf und versuchte hier, diese Zone zu überladen und Überzahlsituationen zu kreieren. Dieses Dreieck bestand aus Rechtsverteidiger Martins und den beiden Mittelfeldspieler Braunöder und Jukic, die miteinander agieren sollten.
Dabei wich speziell Braunöder immer wieder aus dem Zentrum auf den Flügel hinaus und versuchte, einerseits die offenen Räume zu attackieren, andererseits aber seine Gegenspieler aus der Mitte hinauszuziehen, um Lücken in der Mitte für seine Mitspieler zu schaffen. Diese strategische Vorgehensweise kann man auf dem nächsten Bild gut erkennen:
Rechtsverteidiger Martins spielt den von innen nach außen laufenden Braunöder frei, der einen gegnerischen Sechser dadurch aus seiner Position hinauszieht und eine Lücke im Zentrum entstehen lässt. Braunöder spielt dann Jukic an und dieser kann sich in dieses freigewordene Zentrum aufdrehen und den eingerückten Fischer freispielen, der dann an der Strafraumgrenze zu einer guten Abschlussposition kommt.
Es hatte also alles Hand und Fuß, was sich die Austria vornahm und dadurch erlangten die Gastgeber auch recht schnell die Kontrolle über das Spiel. Gegen den Ball konnte man das Ballbesitzspiel der Gäste gut eindämmen und agierte im Pressing sehr aggressiv, wodurch es für die Steirer mühsam war, saubere Lösungen nach vorne zu finden. Mit dem Ball konnte man immer wieder – unter Einbeziehung von Torhüter Pentz – das Anlaufverhalten der Gäste aushebeln und relativ mühelos in die gegnerische Hälfte eindringen.
So dauerte es auch nicht lange, bis man in Führung ging. Nach einem Ballgewinn in der eigenen Hälfte, ging es schnell und direkt in die gegnerische Hälfte, wo Braunöder den freistehenden Jukic bediente und dieser mit einem Traumtor das 1:0 für seine Mannschaft besorgte.
Das beflügelte die Austrianer natürlich noch zusätzlich und sorgte für eine klare Überlegenheit der Gastgeber. Egal ob die Hartberger pressten oder sich fallen ließen, die Violetten fanden Lösungen dagegen und zeigten sich auf alle Eventualitäten vorbereitet, wodurch kaum Hektik aufkam, sondern man äußerst konzentriert und präzise agierte. Angeführt vom starken Mittelfeld um Braunöder, Jukic und Fischer, kam man so recht gut vor das gegnerische Tor und zu weiteren guten Chancen, um die Führung weiter auszubauen. Es blieb jedoch zunächst nur beim 1:0.
Hartberger Wechsel bringen nur wenig Entlastung
Nach dem Wiederanpfiff, versuchte Hartberg-Trainer Russ mit einem Doppelwechsel das Spiel seiner Mannschaft zu beleben und Lösungen für die Dominanz der Violetten zu finden. Man versuchte nun schneller über die Flügel zu spielen und speziell Avdijaj besser in Szene zu bringen, damit dieser seine Kreativität ausspielen konnte. Die Austria auf der anderen Seite ließ jedoch nicht locker und presste nach wie vor sehr aggressiv, wodurch sich am Spielgeschehen auch recht wenig änderte.
Wenige Minuten nach dem Wiederanpfiff, hätte es bereits einen klaren Strafstoß für die Violetten geben müssen, jedoch versagte hier sowohl der Schiedsrichter, als auch der VAR. Die Gastgeber ließen sich davon jedoch nicht beirren und so war es Mittelfeldspieler Fischer, der nach 55. Minuten nach einem schönen Angriff auf 2:0 stellte. Auch danach spielten die Austrianer weiter auf das Tor und fanden noch gute Möglichkeiten auf das dritte Tor, welche man nicht nutzen konnte.
Mit Fortdauer des Spiels zogen sich die Wiener dann etwas zurück und lauerten vermehrt auf Konter. Das lag natürlich auch daran, dass die Steirer alles nach vorne warfen und sehr offensiv wechselten. Gefährlich wurde es jedoch nur selten und den Steirern fehlte die Präsenz im letzten Drittel, weshalb man auch nur einen einzigen Schuss auf das Tor des Gegners zusammenbrachte.
Die Defensive der Austria agierte sehr aufmerksam und am starken Innenverteidiger-Duo der Violetten gab es kaum ein Vorbeikommen, weshalb man auch nicht mehr in das Spiel zurückfand. Die „Veilchen“ hatten noch einige Konterchancen, nutzen diese jedoch nicht, wodurch es beim 2:0 Erfolg letztlich blieb.
Fazit
Es war ein beeindruckender Auftritt der Austria, die auch im zweiten Spiel bewies, dass sie in der Vorbereitung einen weiteren Entwicklungsschritt in die richtige Richtung setzen konnte. Es war rundum eine geschlossene Mannschaftsleistung, in der jeder Akteur einen Anteil daran hatte und man in jeder Phase des Spiels die Kontrolle innehatte.
Gegen den Ball setze man mit dem situativen Pressing immer wieder den Gegner unter Druck und war sich für keinen Meter zu schade, wobei man als Block gut harmonierte und dank der Kompaktheit, kaum Möglichkeiten des Gegners zuließ. Mit dem Ball zeigte man sich kreativ und gut auf den Gegner vorbereitet, war vor allem die Mittelfeldachse um Braunöder und Jukic überragend und sorgte dafür, dass man den Saisonhöchstwert an Schüssen in dieser Partie ablieferte.
Dank dieses Erfolgs fehlt den Austrianern quasi nur noch ein Sieg, um den Einzug in die Meistergruppe zu fixieren und wenn man an die Leistungen anknüpfen kann, wird man auch dort eine gute Figur machen und für jeden Gegner unangenehm sein.
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Dalibor Babic
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