Am 13. Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es in der Bundeshauptstadt zu einem ungleichen Duell. Die Wiener Austria ging dabei als klarer Favorit in dieses Spiel und erwartete eine Pflichtaufgabe, nachdem man zuletzt vier Siege in Serie einfahren konnte und dabei unter anderem bei Tabellenführer Sturm gewann. Ganz anders dagegen die Lage in Lustenau, wo man im Tabellenkeller seit Wochen festsitzt und in dieser Ligasaison überhaupt noch sieglos geblieben ist. Was als klare Sache im Vorfeld eingeschätzt wurde, sollte am Ende denkbar knapp ausgehen.
Lustenau kommt mit einem „Abwehrblock“ nach Wien
Für die Wiener stand dabei das dritte Spiel in sechs Tagen auf dem Programm, nachdem man unter der Woche noch den Tabellenvierten Klagenfurt mit einem knappen 1:0 Sieg aus dem Bewerb beförderte. Damit sind die Violetten bereits seit über 600 Minuten ohne Gegentreffer geblieben und können sich auf ihre stabile Defensive verlassen. Wer hätte sich das vor einem Monat gedacht? Hier sieht man wieder einmal die Schnelllebigkeit des Fußballs und wie unberechenbar er sein kann. Doch in diesem Spiel sollten von den Austrianern ganz andere Tugend gefragt sein, traf man doch auf einen Gegner, der mit dem Rücken zur Wand stand und nach zwei 0:4-Niederlagen in Serie alles daran setzten wollte, kein Gegentor zu erhalten. Und dementsprechend destruktiv sah dann auch der Matchplan der Gäste aus.
Anders als in den letzten Wochen, verzichtete man in diesem Spiel auf die Viererkette und stellte das System von einem 4-2-3-1, auf ein 5-4-1 um. Damit rückte ein Innenverteidiger, für einen Offensivspieler in die Mannschaft, was die Marschrichtung für dieses Spiel bereits anteasern sollte. Von Anfang an bestätigte sich dies auch auf dem Feld und die Vorarlberger zogen sich in die eigene Hälfte zurück, bauten zwei engstehende Ketten auf, die die Austrianer in Empfang nehmen sollten. Hier lautete die Devise – die Räume so eng wie möglich zu halten und speziell das Zentrum zu verdichten. Daher ließ man den Spielaufbau der Gastgeber auch völlig in Ruhe und fokussierte sich stattdessen darauf, die Anspielstationen nach vorne zuzustellen und vor allem den Zwischenlinienraum zu verdichten. Wie engmaschig und tief sich die Vorarlberger positionierten, kann man beim nächsten Bild gut erkennen:
Die Austria im Ballbesitz, Halbverteidiger Galvao dribbelt an und wird von zwei tiefstehenden Ketten empfangen, die ein 5-4 bilden und maximal kompakt agieren (der Rechtsverteidiger der Gäste ist im linkeren Bildrand zu verorten).
Dabei wirkte die Organisation der Lustenau überlegt und war es offensichtlich, wo der Schwerpunkt in den letzten Trainingstagen lag. Die Strategie der Gäste sah es hier speziell vor, die beiden Flügelverteidiger der Violetten in Manndeckung zu nehmen und für einen klaren Zugriff zu sorgen. So bildete man im Endeffekt zwei engmaschige Viererketten im Zentrum, während der ballnahe Flügelverteidiger der Gastgeber gesondert in Manndeckung genommen wurde. Sobald der Ball dann auf die Flügelzone gespielt wurde, schob man zum Spielgerät hin und versammelte in Ballnähe oftmals drei bis vier Verteidiger, die den Raum verengten. Hier definierte man also quasi eine Pressingzone, wo man die „Veilchen“ aggressiver unter Druck setzen wollte.
Damit sollte klarerweise verhindert werden, dass die violetten Austrianer sich über die Außenbahnen kombinieren konnten und Durchbrüche kreierten. Ein vielschichtiger Plan also und durchaus gewagt, bedeutete dass nämlich im Umkehrschluss, dass durch den tiefstehenden Mannschaftblock es schwierig war, zu Umschaltsituationen zu kommen, da der Weg nach vorne ein langer war.
Austrias Probleme mit der Tiefe und dem engen Raum
Für die Wiener war auf der anderen Seite klar, dass man aufgrund des tiefstehenden Gegners, spielerische Lösungen forcieren muss und vor allem Kreativität gefragt sein wird. Hier gab es vor dem Spiel schon eine Hiobsbotschaft zu verkraften. Spielmacher Fitz wurde nicht rechtzeitig gesund und verpasste damit auch das dritte Spiel in Serie. Das war schon gegen Klagenfurt problematisch und verhieß gegen einen noch destruktiveren Gegner nichts Gutes. Die Gastgeber startete allerdings ambitioniert und bauten das Spiel aus einem 3-4-3 System auf, wobei wie gewohnt als Schaltzentrale das starke Zentrum bestehend aus Jukic/Potzmann fungieren sollte. Die beiden Akteure bewegten sich zunächst etwas tiefer bzw. vor der Abwehr und sollten den Rhythmus diktieren, um über viele Ballkontakte gut ins Spiel hineinzufinden.
Hier lag der Schwerpunkt auf einer überlegten Ballzirkulation, denn man wollte über viele kurze, schnelle Pässe die Ketten des Gegners in Bewegung bringen und im richtigen Moment die Tempoverschärfung anstoßen. Im Prinzip ein strategisch guter Ansatz, gilt es doch gegen so tiefe Gegner, diese zunächst in Bewegung zu bringen, auf eine Seite zu locken und dann die schnelle Verlagerung in den freien Raum zu suchen. Dieses Muster war bei den Violetten auch immer wieder zu sehen, wo vor allem Ranftl mit einigen schönen Diagonalbällen den Zwischenlinienraum fand und seine Mitspieler im Zentrum, allen die Offensivspieler, bedienen konnte. Auch die beiden Halbverteidiger Handl und Galvao versuchten immer wieder Spielverlagerungen auf die ballferne Seite zu schlagen, um hier die Freiräume zu bespielen.
Austria-Trainer Wimmer machte sich also einige Gedanken vor dem Spiel und schickte seine Mannen auch mit einem entsprechenden Matchplan in diese Partie. Die Umsetzung wartete jedoch mit einigen Problemen auf. Hier gab es vor allem zwei Thematiken, die die Violetten im gesamten Spiel begleiten sollten. Die erste große Baustelle war die Nutzung und das Bespielen des Halbraums. Hier gab es auf beiden Seiten die Probleme, die das Spiel der Gastgeber erheblich lähmten. Auf der linken Seite tendierte Kapitän Fischer zwar recht stark ins Zentrum, war aber im Positionsspiel nicht wirklich sauber und wirkte bisweilen etwas verloren, weshalb er lange nach der Bindung ans Spielgeschehen suchte. Auf der anderen Seite war dies bei Gruber zwar nicht so drastisch der Fall, allerdings war es offensichtlich, dass sich der Angreifer auf engem Raum überhaupt nicht wohlfühlte und eher durch Ballverluste und technische Fehler auffiel, als durch gewinnbringende Aktionen.
Dadurch wurden die Angriffsbemühungen immer wieder durch Ballverluste unterbrochen und mussten oftmals von hinten neu gestartet werden. So entstand aber auch das Problem, dass die beiden Flügelverteidiger der Violetten recht isoliert wirkten, denn sobald sie an den Ball kamen, hatten sie schlicht keine wirkliche Anspielstation und mussten die Angriffe verschleppen. Besonders eklatant war dies auf der linken Seite, wo Guenouche zu oft von Fischer in Stich gelassen wurde und die beiden allgemein nicht wirklich miteinander harmonierten. Das zweite große Problem im Offensivspiel der Austria war der mangelnde Tiefgang der vordersten Spitzen.
Gegen tiefstehende Ketten ist es wichtig, die letzte Linie des Gegners mit Läufen in die Tiefe zu bedrohen, damit diese etwas zurückweichen muss und so Räume im Zwischenlinienraum entstehen können. Tut man das nicht, steht der Defensivverbund wie oben im Bild zu sehen und verbleibt einfach im Raum, da sich ja nichts im Rücken der Abwehr abspielt und man nichts zu befürchten hat. Da Fischer viel im Zentrum herumdriftete und generell eher ungeeignet für die drei Offensivpositionen ist, hätten hier Asllani und Gruber besser zusammenarbeiten müssen. Asllani zeigte zwar mit Abstand die größte Ballsicherheit auf engem Raum, attackierte aber dafür die Tiefe zu wenig, da er immer dem Ball entgegenkommen wollte.
Enttäuschend war hier aber vor allem das Verhalten von Gruber, zu dessen Stärken eigentlich der Tiefgang zählt. Doch sein Timing wirkte zumeist sehr „off“ und sein Raumgefühl war aufgrund der Menschenmenge sichtlich eingeschränkt. Auch Trainer Wimmer entging diese Tatsache nicht und er nahm nach 15-20 Minuten die ersten Anpassungen vor. Zunächst wurde der Aufbau von einem 3-2 auf ein 3-1 reduziert und Jukic eine Etappe nach vorne beordert, um aus einer höheren Position den Verbindungsspieler zu geben und den Halbräumen Unterstützung zu geben. Des Weiteren wurden die Angreifer zu mehr „Tiefenläufen“ aufgefordert, um Räume in der Offensive zu öffnen.
Die Maßnahme mit Jukic erwies sich als genau richtig und der Mittelfeldspieler wurde dadurch mehr und mehr zur prägenden Figur im Ballbesitzspiel. Immer wieder schob er die Angriffe aus der Etappe mit seiner Dynamik an und verteilte die Bälle klug an seine Mitspieler. Das Problem war jedoch, dass im letzten Drittel dann allgemein entweder die Sauberkeit auf engem Raum fehlte, oder das Überraschungsmoment. Wenn die Austria einen Spieler im Zwischenlinienraum freispielte, konnte sich dieser selten sauber aufdrehen und eine Folgeaktion initiieren. Hier hätte es jemanden gebraucht, der auch im engen Raum die Ruhe bewahrt und das Auge für den Mitspieler behält – wie es ein Dominik Fitz kann. Zumindest aber jemanden, der auch mal ins Dribbling geht und mit einer Aktion ein, zwei Gegenspieler aussteigen lässt, um Raum für die Mitspieler zu schaffen.
Das fehlte jedoch völlig, weshalb das Spiel der „Veilchen“ sehr statisch und ohne jegliche Dynamik wirkte. Der Ball wurde von einer Station zur nächsten gepasst, von links nach rechts, aber die Tempoverschärfung gab es selten und sobald es ins letzte Drittel ging, folgte meist der Ballverlust. So hatte man zwar 74 (!) Prozent Ballbesitz, konnte daraus jedoch wenig Kapital schlagen. Daher auch wenig verwunderlich, dass die Gastgeber sich kaum Torchancen erspielten und im ersten Durchgang nur durch zwei Distanzschüsse gefährlich wurden. Hier war sogar Lustenau näher am Torerfolg dran, als Anderson nach einer der wenigen Umschaltsituationen durchbrach und alleine vor dem Tor in einer strittigen Situation zu Fall kam. Das wäre natürlich der Super-GAU für die Violetten gewesen, wenn man hier in Rückstand geraten wäre. So ging es mit einem 0:0 in die Kabine.
Austria versucht zu adaptieren, scheitert aber am Grundproblem
Mit der ersten Halbzeit konnten die Wiener nicht wirklich zufrieden sein, denn zu selten konnte man die Gäste unter Druck setzen. Der Trainer der Violetten versuchte dann auch in der Halbzeit einige Anpassungen vorzunehmen, um seiner Mannschaft die Aufgabe zu erleichtern. Die größte Änderung war wohl jene, dass man die „Dreierkette“ hinten quasi auflöste. Innenverteidiger Handl wurde de facto auf die Position des Rechtsverteidigers geschoben und sollte auf dieser Seite Ranftl in den Angriffsbemühungen unterstützen. Hier wollte man scheinbar einerseits Überzahl schaffen und andererseits Gruber eine tornähere und freiere Positionierung ermöglichen, damit dieser mehr in Richtung zweiter Spitze agieren konnte. Diese Maßnahme kann man im nächsten Bild gut erkennen:
Die Austria im Spielaufbau, die „Dreierkette“ wird aufgelöst und Handl weiter nach vorne geschoben, um den „isolierten“ Ranftl zu unterstützen. In das entstandene Loch sollte ab und an „Sechser“ Potzmann kippen und dieses Auffüllen.
Das war ein vielversprechender Ansatz, der das Potenzial hatte, die gegnerische Zuordnung durcheinander zu bringen. Und in der ersten Angriffssequenz kam man dadurch auch prompt gefährlich ins letzte Drittel hinein, wo man aber erneut schlampig agierte und die Chance verstreichen ließ. Das sollte sich dann auch wie ein roter Faden durch die zweite Halbzeit ziehen. Immer wenn es gelang, in den Zwischenlinienraum zu gelang, passte jedoch entweder die Ballverarbeitung nicht, verloren die Spieler die Übersicht oder bekam es Lustenau verteidigt. Nahezu symptomatisch, dass es meist nur gefährlich wurde, wenn der aus der Etappe agierende Jukic seine Füße im Spiel hatte. Doch dieser konnte nicht gleichzeitig die Angriffe initiieren und diese dann selbst abschließen.
Gleichzeitig muss man natürlich auch konstatieren, dass Lustenau in der Defensive wohl mit Abstand das beste Saisonspiel machte und unheimlich diszipliniert verteidigte. Das Zentrum wurde gut verdichtet, die Flügel aggressiv attackiert, das Durchsichern und Verschieben zum Ball & Gegenspieler klappte vorbildlich und auch die Abwehrlinie schob immer wieder gut nach. Man stand dabei zwar tief, aber nie zu tief. Und noch dazu vollbrachte man es, keine Eigenfehler zu produzieren und die Gastgeber zum Tore schießen einzuladen. Eine Defensivorganisation nahezu aus dem Lehrbuch.
Austria-Trainer Wimmer reagierte auch recht schnell auf den ausbleibenden Effekt und wechselte nach 55. Minuten gleich dreifach. Für Polster, Fischer und Asllani kamen Polster, Braunöder und Vucic ins Spiel. Jedoch wechselte Wimmer hier nur positionsgetreu und hoffte wohl so, die Wende einzuleiten. Zwar kam speziell mit Braunöder etwas mehr Dynamik hinein, allerdings war dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Noch dazu übernahm Braunöder erstmals die „Fitz-Rolle“ auf einer offensiveren Position und hatte hier und da auch seine Probleme auf engem Raum, wenn auch nicht so gravierend wie es zuvor bei Fischer der Fall war. Hier hätte es wohl mehr Sinn gemacht, Braunöder auf die rechte (Halb)Spur wechseln zu lassen, wo er sich am wohlsten fühlt und stattdessen Gruber nach links zu ziehen. Oder gleich auf eine physische Doppelspitze zu setzen und die Brechstange auszupacken.
Das tat man erst in der 77. Minute und vergeudete dadurch knappe 20 Minuten im Spiel, denn bis zu dem Zeitpunkt passierte nämlich fast gar nichts und plätscherte die Partie so vor sich hin. Erst in den letzten Minuten nahm das Spiel wieder etwas Fahrt auf, da nach und nach die Kräfte der Gäste schwanden. Die beste Möglichkeit fand erneut Jukic vor, der nach einer technisch hochwertigen Aktion den Ball nur haarscharf am langen Eck vorbeisetzte. Dennoch entwickelte sich auch dadurch weiterhin keine richtige Druckphase, weshalb man nicht das Gefühl hatte, die Austria könne dieses Spiel noch gewinnen – außer durch einen Lucky-Punch. Und dieser kam dann tatsächlich auch noch, als dass nach Eckbällen schwächste Team der Liga, durch den eingewechselten Schmidt das umjubelte 1:0 erzielte und damit den Sieg holte.
Fazit
Es war bei weitem kein spielerischer Leckerbissen und für neutrale Zuschauer wohl äußerst schlimm anzusehen, doch letztlich setzte sich die Wiener Austria knapp aber doch mit 1:0 durch. Dabei zerschellte man eigentlich über die gesamte Spieldauer am hervorragend eingestellten Abwehrblock der Lustenauer, die leidenschaftlich verteidigten und offensichtlich für ihren Trainer um jeden Zentimeter kämpften. Dadurch war die Aufgabe alles andere als einfach und auch besser besetzte Teams hätten wohl so ihre Probleme gehabt, diesen Abwehrriegel zu knacken. Daher können die Vorarlberger auch einem leidtun und fühlt man mit dem Tabellenletzten mit, dass man nach so einer Vorstellung und obwohl man fast nichts zuließ, dennoch verlor.
Auf der anderen Seite wurden einige Probleme der Wiener deutlich sichtbar, speziell was die Offensive betrifft. Hier ist man auch von der individuellen Qualität zu sehr von Spielmacher Fitz abhängig und fällt dieser aus, sieht es gegen destruktive und gut verteidigende Gegner ziemlich düster aus. Hier wird man in nächster Zeit definitiv daran arbeiten müssen und auch perspektivisch im Transferfenster reagieren müssen, um solche Spielertypen zu finden, die sich in engen Räumen wohlfühlen. Dass man dieses Spiel dennoch gewann, spricht für den Lauf und die breite Brust, die man aktuell hat. Obwohl man nicht den besten Tag erwischte, gab man die Hoffnung nie auf und rannte unaufhörlich an, weshalb man auch spät belohnt wurde und einen enorm wichtigen Sieg feierte.
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Dalibor Babic
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