Am zehnten Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es in Wien-Favoriten zu einem echten Schlagerspiel zwischen dem FK Austria Wien und dem SK Sturm Graz. Dabei ging es für beide Teams darum, nach der Länderspielpause einen guten Auftakt in die kommenden intensiven Wochen hinzulegen, um schnell in den Rhythmus zu finden. Beide Mannschaften gingen auch mit einer guten Serie in Spiel hinein, blieb Sturm zuletzt vier Spiele, die Austria sogar sechs Partien ungeschlagen. Es war also alles angerichtet für ein spannendes Spiel zweier formstarker Teams und die Zuseher sollten auch nicht enttäuscht werden.
Violette Baustelle auf der Position des linken Außenverteidigers
Beide Teams mussten trotz der zweiwöchigen Pause einige Ausfälle verkraften. Bei Sturm fehlten die angeschlagenen Jantscher und Emegha, während es die Austria noch etwas schlimmer traf und vor allem der letzte verblieben Linksverteidiger Martins verletzt vom Nationalteam zurückkehrte, aber auch die beiden Innenverteidiger Handl und Koumetio ausfielen.
Damit hatte man keinen nominellen Verteidiger mehr als Alternative zur Verfügung und es musste der junge Kreiker auf dieser Position ran, der seit dem Sommer aufgrund der personellen Notlage zum Linksverteidiger umgeschult wird. Es gibt jedoch sicherlich einfachere Aufgaben, als gegen den starken Vizemeister vor ausverkauften Haus sein Startelfdebüt zu geben. Ansonsten liefen die Violetten im gewohnten 4-2-3-1/4-3-3 auf und versuchten ihr Spiel durchzuziehen.
Bei den Grazern gab es strukturell ebenfalls keine Überraschungen und man trat mit dem bekannten 4-Raute-2 System an. Auch den Gästen sind die defensiven Probleme der Wiener nicht entgangen und dementsprechend wollte man Kapital aus dieser misslichen Lage schlagen. Das war auch von Beginn weg zu sehen, wo man sehr aggressiv ins Spiel hineinging und die Austria sehr hoch attackierte. Die erste Pressinglinie baute eine 2-1 Staffelung mit den beiden Stürmern und dem „Zehner“ dahinter auf, womit man die beiden Innenverteidiger und den „Sechser“ der Violetten manndeckte.
Dadurch stellte man sicher, dass die Gastgeber nur über die Flügelpositionen das Spiel aufbauen konnten und damit ein längerer Weg zum Tor gegeben war. Sofern die violetten Außenverteidiger den Ball bekamen, rückte ein „Achter“ aus der Mittelfeld-Raute der Grazer nach außen und attackierte den Ballführenden, um ein Vorwärtskommen zu blockieren. Mit diesem Mechanismus können die Steirer viele Mannschaften in der Liga vor Probleme stellen und eine schwer zu bespielende Struktur aufbauen. Das bekamen auch die Austrianer zu spüren, die sich in den ersten Minuten schwertaten, spielerische Lösungen aus dem Aufbau heraus zu kreieren.
Beide Teams bohren die Schwachstellen an
Immer wieder gab es Ballverluste der Gastgeber im Übergangsspiel nach vorne und speziell Linksverteidiger Kreiker war die Nervosität zu Beginn anzusehen, weshalb er sehr hektisch in seinen Aktionen agierte. So kam Sturm im Mittelfeld immer wieder zu guten Ballgewinnen und hatte einen klaren Plan, wie man im Anschluss die Wiener knacken wollte. Speziell die Schnittstelle auf links zwischen Galvao und Kreiker wurde immer wieder angebohrt und sobald ein Mittelfeldspieler der Grazer mit dem Gesicht zum Tor aufdrehen konnte, startete zumindest einer der beiden Stürmer in die Tiefe und attackierte diese Schnittstelle.
Häufig wurden hier Chipbälle hinter die hochstehende Abwehr der Gastgeber gespielt und man kam so relativ einfach hinter die Abwehr und zu guten Möglichkeiten. Die erste fand Neuzugang Ajeti bereits nach wenigen Minuten vor, als er nach einem solchen Chipball in die Schnittstelle, aus spitzen Winkel abzog und Torhüter Früchtl zu einer Parade zwang.
Doch nicht nur nach diesem Muster kamen die Grazer gefährlich ins letzte Drittel hinein. Man spielte sich auch immer wieder gut in den Zwischenlinienraum der Austria hinein, wo meist ein Stürmer die beiden Verteidiger band und dessen Partner derweil mit dem „Zehner“ sich in die Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld fallenließ. So gelang es Sturm in einigen Situationen mit Tempo und dem Gesicht zum Tor die Abwehr des Gegners zu attackieren und Gefahr zu erzeugen.
Die Austria brauchte gut zehn Minuten, um ins Spiel zu finden und präsenter zu werden. Selbst hatte man sich ebenfalls einiges vorgenommen und wollte den eigenen Part in der angekündigten „Pressingschlacht“ beisteuern. Dazu wurde ebenfalls der Spielaufbau der Grazer sofort zugestellt und attackierte man aus einem 4-3-3 heraus, um Zugriff auf die Aufbaulinie der Gäste zu bekommen, die ja gerne den spielstarken Torhüter Siebendhandl in die Spieleröffnung einbindet.
Das gelang den Violetten auch recht gut und die Gäste konnten sich ihrerseits auch selten sauber aus dem Pressing der Austrianer befreien. So kam recht schnell eine hohe Intensität in dem Spiel auf und der Ballbesitz wechselte hin und her, weshalb es auch in den Zweikämpfen ordentlich zur Sache ging.
Die Wiener kamen ebenfalls zur ersten guten Möglichkeit, als eine tolle Hereingabe von Jukic zu Braunöder kam und dessen Schuss in höchster Not abgeblockt wurde. Fast im Gegenzug fiel dann aber die nicht unverdiente Führung der Gäste. Nach einer schönen Kombination kam der Ball durch die Schnittstelle zum starken Ajeti, der vor dem Tor die Ruhe bewahrte und zum 1:0 vollendete. Ein toller Spielzug von Sturm, der in der Form nur schwer zu verteidigen war. Kurz danach hatte Sturm noch die Chance auf das 2:0, als Affengruber nach einem Eckball knapp am Tor vorbeiköpfte. Doch beeindruckt war die Austria von der Führung der Gäste nicht wirklich, im Gegenteil. Man zog die nächsten Minuten ein richtiges Powerplay auf.
Austria knackt mit Flügelspiel starke Sturm-Abwehr
Den Grundstein dafür legte man im starken Flügelspiel, mit dem man die Gäste immer wieder anbohrte. Durch das breitgefächerte 4-3-3 baute die Austria auf beiden Seiten konstant Dreiecke auf und speziell auf der rechten Seite attackierten und rochierten Ranftl, Braunöder und Gruber miteinander, wodurch sich die Austrianer immer wieder freispielen konnten.
Besonders gefährlich wurde es dabei, wenn es gelang, die Steirer auf eine Seite anzulocken, um dann eine schnelle Spielverlagerung auf die ballfernen und breitstehenden Flügelstürmer zu spielen, die dann mit den hinterlaufenden Außenverteidiger Überzahl kreierten und in weiterer Folge auch zur Grundlinie durchbrachen, um dann Flanken in den Strafraum zu schlagen.
Nach einem ähnlichen Muster kamen die „Veilchen“ dann auch zur ersten Topchance der Partie, als Fitz eine tolle Spielverlagerung auf Gruber spielte, dieser mit einem schönen Volleyschuss Torhüter Siebenhandl zur Parade zwang und den Abpraller Huskovic am leerstehenden Tor vorbeischoss. In dieser Tonart ging es dann auch weiter, als nach einem Ballgewinn im Mittelfeld, Jukic seinen Stürmer Huskovic auf die Reise schickte und dieser erneut alleine vor dem Tor die Nerven wegschmiss und an Siebenhandl scheiterte.
Doch das sollte nicht die letzte Situation gewesen sein, denn nur wenige Augenblicke später, flankte Gruber perfekt auf die zweite Stange, wo Huskovic aus vier Metern nur noch einköpfen hätte müssen, jedoch stattdessen ideal auf Fitz querlegte, der allerdings an Siebenhandl scheiterte. Drei absolute Hochkaräter in nur wenigen Minuten und kein Tor, kaum zu glauben aus Sicht der Austria.
Doch auch Sturm klopfte weiterhin immer wieder gefährlich in der gegnerischen Hälfte an und so blieb es den gesamten ersten Durchgang über eine rassige und taktisch hochinteressante Partie, die vieles zu bieten hatte. So hätte es zur Pause auch 2:2 stehen können, wenn beide Teams ihre Chancen genutzt hätten. So gingen der SK Sturm mit einer knappen 1:0 Führung in die Kabine.
Sturm bringt Partie unter Kontrolle und zieht Austria den Zahn
Nach dem Wiederanpfiff hatte Sturm und Trainer Ilzer sichtlich kein Interesse mehr an einer wilden Partie, wie es im ersten Durchgang noch der Fall war. Die Gäste versuchten nun sich noch besser auf das Flügelspiel der Austria anzupassen und speziell die rechte Seite aggressiver zu attackieren, während man die linke Abwehrseite etwas offener ließ.
Das passierte aus einem Kalkül heraus, da Debütant Kreiker hier sehr vorsichtig agierte und kaum gewillt war Risiken einzugehen. So blieb dann dennoch genügend Zeit, um mit dem Block nach links zu schieben und Zugriff herzustellen. Sturm war nun aber auch in der komfortablen Lage, die violetten Gastgeber kommen lassen zu können und auf das eigene schnelle Umschaltspiel zu setzen. Man versuchte zunehmend das Tempo aus dem Spiel zu nehmen und Kontrolle über das Spiel gegen den Ball und die defensive Stabilität zu erlangen. Es war aber nicht so, dass man sich zurückzog, sondern im Gegenteil, der Gegner wurde weiterhin vorne angelaufen.
So mussten sich die Austrianer weiterhin mühsam nach vorne arbeiten und Lösungen gegen die kompakten Gäste finden. Das gelang immer seltener, da man sich kaum im Mittelfeld sauber lösen konnte um in weiterer Folge die Tiefe zu attackieren und Tempo aufzubauen. Stattdessen zirkulierte der Ball fiel herum von einer Station zur nächsten und hatte man 60 Prozent Ballbesitz, dabei allerdings kaum Raumgewinn und je näher es in Richtung gegnerisches Tor ging, desto höher wurde nun auch die Fehlerquote.
Und genau in diesem schwierigen Moment, erzielten die Grazer mit der ersten gefährlichen Situation im zweiten Durchgang das 2:0, als zunächst Horvat an Früchtl scheiterte und die anschließende Flanke Früchtl schlecht einschätze und auf der Linie stehen blieb, weshalb Stürmer Böving die Führung ausbauen konnte.
Austria-Trainer Schmid versuchte dann mit einer Systemumstellung auf eine Dreier/Fünferkette nochmal das Spiel zu beleben, scheiterte jedoch damit, da die Grazer zu gefestigt waren und man selber wenig Ideen kreierte, wie man den starken Abwehrblock knacken könnte. So gab die Austria nur einen einzigen (!) Schuss im zweiten Durchgang ab, was durchaus Bände spricht. Auf der anderen Seite kam Sturm zu einigen Umschaltsituationen und war dem 3:0 deutlich näher, welches man dann auch kurz vor Schluss dann noch erzielte und damit den Endstand besorgte.
Fazit
Speziell im ersten Durchgang war es für die Zuseher ein tolles Spiel zweier Mannschaften, die mit offenen Visier auftraten und mit ihren Qualitäten den jeweils anderen vor Schwierigkeiten stellten. Sturm bohrte immer wieder die Schnittstellen der violetten Abwehrkette gekonnt an und speziell der präsente Ajeti sorgte hier für viel Betrieb und war mit seiner Physis nur schwer zu stoppen.
Die Austrianer auf der anderen Seite zeigten ihre spielerische Stärke mittels eines starken Flügel- und Dreiecksspiel, womit man immer wieder kombinative Lösungen fand und gefährlich ins letzte Drittel kam. Hier zeigte sich die Wiener aber im Gegensatz zu Sturm nicht kaltschnäuzig genug, denn zumindest eine der drei Hochkaräter die man bekam, hätte man in dieser Phase nutzen müssen. Das hätte dem eigenen Spiel sicherlich nochmal einen Auftrieb gegeben und die eigenen Fans stimmungstechnisch mitgenommen.
In der zweiten Hälfte war Sturm dann nicht mehr bereit, sich auf diesen wilden Kampf einzulassen und nahm Tempo aus dem Spiel heraus und setzte auf Kontrolle, wodurch es für die Austria immer schwerer wurde, Lösungen gegen die gut organisierte Defensive der Grazer zu finden. Dementsprechend wenige Chancen gab es dann auch und mit dem 2:0 flachte das Spiel dann endgültig ab und schien es so, als wäre die Luft draußen und auch der Glaube der Austria auf einen Lucky-Punch nicht mehr da. So spielte es Sturm letztlich souverän runter und fuhr verdientermaßen die drei Punkte ein, womit man Punkte auf Salzburg und den LASK gutmachen konnte. Beide Teams müssen das Spiel allerdings schnell abhaken, warten doch am Donnerstag international ja schwere Aufgaben auf die Traditionsvereine.
Dalibor Babic, abseits.at
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