Analyse: Austria verliert erneut gegen Angstgegner WSG Tirol
Bundesliga 29.Oktober.2019 Dalibor Babic
Am zwölften Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing die Wiener Austria die WSG Tirol zum Duell um die drei Punkte. Dabei ging es für die beiden Teams darum, den Anschluss an die Meistergruppe nicht zu verlieren und auf Tuchfühlung zu bleiben. Die Austria war dabei unter Zugzwang, nachdem man gegen den zuletzt gegen den Tabellenletzten St. Pölten nicht über ein 2:2-Unentschieden hinauskam. Allerdings kam mit der WSG Tirol ein regelrechter Angstgegner an den Verteilerkreis, denn in den bisherigen beiden Duellen in dieser Saison gingen die Violetten jeweils sang- und klanglos gegen den Aufsteiger unter.
Austria legt Horrorstart hin
Nachdem die Austria in St. Pölten nur ein Unentschieden holte, kehrte aufgrund des Ergebnisses mal wieder Ernüchterung in Wien-Favoriten ein. Daher waren die Veilchen nun noch mehr gefordert, einen Sieg zu holen und an der Spitzengruppe dranzubleiben. Austria-Trainer Ilzer entschied sich trotz des unbefriedigenden Ergebnisses an der Mannschaft nichts zu verändern und die gleiche Formation auf das Feld zu schicken. Das ist für die Wiener an sich bereits etwas Ungewöhnliches, konnte man bislang kaum einmal zwei Wochen hintereinander mit der gleichen Mannschaft auflaufen. So blieb es bei der zuletzt bevorzugten 5-3-2/3-3-3-2 Formation und man lief erneut mit einer flexiblen Dreier/Fünferkette auf, womit man auf Kontinuität setzen wollte.
Doch bevor es überhaupt etwas über Systeme und Matchpläne zu analysieren gab, lag die Austria bereits mit 0:2 in Rückstand. Was war passiert? Nach wenigen Minuten bekam die WSG einen Eckball zugesprochen. Diesen spielten die Tiroler kurz ab, kein Austrianer fühlte sich für Flankengeber Pranter zuständig und Jeggo lenkte den Ball unglücklich ins eigene Tor ab. Bereits beim nächsten Angriff klingelte es erneut im Tor der Austria. Ein langer Ball brachte die Abwehr der Gastgeber durcheinander und erneut führte eine nicht verhinderte Flanke zu einer Großchance, die sich Pranter im zweiten Anlauf nicht entgehen ließ und so zum 2:0 traf.
Dadurch stand die Austria vollkommen unter Schock und von den Rängen hagelte es Unmutsbekundungen und Pfiffe, was den Spieler noch zusätzlich zusetzte. Daher brauchten die violetten Gastgeber auch einige Zeit, um ins Spiel zu finden. Die WSG dagegen feierte einen Start nach Maß und konnte nun ihrerseits den Gegner kommen lassen. Die Tiroler nahmen nach zuletzt schwachen Ergebnissen eine gravierende Änderung vor und kehrten vom 5-3-2 System ab. Stattdessen setzte man gegen die Austria auf ein 4-2-3-1 System und verstärkte damit das Mittelfeld, um in dieser Region Stabilität zu bekommen. Dabei spiegelte die WSG mit ihrer offensiven Viererreihe das Aufbauspiel der Austria, die ja mit drei Innenverteidigern und einem Sechser davor strukturell das Spiel aufbaut.
Zwischenlinienraum als Problemfall
Die Pressinglinie verlegte man dabei um die Mittelauflage herum, wobei der ballführende Gegenspieler im Aufbauspiel angelaufen und zugestellt wurde. Kurzzeitig wirkte das 4-2-3-1 der Gäste auch wie ein 4-2-4, da Mittelfeldspieler Rieder den gegnerischen Sechser Jeggo mannorientiert verfolgte. Es gab jedoch ein Problem bei dieser Vorgehensweise: Dadurch, dass die Außenbahnspieler der Tiroler auf die Halbverteidiger rausrückten, blieben die gegnerischen Flügelverteidiger offen. Die Gäste versuchten dies so aufzufangen, indem die Flügelspieler im Bogen die Halbverteidiger anliefen und versuchten, die Flügelverteidiger der Austria in den Deckungsschatten zu nehmen. Mit dem Einsatz des Deckungschatten, wollte man die Passwege auf die Flügelverteidiger verschließen und diese Option der Austria nehmen. Alternativ sah man auch, dass die eigenen Außenverteidiger nach vorne rückten und mutig nach vorne verteidigten, falls es die Situation ermöglichte.
Es gab jedoch noch eine weitere Schwierigkeit, welche diese Vorgehensweise mitbrachte. Für die beiden Sechser der Tiroler bedeutete dies viel Laufarbeit, da man nämlich nachschieben und zeitweise einen großen Zwischenlinienraum hinter dieser offensiven Viererreihe abdecken musste. Das führte letztlich dazu, dass die Austria nach der überstandenen Schockphase besser ins Spiel kam. Gemeinsam mit den zurückfallenden Turgeman oder Monschein, konnten Fitz und Grünwald im Verbund öfters Überzahl im Zentrum schaffen und sich so freilaufen, wodurch die ersten Verteidigungslinien der Gäste relativ einfach überspielt werden konnten. Aber auch die Außenverteidiger konnte man öfter anspielen und so den Ball in die gegnerische Hälfte transportieren. Dadurch konnte die Austria das Aufbauspiel besser in den Gang bringen und dies wirkte sich auch prompt auf die Ballbesitzzeiten aus, die auf über 60 Prozent anstiegen.
Darüber hinaus setzte die Austria auch ein Mittel ein, welches man bereits in der letzten Partie gegen den SKN zu sehen bekam. Achter Fitz kippte situativ auf die rechte Seite hinter Flügelverteidiger Klein ab, der stattdessen sehr weit nach vorne schob und seinen Gegenspieler nach hinten drückte. Mit diesem Stilmittel schuf man für Fitz Freiraum, der dadurch das Spiel in aller Ruhe nach vorne eröffnen sollte. Dadurch war nicht das Aufbauspiel das große Problem, sondern es gab andere Gründe, warum man nicht die große Gefahr entfachte. So verpuffte die kurze Druckphase der Austria relativ schnell, auch weil die WSG auf die Probleme reagierte.
Die beiden Sechser der Tiroler wurden angewiesen, von nun an mannorientierter die beiden Achter der Austria Fitz und Grünwald zu verfolgen, damit diese im Übergangsspiel nach vorne nicht mehr so einfach im Zwischenlinienraum angespielt werden konnten. Diese Maßnahme fruchtete auch relativ schnell und so gab es für die Pässe von den aufbauenden Verteidigern der Austria kaum mehr Anspielstationen. Dadurch erhöhte sich die Fehlpassquote der Gastgeber merklich und die WSG kam zu mehr Balleroberungen, wodurch man nicht nur das Spiel in Punkto Ballbesitz ausgeglichener gestalten konnte, sondern auch im Konter gefährlich blieb. Die Violetten hatten ebenfalls große Probleme mit dem Zwischenlinienraum, da Mittelfeldspieler Rieder sich gut bewegte und oft von Jeggo absetzen konnte, wodurch er viel Raum vorfand.
Von der Austria bekam man ein ideenloses Spiel zu sehen und vor allem das Offensivspiel blieb nur Stückwerk. Immer wieder blieb man hängen und brachte keine Sauberkeit und Ruhe in die eigenen Aktionen hinein, weshalb Fehler um Fehler die Folge waren und man keine Durchschlagskraft entfaltete. So war das Spiel bis zum Halbzeitpfiff von vielen Zweikämpfen, Fouls und Fehlpässen geprägt. Die Austria wurde nur selten im letzten Drittel gefährlich und die beste Chance auf den Anschlusstreffer vergab Stürmer Turgeman quasi mit dem Halbzeitpfiff. So blieb es vorerst beim 0:2 aus Sicht der Wiener.
Austria findet zurück in die Spur
Nach dem Wiederanpfiff kam die Austria mit einem gänzlich anderen Gesicht aus der Kabine marschiert. Plötzlich spielte man mit wesentlich mehr Tempo nach vorne, traute sich mit dem Ball mehr zu und vor allem brachte man eine gänzlich andere Aggressivität in das Spiel hinein – sowohl mit, als auch gegen den Ball. Man rückte mit der gesamten Mannschaft in die gegnerische Hälfte auf und ging ein höheres Risiko ein in dem Wissen, dass man einen raschen Anschlusstreffer braucht. Dass man sich wieder mehr Spielanteile und Kontrolle über die Partie sicherte, lag auch am verbesserten Gegenpressing, denn nach Ballverlust setzte man sofort im Kollektiv nach und jagte die Gegenspieler regelrecht.
So war diese Spielanlage gewiss ein Ritt auf der Rasierklinge, da man dem Gegner viel Rückraum anbot. Die WSG kam dadurch zu einer guten Konterchance und Stürmer Dedic vergab freistehend die große Möglichkeit auf das 3:0. Quasi im Gegenzug spielte die Austria jedoch die Vorteile aus und erzielte ihrerseits den Anschlusstreffer. Nach einer schönen Kombination über mehrere Stationen, vollendete Turgeman trocken zum 1:2. Mit diesem Erfolgserlebnis schnupperten die Violetten nun Morgenluft und machten in dieser Tonart weiter. Man ließ die Tiroler nicht mehr aus der eigenen Hälfte heraus und drückte sie nach hinten. Vor allem über die Ballzirkulation im Zwischenlinienraum konnte man die Tiroler überfordern und man versuchte die ganze Breite des Feldes zu nutzen, um die zu verteidigenden Räume der Gäste größer werden zu lassen. Tatsächlich kam dann auch Stürmer Monschein zu der Chance auf den Ausgleich, doch Torhüter Oswald nahm ihm im letzten Moment den Ball vom Fuß.
Doch auch diese Drangphase verpuffte nach einigen Minuten wieder recht schnell. Man verlor wieder vermehrt die Zweikämpfe in der gegnerischen Hälfte und die Ballverluste häuften sich erneut. Das bestrafte die WSG dann auch prompt und Dedic erzielte nach einem schönen Spielzug das 3:1. Doch die Austria ließ sich nicht unterkriegen und kam noch einmal heran. Der eingewechselte Sax setzte sich gegen Torhüter Oswald durch und flankte auf Monschein, der nur noch zum erneuten 2:3 Anschlusstreffer einköpfen musste. Obwohl ab den Zeitpunkt an noch genügend Zeit vorhanden gewesen wäre, kam von der Austria in der Schlussviertelstunde relativ wenig. Immer wieder verzettelte man sich im letzten Drittel oder agierte einfach zu ungenau und weiterhin fehlerhaft, weshalb man keine echte Durchschlagskraft entwickeln konnte. So machte man es den Gästen relativ einfach die Angriffe mit Mann und Maus zu verteidigen.
So kamen die Violetten auch zu keiner großen Ausgleichschance mehr und bis auf einen Schuss des eingewechselten Edomwonyi wurde man kaum mehr gefährlich. Somit blieb es letztlich bei der 2:3 Niederlage und auf Seiten der Austria gab es viele hängende Köpfe zu sehen.
Fazit
Die WSG Tirol bleibt also weiterhin der Angstgegner der Austria. Der Knackpunkt dieser Partie war sicherlich die katastrophale Anfangsphase, durch die man rasch mit 0:2 in Rückstand geriet und sich einen riesigen Rucksack umhängte. Symptomatisch für die Situation der Violetten wirkte dabei das 0:1, denn erstens fühlte sich niemand für den Flankengeber zuständig und zweitens erzielte man noch dazu ein (unglückliches) Eigentor und half dem Gegner damit auf die Sprünge. In der restlichen Spielzeit vermochte man es letztlich gar nicht, über einen längeren Zeitraum Druckphasen aufrechtzuerhalten und so dem Gegner zuzusetzen.
Dieses Phänomen sieht man bei der Austria in letzter Zeit sehr oft und die guten Phasen flauten bislang immer wieder nach einigen Minuten bereits wieder ab. Dadurch konnte man trotz des zwischenzeitlichen Anschlusstreffers nicht für den letzten Punch sorgen und zumindest einen Punkt mitnehmen, weshalb man sich erneut geschlagen geben musste. Egal ob in der Defensive oder in der Offensive, man hat aktuell einfach zu viele Problemzonen – wobei es speziell im Angriffsspiel schlicht eine Qualitätsfrage ist. Damit bleibt die Situation weiterhin prekär bei den Wienern und langsam muss man sich mit dem Szenario auseinandersetzen, sich weiter nach unten, als nach oben zu orientieren.
Dalibor Babic
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