„Alles oder Nichts“ lautete die Devise der Wiener Austria bei ihrem Gastspiel in der Steiermark, wo man im Playoff-Finalrückspiel auf den TSV Hartberg traf.... Analyse: Austria verpasst Sprung nach Europa

„Alles oder Nichts“ lautete die Devise der Wiener Austria bei ihrem Gastspiel in der Steiermark, wo man im Playoff-Finalrückspiel auf den TSV Hartberg traf. Nach dem Hinspiel mussten die Violetten einen 2:3-Rückstand aufholen, um noch den Sprung in den Europacup zu schaffen. Hoffnungen bereitete der Austria die eigene Auswärtsstärke, die man in der Qualifikationsgruppe demonstrierte und gleichzeitig die Heimschwäche des Gegners, der sich in heimischen Gefilden wesentlich schwerer tat, als es in der Fremde der Fall war.


Overlyzer – Live-Coverage aus über 800 Ligen und Bewerben!

Hartbergs flexibles Abwehrbollwerk

Wenn man mit dem Wissen in eine Partie und in ein Rückspiel geht, einen Rückstand aufholen und mindestens zwei Treffer erzielen zu müssen, ist es relativ klar, welche Attribute gefordert sind. Allerdings hat dies in einem K.O.-Duell mit Hin- und Rückspiel und der Europacup-Arithmetik natürlich auch einige Gefahren. Für die Austria war dies daher ein Ritt auf der Rasierklinge. Geht man zu offensiv an die Sache ran, besteht die Gefahr ausgekontert zu werden und die Ausgangslage noch schwieriger zu gestalten. Agiert man zu vorsichtig, läuft langsam die Zeit davon einen Treffer zu erzielen und Spannung aufkommen zu lassen. Rein von der Aufstellung betrachtet, entschied sich Austria-Trainer Ilzer dafür zumindest in personeller Hinsicht viel Risiko zu nehmen und das gesamte offensive Personal auflaufen zu lassen. Kapitän Grünwald wurde rechtzeitig wieder fit und rutschte in die Mannschaft, während auch der dynamische Linksverteidiger Poulsen den eher defensiven Borkovic auf der Position ersetzte. Dazu hatte man vorne mit Wimmer, Sarkaria, Monschein und Pichler im 4-4-2 die besten Offensivspieler gleichzeitig aufgeboten, um dort für zusätzliche Durchschlagskraft zu sorgen. Interessanterweise änderte man allerdings im Vergleich zum Hinspiel die Positionierung von Sarkaria und Pichler, denn diese tauschten die Positionen und so rückte Sarkaria neben Monschein in die Spitze, während Pichler über den rechten Flügel kam.

Bei Hartberg gab es auch einige wenige Veränderungen, wobei mit dem pfeilschnellen Doussou der beste Konterspieler überraschend auf der Bank Platznehmen musste. Stattdessen rückte Spielmacher Rep wieder in die Mannschaft und sollte für die kreativen Momente sorgen. Die Hartberger überzeugten bereits im Hinspiel mit ihrer kompakten 5-2-3 Formation, mit der sie der Austria oftmals den Zahn zogen. Auch diesmal sollte die Spielanlage recht ähnlich aussehen, war man doch nicht unter Zugzwang und musste der Gegner abliefern. Man stellte sich daher in der eigenen Hälfte auf und erwartete die Gäste mit einem extrem kompakten, aber noch dazu flexiblen Block. Hartberg-Trainer Schopp meinte im Vorfeld des Spiels, dass er auf alles vorbereitet sei und die Mannschaft auf verschiedene Situationen eingestellt ist. Das sah man dann auch auf dem Feld, denn die Formation der Steirer änderte sich de facto ständig. Die meiste Zeit verblieb man in einer 5-3-2 Anordnung, bei der man mit den beiden Stürmern die Passwege der gegnerischen Innenverteidiger ins Zentrum abzudecken versuchte, damit die Austria über den Flügel angreifen musste. Sobald dann der Pass auf den violetten Außenverteidiger erfolgte, rückte ein Mittelfeldspieler aus seiner Position und stellte ihn, damit ein Vorankommen erschwert wurde.

Dabei agierte man auf der eigenen linken Seite noch ein Stück flexibler und die defensive Verhaltensweise hing vom linken Flügelmann Dante ab. Dessen Höhe bestimmte nämlich vordergründig die Formation der Hartberger und man griff hier immer wieder zum Mittel der pendelnden Viererkette, wodurch Dante auch immer wieder den linken Mittelfeldspieler gab. Dadurch sah man bei den Steirern auch situativ öfter ein 4-4-2 oder 4-1-4-1 System, wodurch man in dieser Anordnung meist versuchte höher zu attackieren. Die Prinzipien blieben dabei meist gleich, denn die Abstände zwischen den Spielern sollten eng bleiben und je tiefer man verteidigte, desto knapper sollte der Raum verengt werden. Darauf achtete man auch beim Höheren attackieren, weshalb man immer wieder mit einer recht hohen Abwehrlinie verteidigte, um schlicht die Kompaktheit und räumliche Enge zu gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt waren die eingestreuten Mannorientierungen, die man immer wieder bei ballnahen Aktionen zu sehen bekam. Die Vierer/Fünferkette stach aktiv aus den Positionen heraus und verfolgte konsequent die Fallbewegungen der Offensivspieler, um ein ungestörtes Aufdrehen zu verhindern.

Flexibel agierte man auch in der Pressinghöhe, die man immer wieder variierte. So gab es auch Sequenzen zu sehen, wo man versuchte früher zu attackieren, aber auch Szenen, wo man tief in der eigenen Hälfte verblieb. Das Stichwort war dabei meist „Rhythmus“. Man versuchte diesen laufend zu verändern und die Austria immer wieder vor neuen Herausforderungen und Aufgaben zu stellen. Das fing eben mit dem flexiblen System an, und hörte eben bei der Pressinghöhe auf.

Austria mit Progressions-Problemen

Was hatten sich die Austrianer dagegen überlegt? Im Hinspiel setzte man bekanntlich auf einen zentrumsfokussierten Ansatz und stellte das System zeitweise auf ein interessantes 4-1-3-2 um. Das entfaltete vor allem in der zweiten Halbzeit sein Potenzial, wo man die Hartberger vor Probleme stellen konnte. Nun versuchte man jedoch einen anderen Ansatz und kehrte zum eher klassischen 4-4-1-1 zurück. Das Spiel über die Außen sollte dabei forciert werden – mit jeweils zwei Flügelpärchen – und so für Durchbrüche gesorgt werden. Vom Positionsspiel her stand man auch wesentlich breiter als im Hinspiel, um an den Ansatz der zweiten Halbzeit im Hinspiel anzuknüpfen. Der Spielaufbau sollte dabei verstärkt über Rückkehrer und Kapitän Grünwald laufen, der sich das Spielgerät recht tief abholte und versuchte, die Bälle entsprechend nach vorne zu verteilen. Anfangs gab es dabei einen klaren Linksfokus der Violetten zu sehen und scheinbar wurde dies auch strategisch so ausgearbeitet.

Dadurch sammelte nicht nur Poulsen viele Ballkontakte, sondern auch Kapitän Grünwald kippte situativ auf diese Seite ab und probierte sie zu überladen. Man versuchte dabei auch aus einem recht frühen Stadium den Rücken der gegnerischen Abwehr zu attackieren, was einerseits an den angedeuteten Tiefenläufen von Pichler zu sehen war, der die Abwehr konstant mit diesen bedrohte, aber auch bei Stürmer Monschein gut zu beobachten war. Dieser setzte sich meist beim ballfernen Innenverteidiger ab, um dann Parallel zur Abwehrlinie entlangzulaufen und an der Kante zum Abseits und in die Tiefe zu starten. Diese Vorgehensweise sah man in diesem Spiel sehr oft und zumindest in einer Situation wurde Monschein zu Unrecht zurückgepfiffen und wäre dieser Plan aufgegangen.

Doch oftmals bissen sich die Violetten schlicht die Zähne an der gut formierten Defensive der Steirer aus. Durch das geschickte Leiten der Hartberger, war die Austria praktisch auf dem Flügel festgefahren und relativ leicht ausrechenbar. Über das Zentrum ging bei den Violetten relativ wenig und es gelang kaum einmal, von hinten heraus sauber die Linien zu überspielen und Vertikalität in das Spiel zu bringen. Die erste Pressinglinie der Steirer zwang die beiden aufbaustarken Innenverteidiger meist zu Pässen in die Breite und entschärfte sie, was das Aufbauspiel der Austria zum Stottern brachte. Erschwerend hinzu kam, dass sich Linksverteidiger Poulsen verletzte und kein Ersatz auf der Bank saß. Dadurch musste notgedrungen Rechtsfuß Ebner aus dem Zentrum auf diese Position gestellt werden, was dem Spielaufbau ebenfalls nicht wirklich guttat. Hier hätte es schlicht mehr Variabilität im Positionsspiel gebraucht, wie z.B. ein abkippender Sechser und nach vorne dribbelnde Innenverteidiger, was Borkovic vereinzelt andeutete und praktizierte.

Hartberg auf der anderen Seite stand zwar defensiv sehr stabil, allerdings war man bei den Umschaltsituationen nicht wirklich gefährlich. Es fehlte schlicht am nötigen Tempo in der Offensive und die Abwesenheit von Dossou machte sich mehr als bemerkbar, wodurch keine Geschwindigkeit in die Kontersituationen kam. Am besten sahen die Hartberger aus, sofern sie versuchten von hinten heraus zu spielen. Da kam dann die spielerische Qualität zum Vorschein und einige Male umspielte man sehenswert das angedachte Pressing des Gegners und behielt trotz des Druckes Ruhe.

Der erste Durchgang war daher von einer beidseitigen Chancenarmut geprägt, bei der beide Offensiven nicht wirklich Lösungen fanden. Die Austria war bemüht, lief sich aber immer wieder an der dichtgestaffelten Abwehr des Gegners fest. Es fehlte hier wie bereits im Hinspiel an der nötigen Qualität auf engem Raum, wobei erschwerend hinzukam, dass man mit Sarkaria den technisch besten Akteur überhaupt nicht ins Spiel brachte. Der Kreativspieler tat sich schwer Anbindung zu finden und auf Ballaktionen im Zentrum zu kommen, da seine Positionierung nicht wirklich optimal war und er oftmals zu Hoch stand. Dadurch fehlte auf der rechten Seite die kreativen Lösungen, die das Duo Klein/Sarkaria immer wieder für gewöhnlich findet, da Pichler eher über seine Physis und Durchschlagskraft kommt und nicht über seine spielerische Stärke. So ging es mit einem torlosen Unentschieden in die Halbzeitpause.

Austria erhöht Risiko, Hartberg kontert mit starker Strafraumverteidigung

Im zweiten Durchgang zeichnete sich zu Beginn ein recht ähnliches Bild ab und es änderte sich am Spielverlauf relativ wenig. Die Austria nahm einige Anpassungen vor, etwa beim Pressing/Anlaufverhalten, um so besseren Zugriff auf den gegnerischen Spielaufbau zu bekommen. Hartberg gelang es ja, sich einige Male spielerisch von hinten heraus zu befreien und große Räume bei den Violetten vorzufinden. Des Weiteren wurde das Experiment mit Sarkaria als hängende Spitze wieder ad acta gelegt und er kehrte auf den Flügel zurück, während Pichler dafür wieder in die Spitze ging. Es gab auch einen weiteren Versuch, den Spielaufbau besser in den Gang zu bringen, indem man nämlich interessanterweise situativ Ebner und Grünwald die Positionen tauschen ließ. Ebner tat sich auf der linken Seite schwer das Spiel zu eröffnen und da die Violetten viel über den Flügel probierten, war dies natürlich kontraproduktiv. Daher versuchte man mit diesem kleinen Kniff Abhilfe zu verschaffen und somit das Spiel zu verbessern.

Durch diese vollzogenen Maßnahmen, konnten die Veilchen das Spiel nun konstanter in der gegnerischen Hälfte halten und auch noch längere Ballbesitzphasen verzeichnen. Hartberg rückte dadurch immer weiter nach hinten und verbarrikadierte sich mehr oder weniger im eigenen Strafraum, um alles daran zu setzen, die Null zu halten. Nur gelegentlich konnte man etwas für Entlastung sorgen, aber spielerisch befreite man sich immer seltener und im Vergleich zum Hinspiel, waren die Konter nicht wirklich gefährlich. Allerdings konnte man sich auf die eigene starke Strafraumverteidigung verlassen, mit der man der Austria das Leben unheimlich schwer machte. Die Wiener fanden gegen den engmaschigen Verteidigungsblock kaum Räume vor und blieben immer wieder hängen, oder schlugen eine Flanke nach der anderen hinein, die von der kopfballstarken Innenverteidigung ohne große Mühe geklärt werden konnte. So plätscherte die Partie weiterhin ohne Großchance auf beiden Seiten so vor sich hin und spannend wurde es kaum.

Austria-Trainer Ilzer erhöhte dann auch zunehmend das Risiko, nahm Ebner hinunter und beorderte Wimmer in die Außenverteidigung, während in der Spitze durch die Einwechslung von Edomwonyi zwei echte Stürmer beordert wurden. Dadurch wurde es in den Schlussminuten zumindest wieder etwas interessanter und beide Teams hatten die Möglichkeiten auf einen Treffer, was jedoch von den beiden Torhütern verhindert wurde. So blieb es letztlich beim torlosen Unentschieden und das brachte den TSV Hartberg in Jubelstimmung.

Fazit

Der TSV Hartberg hat also die Sensation vollbracht und sich tatsächlich für den Europacup qualifiziert. Damit krönten die Steirer die tolle Saison und die starke Meisterrunde, die man hinlegte und wo man trotz der kleinsten Mittel mehr als das Optimum herausholte. Überraschenderweise gelang dies mit einem torlosen Unentschieden, was das erste Mal in dieser Saison der Fall war. Den Grundstein dafür legte man zweifellos im Hinspiel, wo man dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung in den richtigen Momenten zuschlug und auch kritische Phasen gut überstand. Im Rückspiel konnte man sich auf die starke Defensive verlassen, die die gegnerische Offensive nahezu völlig abmontierte. Als Belohnung dürfen die Hartberger nun internationale Luft schnuppern und im September im Europacup starten.

Auf der anderen Seite war dieses Playoff-Finale quasi das Spiegelbild der verkorksten Saison der Austria. Man agierte eigentlich auf Augenhöhe, war in beiden Spielen auch nicht chancenlos, doch letztendlich reichte es dennoch nicht, da es nicht gelang, über 90 bzw. 180 Minuten hinweg eine konsequent konzentrierte Leistung abzurufen. Vor allem die mangelnde Durchschlagskraft in der Offensive war ein großes Thema in beiden Spielen und man tat sich wieder einmal gegen gut organisierte Defensiven schwer, Lösungen zu kreieren. Dies muss in der nächsten Saison zweifellos besser werden, wobei hier auch die Qualitätsfrage zu stellen ist. Ob man das nachjustieren kann in der Transferperiode, bleibt jedoch aufgrund der finanziellen Lage unwahrscheinlich. Daher stehen nun der Trainer und die Spieler in der Pflicht, sich weiterzuentwickeln, sofern man wieder oben mitspielen und so eine Saison nicht wiederholen möchte.

Dalibor Babic