Analyse: Austria zwingt mit Systemumstellung St.Pölten in die Knie
Bundesliga 2.März.2021 Dalibor Babic
Am 19. Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es beim Duell zwischen dem SKN St. Pölten und der Wiener Austria zu einer Partie mit einem vorentscheidenden Charakter. Beide Mannschaften kämpften nämlich vor diesem Spiel um den Einzug in die Meistergruppe und für den Sieger bestünde in weiterer Folge noch die Chance, dieses Ziel zu erreichen. Beide Teams gingen dabei mit Selbstvertrauen in die Partie, da der SKN zuletzt in Tirol mit 1:0 gewinnen konnte und damit wichtige Zähler gegen einen direkten Konkurrenten einfuhr, während die Austria mit 5:1 Altach aus dem Stadion schoss. Für Spannung war also zweifellos gesorgt.
Stöger greift zu Systemumstellung
Duelle zwischen diesen beiden Mannschaften waren in der Vergangenheit meist sehr ausgeglichen und endeten häufig in Punkteteilungen. Der SKN tankte auch rechtzeitig vor dieser wichtigen Begegnung nochmal Selbstvertrauen und beendete die sieglose Serie im Jahr 2021 mit einem Erfolg über die WSG Tirol. Ausschlaggebend dafür war die Systemumstellung der Niederösterreicher, weg vom erfolgreichen 4-3-3, welches man im Herbst noch praktizierte, hin zu einer etwas defensiveren 5-3-2-Anordnung – mit einer Fünferkette. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand man sich immer besser in diesem neuen Korsett zurecht und holte dementsprechend auch den Auswärtssieg in Tirol. Klarerweise hatte man nun keinen Grund alles über den Haufen zu werfen und lief auch gegen die Wiener in der gleichen Anordnung auf.
Auf Seiten der Austria hätte man auch annehmen können, dass Trainer Stöger keinen Grund hatte etwas Großartiges zu verändern. Zwar legte man gegen Altach eine schwache erste Hälfte hin und lag zur Pause mit 0:1 zurück, allerdings fand man im zweiten Durchgang die richtigen Antworten und legte ein offensives Feuerwerk hin. Ausschlaggebend dafür war zweifellos die Umstellung auf zwei klare Spitzen, was dem Gegner große Probleme bereitete.
Nun stellte sich für Stöger die Frage, wie man das gesamte Gefüge passend auf ein System mit zwei Spitzen einstellt. In der Aufstellung waren dann auch einige Überraschungen ersichtlich und es war nicht ganz klar, wie die Austria auflaufen würde. So rutschte etwa überraschend Jukic aus der Mannschaft und Zwierschitz kam neu dazu – daher verblieben mit Martel und Fitz nur zwei klassische zentrale Mittelfeldspieler in der Mannschaft, weshalb auch nicht klar war, wer den rechten Flügel bei den Violetten, das zentrale Mittelfeld oder die Position des linken Verteidigers einnehmen würde.
Nach einigen Minuten im Spiel lichtete sich allmählich das Geheimnis um die Aufstellung der Austria und es kam heraus, dass die Austria ihr System überraschend wechselte. Aus dem nominellen 4-4-2/4-4-1-1 wurde ein 5-1-2-2 mit einigen interessanten Positionierungen. So gab Zwierschitz den halblinken Innenverteidiger, Wimmer den linken Flügelverteidiger und Sarkaria und Fitz positionierten sich zentral in den Halbräumen vor Abräumer Martel.
Warum entschied sich Stöger zu diesem Schritt? Auf den ersten Blick macht das durchaus Sinn, da beim SKN die gefährlichste Waffe im Sturmzentrum anzusiedeln war, wo mit Schmidt und Hugi zwei torgefährliche Akteure lauern. Daher machte es durchaus Sinn, einen der Vorzüge des Gegners mit drei Innenverteidigern zu neutralisieren und da auf eine passende Absicherung zu setzen, um dies abzuwürgen. Darüber hinaus machten aber auch die weiteren Besetzungen allesamt Sinn, da man über die Außenbahn mit Wimmer und Teigl zwei laufstarke Flügelverteidiger hatte, die sich immer wieder mit nach vorne einschalten sollten und dabei Unterstützung von den beiden beweglichen Spitzen Pichler und Monschein bekamen.
SKN kriegt bewegliches Austria-Zentrum nicht in den Griff
Die Austria brauchte ein paar Minuten, um sich im neuen Anzug zurechtzufinden. So kam auch der Gastgeber aus Niederösterreich zur ersten guten Gelegenheit und traf nach einer Standardsituation die Querlatte. Doch danach übernahm die Austria vermehrt das Kommando und erhöhte die Schlagzahl. Federführend dabei waren vor allem die beiden Halbspieler im Zentrum Fitz und Sarkaria, die das Spiel der Violetten in die Hand nahmen und sich vor allem sehr beweglich zeigten. Speziell Fitz wich sehr viel in Richtung der linken Seite aus und versuchte da als Kombinationspartner für Überladungen zu sorgen, um so den SKN zu knacken. Das war auch einer der Hauptansatzpunkte der Austria, über das Dreieck Fitz, Wimmer und den ausweichenden Pichler den nummerischen Vorteil auf der linken Seite auszunutzen und sich über diese Region ins letzte Drittel zu spielen.
Das machte auch durchaus Sinn, da der SKN im 5-3-2 sehr schnell hätte reagieren müssen, um diese Unterzahl auf den Seitenzonen auszugleichen. Mit nur einem nominellen Flügelverteidiger und drei zentralen Mittelfeldspielern ist man hier grundsätzlich anfällig und es lauern einige Gefahren, wenn man dies nicht früh genug erkennt und rechtzeitig mit den restlichen Spielern zur Seite hin nachschiebt. Dadurch boten sich für die Austria immer wieder Räume an und die Ballzirkulation der Violetten kam in einen guten Rhythmus. Man belohnte sich dann auch mit einem Doppelschlag für das Auftreten, wobei speziell der zweite Treffer den oben erläuterten Aspekt der strategischen Überladung wunderbar herausstreicht.
Darüber hinaus waren die „Veilchen“ aber auch im Zentrum sehr präsent und das Dreieck Martel, Fitz und Sarkaria übernahm die Zügel im Spiel der Austria. Ersterer räumte viel ab und diente als sichere Anspielstation, während Fitz und Sarkaria viel unterwegs waren und durch den großen Aktionsradius gewisse Freiheiten hatten, wovon auch der Spielaufbau profitierte. Die Folge war ein flüssiges Spiel der Austria, in dem man immer wieder einen Weg in die gegnerische Hälfte fand und mehrmals im letzten Drittel gefährlich wurde.
Aber auch der SKN fand nach dem Schock wieder zurück in die Spur und zeigte, dass man durchaus Qualität hat. Speziell wenn die beiden physisch präsenten Stürmer ihre direkten Duelle gewannen, konnten sie ab und an mit Tempo in Richtung des gegnerischen Kastens ziehen und Torschüsse abfeuern. Die Austria hatte hier und da Probleme beim Gegenpressing und aufgrund des weiten Aktionsradius der beiden zentralen Mittelfeldspieler Fitz und Sarkaria, gab es immer wieder große Löcher im Zentrum und Sechser Martel musste viel Raum abdecken. Der junge Deutsche löste seine Aufgabe meist sehr gut und war speziell in den Zweikämpfen ungemein präsent, aber überall konnte er auch nicht sein, weshalb einige Male die Offensive des SKN nach Umschaltaktionen mit Tempo in Richtung gegnerisches Tor ziehen konnte. Die Gastgeber kamen auch zu einigen guten Möglichkeiten auf das Anschlusstor, scheiterten aber stets am formstarken Torhüter Patrick Pentz, der mehrere Chancen vereiteln konnte. So ging es mit einer 2:0-Führung für die Austria in die Kabine.
Qualität des Spieles flacht total ab
Man war im zweiten Durchgang gespannt, ob der SKN an seine gute Phase zum Ende der ersten Halbzeit hin anschließen würde, oder ob die Austria sich besser auf die Angriffe einstellt und mit einem weiteren Treffer für die Vorentscheidung sorgt. Eigentlich wäre die für die Austria auch gefallen, doch das Schiedsrichterteam entschied nach einem Fitz-Freistoß zu Unrecht auf Abseits. So bestand auch weiterhin die Gefahr, dass St. Pölten mit dem Anschlusstor die Gäste in Bedrängnis bringen und damit das Spiel zum Kippen bringen könnten.
Die Violetten taten auch ihrerseits einiges dazu, da sie jene Performance vom ersten Durchgang vollkommen vergessen machten und das Offensivspiel quasi einstellten. Man verlor viele Bälle in kürzester Zeit, brachte keinen Spielaufbau mehr zustande und traf laufend falsche Entscheidungen, weshalb man wenig Entlastung aufbaute und die Gastgeber damit im Spiel hielt.
Natürlich wollte die Austria kein Risiko mehr eingehen, doch es wäre einfach zu sagen, man hätte den gesamten Fokus aufs Verteidigen gelegt. Der SKN wurde zwar aggressiver, stand mit der Abwehr höher und war so an den Gegenspielern dran, aber die entstandenen Räume in der Tiefe konnten die schnellen Austrianer nie ausnutzen.
So war bei den Wölfen weiterhin die Chance da, das Spiel doch zu den eigenen Gunsten zu drehen. Doch das größte Problem war dabei, dass man kein konstruktives Offensivspiel zustande brachte. Der Spielaufbau bestand aus vielen langen Bällen in die Spitze, man kam weder durchs Zentrum, noch über den Flügel ins letzte Drittel und rannte sich immer wieder in der dicht gestaffelten Austria-Abwehr fest. Überraschenderweise entschied sich dann auch SKN-Trainer Ibertsberger die beiden besten Torschützen Schmidt und Hugi vom Feld zu nehmen, was das ohnehin schon schwache Offensivspiel schließlich komplett lahmlegte.
So hatte die Austria keine großen Mühen, die Angriffe der Gastgeber abzuwehren und man spielte die Uhr abgeklärt und souverän herunter, auch wenn dies alles andere als ansehnlich war. Gegen Ende hin mehrten sich dann auch die Konterchancen, da der SKN auf eine Viererkette umstellte, doch diese ließ man fahrlässig liegen, womit es beim 2:0 der Austria blieb.
Fazit
Die Austria hat also ein weiteres „Endspiel“ für sich entscheiden können und feierte im Frühjahr bereits den vierten Sieg. Ausschlaggebend dafür war sicherlich der mutige und unübliche Schritt von Austria-Trainer Stöger, das System umzustellen und sich dem Gegner anzupassen, um dessen Stärken und Schwächen besser in den Griff zu bekommen. Dieser Plan ging speziell im ersten Durchgang sehr gut auf und führte dazu, dass man eine gute Leistung zeigte und nicht nur variabel agierte, sondern immer wieder dem Spiel den eigenen Stempel aufsetzen konnte.
Im zweiten Durchgang fiel man dann aus unerfindlichen Gründen stark zurück und stellte das Fußballspielen de facto ein, was nicht hätte sein müssen. Jedoch war man in der Defensive stabil und der SKN im Angriff harmlos, sodass dies nicht ausschlaggebend wurde und man die drei Punkte einfahren konnte. Damit bleiben die Violetten weiterhin im Rennen um die Meistergruppe und konnten den Rückstand nach oben auf einen Zähler reduzieren.
Dalibor Babic, abseits.at
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