Rapid kommt in St.Pölten über ein 1:1 nicht hinaus und ist damit bereits seit acht Bundesligaspielen sieglos. Nach guten 20 Minuten in der ersten Halbzeit brachte das Kopfballtor von St.Pölten-Abwehrspieler Michael Huber Rapid aus dem Konzept. In der zweiten Halbzeit folgte Schlafwagenfußball.
Rapid trat – diesmal deutlich ersatzgeschwächt – in einem 3-4-2-1-System auf und hatte weitgehend dieselben Probleme wie in den letzten Wochen. Die Bindung zwischen den Mannschaftsteilen war nicht eng genug, die wenigen herausgespielten Torchancen wurden mit Ausnahme von Joelintons 1:0 nicht verwertet, der Spielaufbau war mangelhaft und auch über die stets geforderten 100% gingen die Hütteldorfer nicht drüber.
Deutlich schwächer in Zweikämpfen, passunsicher obendrein
Rapid gewann gegen den Aufsteiger nur 43,1% der Zweikämpfe, verlor seine Duelle phasenweise auf haarsträubende Art und Weise. Der Tabellensiebte kam praktisch nie ins hohe Pressing, ließ sich von St.Pölten viel zu einfach mit physischen Mitteln abkochen. Wenn doch Bälle in der Zentrale gewonnen wurden, war die Weiterverarbeitung mangelhaft. Unterm Strich wies Rapid eine niedrigere Passquote auf als die Heimmannschaft – nur 65,3% der Zuspiele fanden einen Mitspieler.
Statistiken nach Halbzeit eins verständlich
In der ersten Halbzeit ist diese niedrige Passquote noch zu erklären, weil Rapid häufiger die Tiefe suchte und dabei Fehler machte, die der mental schwierigen Situation geschuldet sind. Fehler, die man machen darf. In der zweiten Halbzeit war Rapid aber schlichtweg schlecht, machte einfachste Fehler, setzte St.Pölten nie unter Druck. Damir Canadi half der Mannschaft allerdings auch nicht weiter, brachte kurz vor der Rapid-Viertelstunde den spielschwachen Auer statt Pavelic, was nicht zur Stabilisierung der zerfahrenen Partie beitrug.
Positionierungsprobleme
Auch die Grundpositionen der Spieler bereiteten Rapid Probleme. Kvilitaia war als einziger dauerhafter Belagerer der Gefahrenzone bei den starken St.Pöltener Innenverteidigern abgemeldet. Joelinton spielte in der ersten Halbzeit noch eine solide Partie auf einer Halbposition, zog aber in der zweiten Halbzeit zu weit nach außen und kam daher auch nur noch selten in aussichtsreiche Abschlusssituationen. Zudem war der junge Szántó einmal mehr kaum präsent, weil er viel zu tief und vorsichtig spielte. Durchschnittlich spielte Schwab offensiver, versuchte wesentlich häufiger den Übergang vom zweiten ins dritte Drittel zu forcieren.
Innenverteidiger als oft verkanntes Problem
Einmal mehr wurde auch Rapids Aufbauschwäche augenscheinlich. Die Hütteldorfer verfügen über keinen spielstarken Innenverteidiger, was zum Problem wird, wenn derer drei auf dem Platz stehen. Das Spiel wurde demnach über die für den Gegner leichter zu verteidigenden Seiten aufgebaut. Der Spielaufbau durch die Mitte war unzulänglich und zu unpräzise, was wiederum ebenfalls mit der nervösen Gesamtsituation zusammenhängt. Es fehlt einfach die Selbstverständlichkeit.
Wieder nicht übers Limit gegangen
Fehlendes Selbstvertrauen ist eine Sache. Wenn nichts zusammenläuft, dann ist es oft schwer aus dieser Misere herauszukommen. Die niederschmetternde Zweikampfbilanz ist eine andere Sache. Rapid hat erneut nicht alles erdenklich Mögliche unternommen, um St.Pölten doch noch in die Schranken zu weisen. Während man in früheren Jahren noch zitterte, als Rapid in die Provinz kam, hat heutzutage niemand Angst vor den Hütteldorfern. Seit dem Herbst begannen die Gegner sogar mit Rapid mitzuspielen, anstatt sich vor dem eigenen Strafraum einzubunkern. Rapid wurde im Vergleich zur Barisic-Ära womöglich sogar ein wenig unberechenbarer, dafür aber unsicherer am Ball und unkonkreter in den Offensivaktionen. Die Gegner halten mit Kampf und Einstellung dagegen und machen Rapid irgendwann im Spiel mittellos. Oft schafft Rapid nur wenige Minuten Druck aufzubauen, über einen längeren Zeitraum gelingt dies nie.
Gerade in der aktuellen Lage: Härter an den Standards arbeiten
Eine Partie, die man eigentlich im Griff hatte, wurde erneut durch eine Standardsituation umgepolt. Kvilitaia verlor Huber aus den Augen und der Abwehrspieler erzielte per Kopf den Ausgleich. Während man bei Offensivstandards weiterhin zahnlos agiert, fängt man sich hinten aufgrund von Zuordnungsproblemen billige Tore. Und das obwohl die Mehrheit der aufgestellten Rapid-Elf groß und kopfballstark ist. Unter Barisic war die Mannschaft durchschnittlich kleiner und dennoch nicht so anfällig auf Gegentore nach Standards. Hier handelt es sich weniger um ein mentales Problem oder mangelnde Einsatzbereitschaft, sondern um einen Punkt, der im Training noch viel konkreter behandelt werden sollte.
Super-GAU abwenden
Am Mittwoch geht es für Rapid gleich noch einmal nach St.Pölten. Im Cup-Viertelfinale steht Rapid vor der letzten Chance doch noch den Europacup zu erreichen. Wenn auch dieses Spiel schief geht und die Seuchensaison damit endgültig vollendet wird, ist Damir Canadi als Rapid-Trainer nicht mehr tragbar. Nicht wegen des ohnehin bereits hohen medialen Drucks oder dem fragwürdigen Umgang mit Spielern und anderen Beteiligten, sondern wegen der größtmöglichen Erfolgslosigkeit. Das dürfte kein Trainer eines Anspruchsvereins überstehen, ohne vor die Tür gesetzt zu werden.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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