Rapid kommt einfach nicht in die Gänge – und die Mannschaft bringt sich mit Leistungen wie beim 1:1 beim SK Austria Klagenfurt selbst um jede plausible Ausrede. Mittlerweile ist klar: Für Rapid und Coach Didi Kühbauer steht die Uhr bei „fünf vor zwölf“.
Ins Spiel nach der Länderspielpause ging Rapid als Favorit und wollte der soliden, aber auch wankelmütigen Elf von Peter Pacult im 4-2-3-1 das eigene Spiel aufzwingen. Große personelle Rochaden gab es hierfür nicht. Kühbauer schickte dieselbe Elf aufs Feld, die zwei Wochen zuvor die WSG Wattens mit 5:2 bezwang. Vier Starter kamen zuletzt für A- oder Juniorennationalteam zum Einsatz.
Passsicherer Start
Rapid begann das Spiel grundsätzlich initiativ und überzeugte vor allem mit Passsicherheit. Von Beginn an waren die Passgenauigkeitszahlen des gesamten Teams im sehr hohen Bereich, was primär daran lag, dass die Hütteldorfer das Heft in die Hand nehmen und den Ball haben wollten. Man agierte sicher, mit vielen kurzen Pässen und immer wieder mit Verlagerungen und Diagonalpässen auf die Flügel, um die sehr tiefe Defensivausrichtung der Kärntner auseinanderzuziehen und den Gegner in Bewegung zu halten.
Sicherheit statt explosivem Angriffsfußball
Dadurch kamen die Hütteldorfer von Beginn an zu Chancen, allerdings war die Qualität dieser Möglichkeiten weitgehend gering. Zwingendes konnte Rapid gegen die sehr dicht gestaffelte Abwehr der Klagenfurter kaum herausspielen. Man besann sich eher auf Sicherheit und Ballbesitzspiel. Noch schwieriger wurde es kurioserweise mit Thorsten Mahrers Ausschluss nach 21 Minuten nach einer Brutaloattacke an Petrovic.
Klagenfurt noch tiefer, Rapid verliert seinen Anker
Dies hatte zwei Gründe. Einerseits wurde die Ausrichtung der Gastgeber durch diese rote Karte noch tiefer, andererseits verlor Rapid mit einer Viertelstunde Verzögerung Dejan Petrovic, der nach Mahrers Foul doch nicht weitermachen konnte und einen Bänderriss erlitt. Mit dem Slowenen verlor Rapid einen wichtigen Anker im Sechserraum. Die Dramaturgie seiner Auswechslung war dennoch interessant.
Rapid trifft – und wird personell noch offensiver
Zunächst spielte Petrovic nämlich weiter und biss die Zähne zusammen. Sichtlich unrund laufend sah er in der 37. Minute Rapids Führungstreffer durch einen abgefälschten Schuss von Taxiarchis Fountas noch vom Feld aus. Unmittelbar danach wurde er ausgewechselt und durch Christoph Knasmüllner ersetzt. Rapid wurde knapp zehn Minuten davor bei einem Pink-Abschluss nach tollem Greil-Zuspiel bereits gewarnt, dass das Spiel auch gegen zehn Klagenfurter kein Selbstläufer werden dürfte. Mit Fountas’ 1:0 und der Umstellung einer 6-8-10- auf eine 8-8-10-Staffelung im zentralen Mittelfeld, sah es aber danach aus, dass Rapid möglichst schnell den Sack zumachen wollte.
„Foul in torferner Zone“: Karas kurioses 2:0 wird aberkannt
Und tatsächlich spielte Rapid den Gegner für den Rest der ersten Halbzeit zumindest optisch an die Wand – allerdings ohne weiter gefährlich zu werden. In der zweiten Hälfte hieß es aber beinahe 2:0. Nach einem Zuspiel von Fountas traf Kara, doch Schiedsrichter Eisner pfiff die Szene aufgrund eines Fouls von Grüll in einer völlig anderen Zone ab. Auf den Treffer hatte das Foul keine Auswirkung, ein Foul war es dennoch. Die meisten Schiedsrichter hätten auf Tor entschieden, nicht aber Eisner – zum Leidwesen Rapids und Didi Kühbauers, der die Welt nicht mehr verstand.
Grüll vergibt „Sitzer“, Kühbauer wechselt ohne Not defensiv
Es war definitiv eine Schlüsselszene – „alles offen“, statt „alles klar“. Was Rapid jedoch ab hier auf den Platz brachte, fällig durch die Bank in die Kategorie „peinlich“. In der 62. Minute traf Marco Grüll nach einer guten Aktion über Ljubicic und Fountas das leere Tor nicht: Sein Volleyschuss ging an die Latte. Das Spiel kippte dadurch keineswegs und Rapid machte weiterhin Druck ohne zwingend zu werden. Den ersten Strich durch die eigentlich sicher geglaubte Rechnung machte schließlich Kühbauer, der Schick und Aiwu für Ballo und Ljubicic brachte.
Kühbauer beginnt gegen 10 Klagenfurter abzusichern…
Am rechten Flügel spielte damit nun der physisch stärkere, aber defensivere Schick. Mit Aiwu statt Ljubicic kam ein Sechser für einen Achter. Kühbauer begann also nach 68 Minuten in Führung gegen einen Gegner in Unterzahl abzusichern. Alleine das zeigt, wie sehr die Nerven beim Rekordmeister derzeit blankliegen. Klagenfurt hatte in dieser Phase keinerlei Anstalten gemacht, die Hütteldorfer Defensive stärker zu fordern. Aiwu stellte sich nach einer Grüll-Ecke beinahe mit seinem Premierentor ein – aber dies sollte die letzte gute Aktion der Hütteldorfer sein.
…und wechselt sogar noch defensiver
Was nun folgte war durchgängiger Leerlauf. Zehn Minuten nach seinem ersten Doppeltausch, wechselte Kühbauer erneut defensiv, brachte Grahovac und Arase für Fountas und Grüll. Der vollkommen überspielte Kara „durfte“ also erneut durchspielen, während mit Fountas einer der stärkeren Hütteldorfer trotz Überzahl runter musste. Hinter Kara spielte nun ein zentrales Mittelfeld mit Grahovac, Aiwu und Knasmüllner.
Kaum Zweikämpfe im Zentrum
In der zweiten Hälfte der zweiten Halbzeit verlor Rapid nun jegliche Eigeninitiative. Man probierte es immer wieder durch die Mitte, die Klagenfurt trotz Unterzahl recht mühelos zumachte. Bereits zuvor nahm Rapid in den zentralen Zonen nur sehr wenige Zweikämpfe an, versuchte alles spielerisch zu lösen. Der sonst so zweikampfintensive Kara kam im gesamten Spiel nur auf sechs Duelle, von denen er die Hälfte gewann. Knasmüllner, fast eine Stunde im Spiel, duellierte sich nur fünfmal, obwohl er die längste Zeit als Achter spielte.
Keine Aufdrehbewegungen, keine Eigeninitiative
Rapid versuchte alles spielerisch zu lösen und forderte den Gegner körperlich überhaupt nicht. Kühbauers seltene, laute In-Game-Kritik in der Schlussphase – gut eingefangen von den TV-Kameras – galt Christoph Knasmüllner. Der Rapid-Trainer wollte von seinem Kreativspieler mehr Aufdrehbewegungen, anstatt inspirationsloses Prallenlassen und Rückpässe. Hinzu kamen wieder einmal laxe Zuspiele, wie etwa vom erneut blutleer agierenden Knasmüllner oder Grahovac, mit denen sich Rapid das Leben weiter selbst erschwerte.
Klagenfurt bestraft Hütteldorfer „Badkick“
Die Wiener kamen am Schluss auf 20 Schüsse, 70% Ballbesitz, begingen mehr Fouls als die Klagenfurter und mit Maximilian Hofmann gab es nur einen einzigen Rapid-Spieler mit deutlich positiver Zweikampfquote. Das letzte Wort hatte aber die Elf von Peter Pacult, die Rapids „Badkick“ eiskalt ausnützte. Der eingewechselte Florian Jaritz legte für den ebenfalls eingewechselten Gloire Amanda auf und der traf zum völlig unerwarteten Ausgleich. Das 1:1 über die Zeit zu bringen war für die aufgezuckerten Kärntner gegen die völlig ideenlosen Rapidler, die kaum Automatismen präsentierten und nur selten Unerwartetes ablieferten, keine große Kunst mehr.
Hofmann geht als Einziger vorneweg
Wenn selbst die Stützen der letzten Monate – so etwa Greiml oder Stojkovic – auslassen und unüblich viele Zweikämpfe verlieren, dann ist das kein gutes Zeichen für Rapid und das Verteilen der Verantwortung auf mehrere Schultern ist in dieser weitgehend mentalitätsschwachen Mannschaft keine leichte Aufgabe. Der Einzige, der dauerhaft vorneweg ging, war Kapitän Maximilian Hofmann. Der Innenverteidiger war in der Schlussphase der Einzige, der stetig progressiv spielte und mit seinen Pässen Linien überspielen konnte. Eine Aufgabe, die eigentlich den zuvor erwähnten Grahovac und Knasmüllner zukommen müsste. Biedere Wechselspieler wie Schick oder Arase holten schließlich auch nicht mehr die Kohlen aus dem Feuer bzw. bekamen auch nicht die Bälle, die sie benötigt hätten, um sich zu entfalten. Und vorne hing der völlig erledigte Ercan Kara in der Luft und wirkte einmal mehr mit den Gedanken woanders…
Ein Nachmittag, der alle nachdenklich stimmen sollte…
So sah man in der zweiten Halbzeit eine spielerisch durchschnittliche Rapid-Mannschaft ohne auch nur annähernd innovativen Spielplan gegen einen dezimierten Aufsteiger mit absoluter Rumpfabwehr. Kühbauers Wechsel holten Rapid eher aufs individuelle Niveau der Klagenfurter hinunter, anstatt die Mannschaft besser oder variabler zu machen. Die Gastgeber hatten einen schweren Matchverlauf zu verkraften, nahmen aber dennoch den Kampf an – teilweise an der Grenze der Fairness. Rapid nahm den Kampf nicht an und ging mit der zweifelhaft-leichtfüßigen „wir sind Rapid“-Attitüde zu Werke. Mit Ausnahme von Hofmann und phasenweise Fountas war kein Spieler daran interessiert, einen klaren Unterschied in diesem Spiel auszumachen. Kühbauers unerzwungene Wechselspielchen und das fast schon traditionell miserable In-Game-Coaching taten ihr Übriges. Rapid muss nun dringend in die Gänge kommen – und das wird wohl nur mit kollektivem Umdenken oder einem neuen Impuls funktionieren.
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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