Analyse: Meistergruppen-Kampf bleibt spannend – Rapid nur 1:1 gegen Lustenau
Bundesliga 4.März.2024 Mario Töpel
In der 21. Runde der Bundesliga empfing der SK Rapid den Tabellenletzten Austria Lustenau. Nach dem Derby in der vergangenen Woche wurde diese Partie mit Spannung erwartet, zumal es sich um ein wichtiges Spiel im Kampf um die Top 6 und somit den Einzug in das Meisterplayoff handelte. Im Vorfeld war bereits klar, wie sich der Spielfilm darstellen würde. Die Lustenauer sollten in einem tiefen Abwehrblock verteidigen und auf Konter lauern. Rapid hatte die Aufgabe, die für gewöhnlich gut organisierte Defensive der Heraf-Elf zu knacken. Speziell nach der herben 0:7-Pleite in Salzburg vergangene Woche durfte man gespannt sein, welche Reaktion die Vorarlberger zeigen würden.
Da der Spielverlauf im Vorhinein erwartbar war, werden wir uns in dieser Analyse um die Lösungsansätze Rapids im Ballbesitz und deren Umsetzung konzentrieren.
Keine personellen Änderungen bei Rapid
Rapid-Coach Klauß bot das gleiche Personal wie in der Woche zuvor im Wiener Derby auf. Die Heimischen hatten, wie zu erwarten war, die meiste Zeit den Ball in den eigenen Reihen. Die Gäste aus Lustenau ließen die Hütteldorfer kommen und verdichteten die Räume in der eigenen Hälfte. Ziel war es, hier Ballgewinne zu verzeichnen und dann schnell zu kontern. Soweit keine Überraschung.
Die spannende Frage war allerdings: Wie würden die Mannen von Robert Klauß den tiefen Block der Lustenauer bespielen?
Die Halbräume als vermeintliche Schlüsselpositionen
Die Positionierung in Ballbesitz sollte an die Grundordnung des Gegners angepasst werden. Lustenau verteidigte tief in einer 4-1-4-1-Formation und sollte mit Fortdauer der Partie situativ höher attackieren. Auf dem Papier agierte die Heimelf im gewohnten 4-2-3-1. Es stellte sich jedoch relativ schnell heraus, dass Lukas Grgic in Ballbesitz eine höhere Positionierung im linken Halbraum einnehmen sollte. Seidl blieb dadurch nicht im eigentlichen Zehnerraum, sondern besetzte den rechten Halbraum, sodass der Sechser der Lustenauer, Paterson Chato, von Grgic und Seidl flankiert wurde. So ergab sich in diesem Abschnitt des Spielfeldes eine 2-gegen-1-Überzahl für Rapid. Ziel wäre es vor allem auf rechts gewesen, Seidls Stärken im Spiel zwischen den Linien zu nutzen. Der Matchplan schien vorzusehen, ihn so in Szene zu setzen, dass er in dem von ihm besetzten Raum aufdrehen, einen Steckpass in die Tiefe auf Lang, Burgstaller oder gar Grüll spielen oder auf die gegnerische Kette dribbeln und eventuell selbst abschließen konnte.
Grgic (8) und Seidl (18) überladen den Raum hinter der Vierer-Mittelfeldreihe der Gäste. Dadurch sieht sich Chato (25) einer Unterzahlsituation ausgesetzt.
Achterläufe, die selten genutzt werden
Einerseits wollte man in den Halbspuren Überzahl schaffen und mit schneller Ballzirkulation Passlinien aufreißen, um genau diese Räume zu bespielen. Darüber hinaus war es vor allem der linke Achter Grgic, der mit Tiefenläufen hinter die generische Abwehrkette kommen sollte.
Die Flügel waren jeweils doppelt besetzt, allerdings nie auf der exakt gleichen vertikalen Linie. Die flach positionierten Außenverteidiger Auer (links) und Kasanwirjo (rechts) schoben selten bis zur Seitenoutlinie, um die Passlinie zu ihren Vordermännern Grüll (links) bzw. Lang (rechts) diagonal zu halten, da diese Zuspiele schwieriger zu pressen sind. Der Pass vom Innen- auf den Außenverteidiger stellte den Pressingauslöser für Lustenau dar. Der Flügelspieler setzte nun den Außenverteidiger unter Druck und der Außenverteidiger der Gäste schob aggressiv in Richtung des offensiven Flügelspielers von Rapid.
Durch dieses Pressingschema der Vorarlberger öffnete sich die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger und Rapids Achter (Grgic) startet den Tiefenlauf in ebenjene Schnittstelle. So hätte Rapid oftmals hinter die Viererkette des Gegners kommen können. Das Zuspiel kam aber meistens nicht. Stattdessen wurde meist abgedreht und das Spiel auf die andere Seite verlagert.
Das Zuspiel von Kongolo (15) auf Auer (23) war der Pressingauslöser für Lustenau. Bobzien (19) geht ins Pressing, Anderson (28) stellt Grüll (27) zu. So öffnet sich die Schnittstelle zwischen Anderson und Maak (31), der von Burgstaller auch noch gebunden wird und dadurch nicht durchschieben kann, um die Schnittstelle zu schließen. Dies nutzt Grgic (8) für einen Tiefenlauf.
Der ballferne Halbraum als potenzieller Dosenöffner
Auf der rechten Seite sah das Ganze etwas anders aus. Speziell hier agierte der Lustenauer Sechser Chato sehr mannorientiert, sodass Seidl selten so angespielt werden konnte, dass ein Aufdrehen mit anschließendem Steckpass in die Tiefe oder einem Dribbling möglich gewesen wäre. So passierte es oft, dass durch die Mannorientierung des Lustenauers der ballferne Halbraum unbesetzt und die Passlinie dorthin offen war. Leopold Querfeld erkannte dies in einer Angriffssituation hervorragend und spielte einen diagonalen Flachpass. Prompt ergab sich die erste Topchance für Rapid, doch Christoph Lang vertändelte den Ball, als er Keeper Schierl umspielen wollte.
Chato (25) mit einer extremen Mannorientierung auf Seidl (18). Dies öffnet den ballfernen Halbraum, in den in dieser Aktion Grüll (27) einrückte. Querfeld (43) spielt den diagonalen Flachpass auf Grüll. Dessen Positionierung lockt Innenverteidiger Maak (31) aus seiner Position, um den Ball zu attackieren. Der clevere Laufweg von Burgstaller (9) zieht den zweiten Innenverteidiger Grujcic (6) aus seiner Position und öffnet den Raum für Lang (10), der die Situation sofort erkennt und in die Tiefe startet.
Das Überladen des rechten Flügels
Wie bereits erwähnt hinderte die starke Mannorientierung auf den im rechten Halbraum positionierten Seidl diesen an einer progressiven Spielfortsetzung. Um dieser hautengen Bewachung zu entgehen, ließ sich Rapids Nummer 18 mit Fortdauer der Partie immer öfter auf den rechten Flügel zwischen dem flach positionierten Kasanwirjo und dem hoch stehenden Lang fallen.
Seidl (18) konnte sich durch die Mannorientierung Chatos (25) nicht entfalten. Um dieser Bewachung zu entgehen, ließ er sich immer wieder auf den Flügel fallen, um mit Kasanwirjo (6) und Lang (10) eine 3-gegen-2-Überzahl am Flügel herzustellen.
Ein Platzverweis ohne gröbere Auswirkungen auf den Spielfilm
In Minute 33 wurde Terence Kongolo nach einer äußerst fragwürdigen Schiedsrichterentscheidung mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Natürlich sollte sich dies nicht unbedingt als förderlich für die Rapidler und deren Versuche, den gegnerischen Block zu knacken, herausstellen. Zunächst sollte sich sowohl am Spielverlauf als auch an der taktischen Herangehensweise beider Teams nicht viel ändern. Rapid hatte weiterhin den Löwenanteil am Ballbesitz, Lustenau verteidigte tief und lauerte auf Umschaltsituationen. Situativ agierten die Gäste aber mutiger in Bezug auf die gewählte Höhe des Abwehrblocks. Bei Rapid wurde die Positionierung leicht angepasst, sodass es weiterhin möglich war, die neuralgischen Halbräume neben dem gegnerischen Sechser zu besetzen.
Sattlberger (34) ersetzte Kongolo in der Innenverteidigung. Der zuvor als Achter positionierte Grgic (8) agierte nun in der Rolle als ‚Ankersechser‘, die davor Sattlberger einnahm. Grüll (27) pendelte nun zwischen seine ursprünglichen Positionierung am Flügel und den linken Halbraum. Speziell wenn Rapid das Spiel über die rechte Seite eröffnete rückte er in die Halbspur, um dort anspielbar zu sein. Auer (23) schob in diesem Fall als alleiniger Breitengeber etwas höher. Wenn der Angriff über links aufgebaut wurde, war Grüll aber auch immer wieder auf dem linken Flügel zu finden, um dort als Anspielstation zu fungieren.
Rapid agiert unaufmerksam – und wird prompt dafür bestraft
Die Teams gingen mit einem 0:0 in die Kabinen. Nach dem Seitenwechsel änderte sich ebenfalls kaum etwas an der Charakteristik des Spiels. Die oben beschriebene Überladung des rechten Flügels führte zu einer guten Chance durch Seidl, der ein Durchbruch auf dem rechten Flügel durch Lang vorausging. Die Lustenauer hatten in dieser Situation ein Zuordnungsproblem, wodurch Lang mittels Chipball hinter den gegnerischen Außenverteidiger in die Tiefe geschickt werden konnte. Seine Hereingabe konnte Seidl aber nicht in Zählbares ummünzen.
Die darauffolgende Ecke sollte der Heimelf in der 48. Minute um die Ohren fliegen. Nachdem Lustenau-Kepper Schierl den Ball fing und mit einem weiten Ausschuss auf Bobzien das Spiel schnell machte, agierten die Hütteldorfer schläfrig im defensiven Umschaltspiel. Kasanwirjo verlor als letzter Mann den Zweikampf gegen den Lustenauer Flügelspieler und dieser konnte schlussendlich ins lange Eck zum 1:0 einschieben. Ein absolut vermeidbarer Gegentreffer. Hierbei sei allerdings noch erwähnt, dass Rapid schon in Hälfte Eins nach eigener Ecke in einen Konter lief, der erst von Keeper Hedl mit einer starken Parade entschärft werden konnte.
Klauß reagiert auf den Rückstand
Der Rückstand entpuppte sich natürlich als Worst-Case-Szenario für Rapid. Den Gästen aus dem Ländle spielte der Führungstreffer freilich in die Karten. Jetzt konzentrierten sich die Mannen von Andreas Heraf noch mehr auf das Verteidigen, zumal man ja auch noch mit einem Mann in Überzahl war.
Robert Klauß reagierte rasch, indem er die beiden Außenverteidiger Auer und Kansawirjo aus dem Spiel nahm und durch Roman Kerschbaum und Neuzugang Isak Jansson ersetzte. Es handelte sich hierbei um keine Eins-zu-Eins-Wechsel, was eine leichte Änderung der Grundordnung zur Folge hatte.
Rapid agierte im Aufbau nun mit einer Dreierkette, bestehend aus Sattlberger (34), Querfeld (43) und Kerschbaum (5). Jansson (22) und Lang (10) nahmen die Rolle der Breitengeber ein. Durch die Positionierung von Grüll (27) und Seidl (18) besetzte man weiterhin die viel zitierten Halbräume.
Wie in der Abbildung ersichtlich reagierte Heraf auf die Umstellung des Heimteams und brachte Meisl sowie Tiefenbach für Torschütze Bobzien und Diaby. Auch hierbei handelte es sich nicht um Eins-zu-Eins-Wechsel, da Meisl ein gelernter Innenverteidiger ist. Die Gäste stellten ihre Grundordnung auf ein 5-3-2 um. So wollte man das Zentrum noch weiter verdichten und das Spiel des Gegners auf die Flügel lenken, auf denen Rapid nach der Umstellung ja nur noch mit einem Breitengeber agierte.
Rapid wählte nun den etwas direkteren Ansatz und versuchte es, auch bedingt durch die sich langsam aber sicher zur Neige gehenden Spielzeit. So waren es unter anderem vermehrt Chipbälle hinter die Kette auf den in die Tiefe startenden Burgstaller, die im Ansatz für Gefahr sorgten.
Entstehung einer Halbchance in Minute 71: Grgic (8) kann im Zentrum aufdrehen. In diesem Fall ist Lang (10) im ballnahen Halbraum positioniert, um den gegnerischen Innenverteidiger Meisl (55) zu binden. Burgstaller (9) nutzt dies für einen Tiefenlauf. Grgic spielt einen etwas zu langen Chipball in den Rücken der gegnerischen Abwehrkette, den Keeper Schierl aber abfangen kann.
Rapid stürmt, kann sich aber nur noch mit dem Ausgleich belohnen
Richtige Hochkaräter sollte sich Rapid aus dem Spiel allerdings nicht mehr erarbeiten können. Vielmehr waren es Standardsituationen, die für Gefahr im Strafraum der Gäste sorgten. So kam es nach einer Ecke zu einem vermeintlichen Handspiel des Lustenauers Grabher auf der eigenen Torlinie, das zu einem Elfmeter für Rapid und zu einem Platzverweis für den Lustenauer führte. Grüll verwertete den Elfmeter eiskalt zum Ausgleich in der 78. Spielminute. Im Stadion keimte nochmals Hoffnung auf und es sollte den Hütteldorfern tatsächliche beinahe gelingen, das Spiel komplett zu drehen. Erneut wurde es nach einer Ecke gefährlich – Burgstaller setzte den Kopfball an die Stange. Den Nachschuss von Seidl konnte Schierl aus kürzester Distanz sensationell parieren.
Fazit: Guter Matchplan, mangelhafte Umsetzung
Die Ideen von Robert Klauß und seinem Trainerteam, den erwartet tiefen Abwehrblock der Gäste aus Lustenau zu knacken, waren durchaus nachvollziehbar. Auch die Reaktionen auf gewisse Entwicklungen im Spiel wie zum Beispiel das Abkippen Seidls auf den rechten Flügel oder auch die Umstellung der Grundordnung nach dem Gegentreffer wirkten legitim und plausibel. Allerdings mangelte es an diesem Abend an der Umsetzung – man ließ Ball und Gegner laufen und öffnete so gute Räume. Allerdings verpassten die Hütteldorfer dann oft den richtigen Moment, den die vorhandenen Räume rechtzeitig zu bespielen.
Um eine kompakte und tiefer stehende Defensive auszuhebeln, bedarf es auch Mut in 1-gegen-1-Situationen, welche die Rapidler erst mit Fortdauer der zweiten Halbzeit suchten. Trainer Robert Klauß sollte nach dem Spiel festhalten, dass man schlampig im eigenen Ballbesitz agierte und sich so selbst das Leben schwer machte. In der einen oder anderen Umschaltsituation agierte die Heimelf schläfrig und inkonsequent, wie zum Beispiel bei der Entstehung des absolut vermeidbaren Gegentreffers.
Alles in allem war es nicht Rapids bester Tag, wodurch man es verpasst hat, den Einzug in die Meistergruppe zu fixieren. So kommt es kommenden Sonntag zu Showdown im direkten Duell mit Austria Klagenfurt. Spannung ist auf alle Fälle garantiert.
M T, abseits.at
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