Analyse: Offensiver Schlagabtausch geht an die Wiener Austria
Bundesliga 13.Februar.2024 Dalibor Babic
In der 18. Runde der österreichischen Bundesliga empfing der FK Austria Wien den TSV Hartberg zu einem Schlüsselspiel. Für die Violetten stand viel auf dem Spiel, lag man doch im Kampf um die Meistergruppe drei Punkte zurück und konnte sich gegen einen direkten Konkurrenten keine Niederlage und eigentlich nur einen Sieg erlauben. Auf der anderen Seite hatte der TSV Hartberg die große Möglichkeit, mit einem Sieg in der Bundeshauptstadt einen großen Schritt in Richtung Meistergruppe und vorzeitigem Klassenerhalt zu gehen. Spannung war daher geboten und das Spiel sollte auch nicht enttäuschen.
Hartberg zieht mutiges Ballbesitzspiel auf
In der Winterpause gab es auf beiden Seiten kleine punktuelle Veränderungen zu sehen, die aber jeweils einen Impact auf den Kader hinterließen. Die Austria verabschiedete mit Jukic und Braunöder zwei „Sechser“ und holte dafür mit Krätzig einen Linksverteidiger, während Hartberg mit Christoph Lang einen wichtigen Offensivspieler zu Rapid ziehen ließ.
Der Frühjahrsauftakt verlief für die Violetten dabei alles andere als berauschend und man musste sich im Cup dem SK Sturm mit 0:2 geschlagen geben. Um die zweite Niederlage in Serie zu verhindern, war daher eine Leistungssteigerung gefragt und Austria-Trainer Wimmer nahm auch einige interessante Veränderungen vor. Neuzugang Krätzig rutschte nach nur wenigen Trainingseinheiten direkt in die Startelf für Polster, dessen Defensivschwächen eine laufende Gefahr darstellen, während im Sturm etwas überraschend Eigenbauspieler Romeo Vucic den Vorzug vor dem besten Torschützen Andreas Gruber bekam.
Die wichtigste Frage war jedoch: Wie geht man die Partie gegen eine so spielstarke Truppe wie jene des TSV Hartberg an? Die Steirer spielen wohl den ansehnlichsten Fußball der Liga und sind bekannt für ihre mutige Spielweise, die auch schon wesentlich besser besetzten Mannschaften das Leben schwermachte. Hartberg kam mit einem offensiven 4-3-3 im Gepäck angereist und zeigten von Beginn an ihre gewohnte Spielanlage. Kontinuierlicher Spielaufbau unter der aktiven Einbindung des spielerisch starken Torhüters Sallinger, der mit den beiden Innenverteidigern in der ersten Aufbaulinie eine schwer zu pressende Einheit bildete. Davor positionierten sich Kainz und Sangare im „Sechserraum“ und sollten als Anspielstation fungieren, während man mit den zwei spielerisch starken Außenverteidigern Heil und Pfeifer nominell die Breite besetzte.
Vor allem die Dreierreihe im Aufbau in Kombination mit dem Torhüter, macht es den Gegnern schwer die Steirer anzupressen. Sofern man beispielweise aus einem 4-4-2 verteidigt haben die beiden Stürmer an vorderster Front eine ständige Unterzahl und laufen in Gefahr keinen Zugriff zu erlangen, da auch die beiden eigenen zentralen Mittelfeldspieler nicht nachrücken können um sie zu unterstützen, weil sonst keine richtige Absicherung mehr da und die gegnerischen Sechser frei wären. In dem Fall ist die Austria mit ihrem 3-4-3 besser gewappnet, da man mit der ersten Pressinglinie jene der Hartberger quasi spiegeln könnte. Das Problem ist nur, dass dann wiederum die beiden eigenen violetten Sechser auf die gegnerischen zentralen Mittelfeldspieler rausrücken müssten und damit wiederrum viel Raum im Zentrum öffnen würden. Eine strategische Zwickmühle, die von den Hartbergern bewusst genutzt wird, um genau diese Räume in der Offensive zu bespielen.
Also entschied sich Austria-Trainer Wimmer, die Pressinglinien anzupassen und auf den gleichen Ansatz zu setzten, den man im Hinspiel in Hartberg bereits wählte. Aus dem 3-4-3 wurde ein 3-4-1-2, mit einer 2-1 oder „V“ Staffelung an vorderster Front. Das Anlaufverhalten sah so aus, dass der Torhüter nicht angelaufen wurde und die beiden Stürmer erst attackierten, sobald die beiden Innenverteidiger an den Ball gelangten. Man stellte also quasi Torhüter Sallinger die Optionen zu und bot ihm nur die Innenverteidiger an, die aber anschließend unter Druck nur zurück oder in die Breite spielen konnten. Damit wollte man eine gewisse Statik kreieren und die Steirer einschläfern, um progressive Zuspiele zu verhindern, gleichzeitig aber trotz der nominellen Unterzahl diese mit dem geschickten Anlaufverhalten zu egalisieren. Prinzipiell wären ja noch immer die beiden „Sechser“ frei, jedoch positionierte sich „Zehner“ Fitz meist beim „ballnäheren“ Sechser, während aus der Etappe Kapitän Fischer nachschob und den zweiten Sechser im Auge behielt. Dieses Anlaufverhalten kann man beim nächsten Bild gut erkennen:
Hartberg im Spielaufbau, mit Torhüter Sallinger baut man eine Dreierkette auf und positioniert zwei „Sechser“ davor. Die Austria verteidigt mit einer 2-1 Staffelung, in der sich die beiden Stürmer an die Innenverteidiger orientieren, während Fitz den ballnahen Sechser deckt. Kapitän Fischer aus der Etappe orientiert sich am ballfernen Sechser.
Austrias Pressing ein Ritt auf der Rasierklinge
Doch Hartberg-Trainer Markus Schopp hat natürlich auch das Hinspiel analysiert und sich Gedanken gemacht, wie er die Pressingformation der Austria bespielen könnte. Er wählte einen sehr interessanten Ansatz, den genaue Beobachter auch schon im Bild erkennen konnten. Wie man oben sieht besetzten die Steirer den „Sechserraum“ nicht mit zwei, sondern gleich drei Spielern. Rechtsverteidiger Heil kippte nämlich im Ballbesitz immer wieder in den Sechserraum und füllte diesen im Spielaufbau zusätzlich auf, womit er seine angestammte Position verließ. Nicht nur um etwa einen weiteren Spieler für die Zirkulation im Zentrum zu haben, sondern als eine Art Lockvogel. Man attackierte nämlich den linken Flügelverteidiger Krätzig und wollte dessen taktisches Verhalten testen, da dieser mit den Pressingabläufen der Austria klarerweise noch nicht wirklich vertraut sein kann. Also schob er seinen Rechtsverteidiger ins Zentrum und wollte sehen, ob sich Krätzig aus seiner Position rausziehen ließ.
In der Anfangsphase orientierte sich Krätzig dann auch an seinen direkten Gegenspieler und ging damit quasi mit ihm mit ins Zentrum. Doch das öffnete wiederum die eigene linke Seite, wo die Falle der Hartberger dann zuschnappte. Rechtsverteidiger Heil war nämlich nur der Köder und sollte die rechte Flanke frei räumen. Da Krätzig nun im Zentrum war, blieb nur noch Halbverteidiger Galvao übrig, um hier nachzuschieben und den Raum zu schließen. Das Problem? Hartberg positionierte Mittelfeldspieler Avdijaj genau im Raum von Galvao, weshalb dieser nicht nachrücken konnte. Das Ergebnis? Ein vollkommen freier Flügelstürmer Providence, der im Umkreis von zehn Metern keinen Gegenspieler hatte und freie Bahn auf die letzte Kette hat:
Hartberg zieht Krätzig und Galvao geschickt aus ihren Positionen und überspielt damit das komplette Pressing, weshalb Flügelstürmer Providence nun völlig frei steht und mit einem einfachen Pass vom Innenverteidiger in die Breite freigespielt wird. Die Gäste können daher nun einen brandgefährlichen Tempoangriff fahren, in der sie noch dazu eine nummerische Gleichzahl vorfinden. Ein strategisch herausragender Schachzug von Markus Schopp.
Doch nicht diese strategisch klugen Schachzüge waren für die frühe Führung der Hartberger verantwortlich, sondern eher die klassische Brechstange. Nach einem weiten Outeinwurf beförderte man mit einem langen Ball das Spielgerät in den Strafraum, die Austria stellte sich nicht klug an und nach einer starken Parade von Torhüter Kos, verwertete Torjäger Entrup den Abpraller zum 1:0. Die Gäste sollten auch im Anschluss daran immer wieder gefährlich werden und zeigten vor allem den Mut, das Pressing der Austria zu überspielen. Speziell über die rechte Seite von Flügelverteidiger Ranftl gelang das hin und wieder, da dieser nicht immer das allerbeste Stellungsspiel zeigte, um Pässe auf Linksverteidiger Pfeifer zu unterbinden, weshalb man hier mehrmals aufgerissen wurde. Nach einem ähnlichen Muster kassierte man dann auch fast das 0:2, als erneut Entrup freigespielt wurde und Torhüter Kos mit einer starken Parade aus kurzer Distanz einen weiteren Gegentreffer verhindern konnte.
Doch so gut das Positionsspiel und der strategische Ansatz der Hartberger war, war es auch für die Gäste ein Ritt auf der Rasierklinge. Bereits in der Anfangsphase konnte die Austria einige hohe Ballgewinne verbuchen und mit dem eigenen Pressing dem Spiel ihren Stempel aufdrücken. Hier machte sich eine gewisse technische Limitiertheit dann doch bemerkbar und vor allem die beiden Sechser der Steirer waren für Ballverluste anfällig, da sie nicht pressingresistent waren. Die Gastgeber nutzten diese jedoch nicht gezielt aus und ließen aussichtsreiche Möglichkeiten liegen. Stattdessen sollte ein toller Spielzug den raschen Ausgleich besorgen, als zunächst Krätzig und Huskovic in der eigenen Hälfte auf der linken Seite eine Drucksituation stark lösen konnten und das Spiel verlagerten, ehe sie kurze Zeit später im Strafraum an den Ball kamen und Krätzig per Kopf auf Huskovic ablegte, der das 1:1 erzielte.
Speziell in der Szene zum Ausgleich zeigte die Bayern-Leihgabe Krätzig gleich, wie wichtig diese Verpflichtung sein kann. Mit seiner Pressingresistenz und Spielintelligenz bereicherte er sofort das Spiel der Austria und löste mehrmals Drucksituation auf beeindruckende Art und Weise auf. Kein Vergleich zu seinem Vorgänger Manuel Polster auf der Position, der unter Druck vogelwild wurde. In dem gleichen Tenor ging es dann auch im weiteren Verlauf weiter und lieferten sich die beiden Mannschaften einen offenen Schlagabtausch ab, der recht ansehnlich war. Die Austria konnte immer wieder Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte erzwingen und auch spielerisch recht schnörkellos ins letzte Drittel eindringen, während die Hartberger ebenfalls ihre Teilerfolge erzielten und hinter die Pressinglinie kamen, um dann gefährliche Tempoangriffe zu fahren. Hier war man jedoch im Strafraum zu ungenau beim letzten Pass, weshalb man nicht noch mehr Kapital daraus schlagen konnte. Die Austrianer hatten auf der anderen Seite durch Huskovic die große Möglichkeit auf das 2:1, jedoch scheiterte der Stürmer aus kurzer Distanz am Torhüter. Somit ging es mit einem 1:1 in die Kabine.
Ein Doppelschlag bringt die Austria auf die Siegesstraße
Nach dem Wiederanpfiff ging es für die beiden Mannschaften in der gleichen Tonart weiter und änderte sich nichts Gravierendes am Spielgeschehen. Einige Details wurden angepasst, wie etwa die Thematik des einrückenden Rechtsverteidigers von Hartberg, die die Austria besser verteidigt bekam. Die Partie nahm auch gleich wieder Volldampf auf und nach wenigen Minuten kamen die Hartberger nach einem Eckball zu einer guten Möglichkeit, fiel jedoch der Kopfball des aufgerückten Innenverteidigers Komposch zu schwach aus. Im Gegenzug sollte ein Fehler der Gäste prompt bestraft werden, als man sich spielerisch aus dem Pressing der Austria zu lösen versuchte und der wackelnde Sangare nicht zum ersten Mal einen schlimmen Ballverlust am eigenen Strafraum fabrizierte, der direkt vor die Füße von Fitz landete, der nur noch ins leere Tor einschieben musste. Ein kapitaler Fehler, der nicht überraschend kam und sich ankündigte. Die Violetten sollten wenig später direkt nachlegen, als nach einer langen Ballbesitzphase der Ball etwas glücklich zu Stürmer Vucic kam, der mit einem tollen Drehschuss ins Kreuzeck das 3:1 erzielte – Marke Traumtor!
Damit setzten die „Veilchen“ zwei dicke Ausrufezeichen und lagen plötzlich komfortabel mit 3:1 in Führung. Dadurch änderte sich die Spielanlage auch ein wenig und die Gastgeber gingen nun nicht mehr ganz vorne drauf, sondern stellten eher den Gegner eine Etappe weiter hinten zu und versuchten eine bessere Balance zu finden. Damit gab es für die Gäste nicht mehr diese Umschaltaktionen und Tempoangriffe, weshalb man sich schwerer tat, ins letzte Drittel zu gelangen. Hartberg ging nach und nach zu mehr Risiko über und versuchte dann den Anschlusstreffer zu erzielen, da die Austria auch die zahlreichen Umschaltaktionen nicht gut zu Ende spielte. Die Steirer kamen aber nicht mehr zu den ganz großen Möglichkeiten, weshalb es letztlich beim 3:1 Erfolg der Gastgeber blieb.
Fazit
Es war ein sehenswertes Spiel zweier Mannschaften, die beiden einen offensiven und mutigen Spielstil pflegen und sich nicht davor scheuten, etwas zu riskieren. Die Austria wusste in ihren Ballbesitzphasen zu gefallen und vor allem Neuzugang Krätzig gab dem Team einen spielerischen Boost, der in den nächsten Wochen wichtig sein könnte. Die Hartberger auf der anderen Seite kamen mit einem strategisch tollen Matchplan an den Verteilerkreis und zeigten in vielen Situationen, warum sie völlig zurecht so weit oben stehen. Allerdings merkte man hier und da die fehlende Qualität in den entscheidenden Situationen und lud man die Austrianer mit vermeidbaren Fehlern zum Tore schießen ein. Da sich die Violetten mal zur Abwechslung recht effizient präsentierten, erzielte man auch zum erst zweiten Mal in dieser Ligasaison mehr als zwei Treffer in einem Spiel und sicherte sich somit wichtige drei Punkte, womit man Boden wiedergutmachen konnte.
Dalibor Babic
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