Praktisch mit Ansage verlor der ersatzgeschwächte SK Rapid auswärts in Linz mit 1:3. Mit Ansage deshalb, weil man bei Rapid praktisch schon zugibt, sich... Analyse: Pressing- und zugriffslose Rapid-Elf verliert verdient in Linz

Praktisch mit Ansage verlor der ersatzgeschwächte SK Rapid auswärts in Linz mit 1:3. Mit Ansage deshalb, weil man bei Rapid praktisch schon zugibt, sich nicht auf die Spielweise des Gegners einstellen zu wollen, sondern lieber stur sein eigenes Spiel durchzieht, auch wenn der Gegner offensichtliche qualitative Vorteile mitbringt. Und das geht eben nicht, wenn der Gegner selbst wiederum die Schwächen Rapids bespielt…

Das Bild zeichnete sich wie so oft von selbst. Rapid lief mit demselben Mittelfeldzentrum wie im Derby – mit Pejic, Kerschbaum und Oswald – auf und offenbarte schnell die üblichen Schwächen. Von Beginn an war das Zentrum im Kopf nicht schnell genug, in der Entscheidungsfindung zu langsam und zudem nicht pressingresistent.

Die Fehler in der ersten Halbzeit bedürfen keiner neuerlichen Analyse. Einerseits, weil sie ohnehin für alle Zuseher offensichtlich waren, andererseits, weil genau dieselben Fehler bereits x-fach nach den letzten Spielen analysiert wurden. Um zu sehen, dass Rapids erste Halbzeit inferior war, muss man wahrlich kein Fußballfachmann sein.

Es lohnt sich allerdings, die eine oder andere Einzelpersonalie und trügerische Analysewerte zu beleuchten.

Burgstaller schlussendlich doch nicht zu ersetzen

Zunächst wäre da Rapids „Neuner“-Position, über die im Vorfeld wegen der Gelbsperre von Guido Burgstaller viel gesprochen wurde. Anstelle des Rapid-Kapitäns kam Ferdy Druijf als Mittelstürmer zum Einsatz. In der ersten Halbzeit wurde dadurch die Wichtigkeit Burgstallers sehr klar sichtbar.

Druijf kommt bei Rapid häufiger als Zehner zum Einsatz, wo er praktisch als „tiefer Wandspieler“ Bälle festmachen und verarbeiten soll. Als Neuner ist seine Aufgabe aber eine andere und Druijf antizipiert als Stürmer wesentlich passiver. So gab es in der ersten Halbzeit nicht nur kein hohes Anlaufen Rapids, sondern auch zu wenig Abstimmung innerhalb der Offensivreihe.

Burgstaller ist wie ein Coach auf dem Platz. Er sieht exakt, wann ein Ball im gegnerischen Aufbau es wert ist, darum zu kämpfen, hat ein perfektes Gefühl für Pressingsituationen. Nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch was seine Nebenspieler betrifft. Burgstaller teilt ein und sagt – vereinfacht gesprochen – seinen Hinter- und Nebenleuten, wo sie hinlaufen sollen und wo es etwas zu erben gibt. Da es bei Rapid kein mannschaftliches Konzept für hohes Offensivpressing gibt, sondern eher situativ gehandelt wird, ist dies unabdingbar für einen erfolgreichen Kampf gegen den Ball im letzten Drittel bzw. im Übergang vom zweiten ins letzte Drittel.

LASK spielt „such’s Balli“

Dies fiel in der ersten Halbzeit gegen den LASK vollkommen weg. Druijf trabte in der ersten Pressinglinie zumeist „verschiebend“ mit dem gegnerischen Spielaufbau mit, bekam aber niemals Zugriff. Er suchte ihn auch nicht. Dadurch und aufgrund des fehlenden „On-Field-Coachings“, das man von Burgstaller gewöhnt ist, war auch die zweite Pressinglinie Rapids ausgesprochen passiv. Der LASK konnte den Ball somit praktisch nach Belieben zirkulieren lassen – und zwar bis zu Rapids Strafraum.

Somit kommen wir schon zum ersten „trügerischen“ Analysewert.

Ein moderner Analyse-Wert, der benutzt werden kann, um die Pressingintensität einer Mannschaft zu messen, ist der „PPDA“-Wert. PPDA steht für „Passes Allowed Per Defensive Action“ und setzt die gegnerischen Pässe in Relation zu Defensivaktionen, wie etwa Tacklings, Fouls oder Interceptions. Je niedriger dieser Wert ist, desto aktiver ist das Pressing eines Teams.

Der allgemeine Wert sagt nicht aus, in welchen Zonen gepresst wird, sondern nur wie intensiv dies getan wird. Unter gewissen Umständen kann man also auch relativ (!) tief pressen (also z.B. klassisches Mittelfeldpressing) und dennoch einen niedrigen (also guten) PPDA-Wert aufweisen. Dies hängt auch mit der Spielweise des Gegners zusammen. Allerdings: Der PPDA-Wert misst nur Aktionen, die in 60% des Spielfeldbereichs vor dem gegnerischen Tor stattfinden, also bis knapp hinter der Mittellinie, weil man in den „eigenen 40%“ nur selten in die Verlegenheit kommt, pressen zu müssen.

In der ersten halben Stunde des Spiels – möglicherweise der schwächsten halben Stunde Rapids in dieser Saison und zugleich, auch dadurch bedingt, eine der stärksten des LASK – hatte Rapid einen PPDA-Wert rund um bzw. teilweise sogar über 20. Das ist ein enorm hoher Wert, der davon zeugt, dass man absolut keinen Zugriff bekam. Zum Vergleich: Den höchsten (und damit schlechtesten) PPDA-Wert über die gesamte Saison hat in der Bundesliga derzeit die SV Ried mit 12,05.

Man sieht allerdings auch, dass sich Rapid zum Ende der ersten Halbzeit hin ein wenig fing und dann gut und intensiv aus der Kabine kam, woraus auch das 1:2 durch Druijf resultierte. Danach glichen sich die Werte der beiden Mannschaften nach und nach ein wenig an, was seine Gründe hatte.

LASK gibt das Spiel aus der Hand und lauert

Wie bereits erwähnt, ist der später positiver werdende Verlauf dieses Graphen trügerisch. Dies hängt mit dem Spielverlauf und der insgesamt guten Reaktion des LASK zusammen. Mit dem 2:0 im Rücken, überließen die Linzer den Ball den Hütteldorfern und zogen sich als Block weiter zurück. Dies hatte zur Folge, dass Rapid natürlich mehr Ballbesitz hatte und Lösungen suchen musste.

Hier der Verlauf des Ballbesitzverhältnisses über die gesamte Partie:

Daraus wiederum resultierte, dass der LASK nun mehr gegen den Ball machen und auf Konter lauern konnte. Da man dies aufgrund der Führung nicht besonders aktiv machen musste, fiel der PPDA-Wert der Linzer auf bis zu 15 ab. Man verschob mit Rapid mit und stellte die Gegenspieler, ohne aktiv zuzugreifen. Viel mehr wartete man auf Fehler durch den Gegner.

Dies war eine Situation, mit der Rapid erst Recht nicht klarkam. Das zeigen auch die effektiven Zweikampfzahlen in der zweiten Halbzeit.

Alle Daten von Wyscout S.p.a.

Rapid bekam den Ball nun also zugeschanzt und sollte Lösungen finden, während der LASK auf der Lauer lag. Weil das Spiel gegen den Ball für den LASK nun aber bequemer zu managen war, rasselten die Zweikampfwerte Rapids in den Keller – auf bis zu 35% Zweikampfquote. Klar: Offensiv gewinnt man für gewöhnlich weniger Zweikämpfe als defensiv und Rapid war nun mal aufgrund des Spielstands von 1:2 gezwungen, offensiv aktiver zu werden. Deshalb waren die Zweikampfwerte in der zweiten Halbzeit deutlich niedriger als in der ersten, in der man eher versuchte, möglichst viel „wegzuräumen“. Das ist auch grundsätzlich kein großes Problem, wenn man die „richtigen“ Zweikämpfe gewinnt und eine gewisse Intensität aufrechterhält.

Wie man auf der ersten Grafik (PPDA-Wert) sieht, war es ähnlich wie im Derby eine Verletzungsunterbrechung, die Rapid wieder ein wenig aus dem Tritt brachte. Als Alexander Schlager nach seinem Zusammenstoß mit Marco Grüll behandelt werden musste, verlor Rapid seinen kurz aufflackernden Drive – und die Werte normalisierten sich, bis eben der LASK den einen Fehler vorfand, auf den man davor lange gewartet hatte. Diesen machte schließlich Ante Bajic mit einem haarsträubenden Rückpass, der in weiterer Folge zum 3:1 für die Linzer und damit zur Entscheidung führte.

Der trügerische xG-Wert

Apropos Verletzungsunterbrechung: Als sich LASK-Keeper Schlager am Hinterkopf verletzte, war gerade erst die große Ausgleichschance für Rapid vorangegangen. Grülls Kopfball und Greils Abstauber wären der Moment gewesen, in dem die Partie (zumindest kurzfristig) hätte kippen können. Es sollte der einzige Moment bleiben, in dem das möglich war.

Thema „trügerische Werte“: Die Expected Goals Statistik dieses Spiels sagte am Ende 3.53 : 1.58 für den LASK. Das 3:1 scheint demnach leistungs- und auch datengerecht.

Aber das Aufschlüsseln der einzelnen Rapid-Aktionen zeigt, dass der xG-Wert für Rapid durchaus schmeichelhaft ist. Ferdy Druijfs Tor zum 1:2 hatte einen xG-Wert von 0.14 und dank seines hervorragenden ersten (und einzigen) Kontakts zappelte der Ball im Netz. Der darauffolgende Kopfball von Grüll hatte einen xG-Wert von 0.30 und der Abstauber von Greil, der am Tor vorbeiging, 0.79, was gleichbedeutend mit einer „Hundertprozentigen“ wäre.

Ohne diese Doppelchance, in der Rapid also insgesamt 1.09 xG sammelte, wären die Hütteldorfer gerade mal auf 0.49 xG gekommen. Der Wert wurde durch eine einzelne Aktion also kräftig erhöht und lässt es am Ende in „absoluten xG-Zahlen“ so aussehen, als wäre Rapid durchaus gefährlich gewesen, was man aber in Wahrheit nie war.

Koscelnik als einziger Lichtblick

Und apropos Gefahr: Wenn die Hütteldorfer einen Hauch von situativer Überlegenheit ausstrahlten, dann vor allem über Martin Koscelnik, der seine erste Partie nach fünf Monaten bestritt. Der Slowake spielte eine beherzte Partie, band den Star der Linzer, Keito Nakamura, in recht tiefen Feldpositionen und ließ ihn nicht entfalten. Koscelnik überzeugte auch mit guter Körpersprache und machte nie den Anschein, sich unterkriegen zu lassen – auch nicht in den schwächsten Phasen der Wiener.

21 Attacken gingen über seine Seite – und damit um drei mehr, als Attacken über links und das Zentrum zusammen. Seine Leistung war wohl auch ein Sinnbild dafür, dass er mental unverbraucht agierte und bei einigen der schwachen Leistungen der letzten Monate nicht auf dem Platz stand. Nach seiner langen Verletzungspause erwartete niemand Wunderdinge von ihm, aber genau deshalb spielte er frei von der Leber weg. Eine Mentalität, die bei Rapid auch am Mittwoch gegen Salzburg und vor allem am Sonntag im Cup-Finale gegen Sturm Graz dringend gefragt ist. Die Köpfe freizukriegen ist die oberste, grün-weiße Maxime für diese Woche der Wahrheit – denn konzeptuell wird sich bis zum Cup-Finale nicht mehr viel ändern…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen