Analyse: Punkteteilung zwischen Sturm und Rapid
Bundesliga 11.September.2016 David Goigitzer 1
Rapid und Sturm teilten sich gestern die Punkte. Der SK Sturm zeigte einmal mehr ein sehr mannorientiertes, tiefes Verteidigen, während die Rapidler versuchten das Spiel zu gestalten, was ihnen zunächst nicht sonderlich effektiv gelang. Wir haben uns für euch diese interessante Partie genauer angesehen.
Prinzipielle Ausrichtungen
Rapid trat im gewohnten 4-2-3-1 an, auch in ihrem Mittelfeldpressing wählten sie diese Formation. Aufgrund der Mannorientierungen verschob sich diese natürlich ständig, sodass oftmals 4-4-1-1, aber auch 4-1-4-1 Staffelungen entstanden. Das war jedoch kaum zu sehen, da Rapid die meiste Zeit den Ball hatte, man kratzte an der 70%-Ballbesitz-Marke. Zu erwähnen ist jedoch das Gegenpressing, das mit viel Intensität und auch kollektiv ausgeführt wurde. Jedoch mussten die Spieler aufgrund nicht optimaler Verbindungen öfters diesen strukturellen Nachteil fürs Gegenpressing mit Laufbereitschaft auffangen, wenngleich vor allem auf den Flügeln die Abstände nicht allzu weit auseinandergezogen waren.
Im Aufbau hatte Mocinic meist die tiefere Rolle inne und kippte in der ersten Phase des Aufbaus auch öfter zwischen Schösswendter und Dibon an, um den Ballvortrag gegen die Doppelspitze im Pressing der Grazer zu erleichtern, teilweise kippte auch Schwab diagonal ab. Der Weg ins Spielfeldzentrum war für Rapid jedoch ein beschwerlicher: Die Mannorientierungen Sturms machten den Rapidlern zu schaffen, bis auf Schwab und Mocinic gab es kaum Spieler, die sich konstant aus der Bewachung lösten. Bei Mannorientierungen ist ein weiträumiges und schnelles Freilaufverhalten sehr wirksam, die Offensive der Grün-Weißen verabsäumte dies jedoch. So konnte man den Ball aufgrund der tiefen Ausrichtung Sturms öfter bis in die gegnerische Hälfte tragen. Von da an fehlten jedoch die Verbindungen für Mocinic und Schwab, die kaum Anspielstationen in die Zwischenlinienräume hatten.
Sturm, ebenfalls im 4-2-3-1 angetreten, hatte eine klare Rollenverteilung im Mittelfeld: Jeggo agierte als tiefster Sechser und ließ sich auch öfter zwischen beide Innenverteidiger fallen, um den Spielaufbau zu erleichtern. Hierländer und Matic hatten höhere Rollen inne, situativ stach einer der beiden sogar in die letzte Linie vor und unterstützte Mittelstürmer Alar. Durch die hochschiebenden Verteidiger und Horvath und Huspek in den Halbräumen kreierte man so eine 3-4-3-Grundordnung, die viele Möglichkeiten zur Ballzirkulation bot. Dennoch schaffte man es nur selten einen geordneten Spielaufbau zu betreiben, da Rapid das Zentrum ausreichend verschloss und es keine sichtbaren Abläufe in der ersten Aufbauphase gab, um das Pressing der Rapidler auszuspielen. So gab es meist Durchbruchsversuche über die Flügel mit Doppelpässen der Außenverteidiger, wobei vor allem Koch so immer wieder in höhere Positionen kam. Ansonsten wählte man den hohen Ball in die Tiefe, Alar suchte immer wieder den Rücken der Abwehr.
In höheren Zonen angekommen, suchte man meist früh den Abschluss, oder auf der Seite eben die Flanke. Hierbei besetzte vor allem Alar immer dynamisch den Strafraum, manchmal kam auch Hierländer dazu. Der ballferne Flügelstürmer sowie die vorsichtig nachrückenden Achter waren vor allem auf Konterverteidigung bedacht, welche auch meist gelang.
Das 4-4-2 Mittelfeldpressing der Blackies wurde sehr mannorientiert interpretiert. Im Mittelfeld wurden die Gegenspieler meist eng verfolgt, außer man erahnte eine Chance auf Ballgewinn, dann gab es durchaus Situationen in denen aus der Formation gesprintet wurde. Die Deckungsschattennutzung bei diesen herausrückenden Läufen waren meist jedoch alles andere als optimal, sodass sich hier Chancen für die Wiener boten den Ball in Schnittstellen zu spielen. Die Gäste verabsäumten dies jedoch die meiste Zeit. Es boten sich überhaupt einige Gelegenheiten für die Rapidler, die Manndeckungen zu bespielen. Vor allem am Flügel gingen die Grazer Außenverteidiger immer weit mit und verfolgten die Flügelstürmer Rapids bis tief in die Halbräume und ließen so offene Räume frei. In diese startete jedoch niemand vonseiten der Rapidler hinein, weshalb dieses schwache Abwehrverhalten nicht bestraft wurde.
Rapid ohne Durchschlagskraft, Sturm deckt den Mann
Rapid dominierte den Ballbesitz, Sturm kontrollierte jedoch den Raum, den sie kontrollieren wollten: Ab 30 Meter vor dem Tor war Schluss für die Gäste aus der Hauptstadt, die meist nur simple Verlagerungen auf die Flügel spielten, was einige Flanken zufolge hatte. Joelinton und Szanto standen zu oft auf einer Linie, Traustason und vor allem Schaub zeigten sich deutlich aktiver, jedoch fehlte oft die Dreiecksbildung und die Ballzirkulation konnte so kaum penetrierend wirken. Zudem reagierte man auf formative Lücken der Sturm-Mannschaft viel zu langsam oder gar nicht. Durch die Mannorientierungen öffneten die Mannen von Franco Foda immer wieder leicht bespielbare Räume, die Rapidler schienen diese aber zu spät oder gar nicht wahrzunehmen.
Sturm agierte sehr mannorientiert im Pressing. hier läuft sich der Rapid-Flügelstürmer in den Halbraum frei und wird verfolgt.
Ein Raum hinter Sturms Außenverteidiger entsteht. Diese und ähnliche Szenen gab es oft in diesem Spiel zu sehen, in der ersten Halbzeit wusste Rapid sie jedoch nicht zu nutzen.
Zu allem Überfluss erzielte Sturm nach einem Eckball, der nach einer Großchance aus einem Konter entstand, in der 22. Minute das 1:0. Kapitän Christian Schulz stieg am höchsten und köpfte den Ball zur 1:0 Führung ein. Nach dem Treffer richtete sich Sturm noch etwas tiefer und passiver aus und lockte die Rapidler in ihre Hälfte. Dies barg natürlich Risiken, vor allem Schaub sorgte mit seinen starken Dribblings für Gefahr. Die tiefe Ausrichtung ermöglichte jedoch viel Platz hinter der Rapid-Abwehr für Konter, und zwischen Strebinger und der Abwehrkette klaffte eine große Lücke. So drohte stets die Gefahr eines gefährlichen Konters, zwei Mal kam Sturm auch auf diese Weise vor das Tor der Gäste, konnte jedoch nichts Zählbares daraus machen.
Eine kleine Anpassung.. und prompt läuft das Werk’l
Rapid kam nach der Pause wiederbelebt aufs Spielfeld zurück. Wiederbelebt von dem Umstand, dass Schaub und Traustason sich nun enger und diagonal versetzt zu Joelinton bewegten. So hatten die Wiener, nun auch oft mit einer 1-2-Formation im zentralen Mittelfeld, deutlich bessere Strukturen im Ballbesitz und konnten das Pressing der Grazer sehr leicht ausspielen. Durch die Mannorientierungen war es für die Steirer nämlich sehr schwer Kompaktheit zu bewahren, dies war sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen der Fall. Durch Direktpässe in die offenen Räume und Spiel über den dritten Mann war das Ballbesitzspiel der Gäste nun deutlich kohärenter. So verwunderte es nicht, dass die Mannschaft von Mike Büskens bereits in der 54. Minute den Ausgleich erzielte. Nach starkem Dribbling von Schaub wurde dessen Schuss zwar abgewehrt, Szanto brachte aber den Nachschuss im Gehäuse der Grazer unter.
Eine Anpassung der Grazer fand nicht statt, Foda ließ seine Mannschaft so wie zuvor weiterspielen. Ein 4-1-4-1 im Pressing hätte jedoch die Möglichkeit gegeben die Halbräume besser zu versperren und Durchbrüche der Rapidler zu verhindern, sowie deren Übermacht im Zentrum wieder auszugleichen. So blieb man aber beim 4-4-2 und wurde immer unkompakter und musste den Grün- Weißen mehrere Male hinterherrennen. Der Vorteil am 4-4-2 blieb jedoch natürlich die Doppelspitze, die bei schnellen Kontern von Vorteil war. Eine Umstellung auf 4-3-1-2 wäre jedoch auch möglich gewesen und hätte den Doppelsturm erhalten. Auch auf den eigenen Aufbau hätten sich beide Formationen positiv ausgewirkt und man hätte vielleicht nicht derart oft den Ball hoch nach vorne schlagen müssen.
Die Außenverteidiger Rapids wurden immer aktiver und waren immer wieder in höheren Zonen zu finden. Dies hatte den Vorteil der „Befreiung“ der zentralen Spieler, da der Gegner auch auf die Breite Acht geben muss und sich vor allem in einer mannorientierten Defensive leichter auseinanderziehen lässt. Zudem gab es nun mehr Optionen für Verlagerungen auf die ballferne Seite, die aufgrund der höheren Positionen von Schrammel und Pavelic auch mehr Raumgewinn bedeuteten. In Halbzeit zwei hatte man noch zu langsam diese Verlagerungen gespielt und die beiden Außenverteidiger bekamen den Ball oft nur ungefähr auf Höhe der Mittellinie. Nun liefen sie in die Räume hinein und konnten nach diesen Verlagerungen die Dynamik des Angriffs aufrechterhalten oder sogar erhöhen.
Dennoch hatte Sturm durch schnelle Konter die Chance die Führung wieder herzustellen. Das Gegenpressing der Rapidler griff zwar oft, wenn es dies jedoch nicht tat, ließen sich Schösswendter und der eingewechselte Hofmann sehr leicht mit Bällen in die Tiefe entblößen. Zu spät passten sie ihre Positionen an und antizipierten die hohen Bälle nicht rechtzeitig, sodass sich die wendigen Stürmer Alar und Hierländer immer wieder im Rücken der Abwehrkette davon schleichen konnten. Zwar schöpfte Foda noch sein gesamtes Wechselkontingent aus und brachte Schmerböck, Dobras und Kienast, dies hatte jedoch keinerlei Folgen, da auch die Struktur das größere Problem war. Einfach Offensivspieler einzuwechseln macht in solchen Situationen nur wenig Sinn.
Fazit
In der ersten Halbzeit kontrollierte Sturm trotz des geringen Ballbesitzes mit der tiefen Defensive das Geschehen, nach der Anpassung in der zweiten Halbzeit aufseiten Rapids lief das Spiel jedoch deutlich flüssiger bei den Gästen. Jedoch konnte das Team von Büskens aus den Chancen, die sie sich nach der Pause herausspielten, nur eine nutzen. Sturm blieb, bis auf kleine Ausreißer bei Kontern, weitestgehend harmlos.
David Goigitzer, abseits.at
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David Goigitzer
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