Dank einer sehr reifen Leistung mit kühlem Kopf besiegt der SK Rapid den SK Sturm Graz mit 4:0 und setzt sich damit an die dritte Stelle der Bundesliga – punktegleich mit dem zweitplatzierten WAC. Gerade nach der mutlosen Leistung in Salzburg und der bitteren 0:2-Niederlage mit drei Verletzten tut dieser Befreiungsschlag den Hütteldorfern besonders gut.
Didi Kühbauer stellte für das Heimspiel gegen Sturm die Formation um: Nachdem man in Salzburg noch versuchte, ein defensiv ausgerichtetes 3-4-3 mit pendelnder Viererkette zu vereinen, lief man auf gewohntem Rasen gegen Sturm in einem klassischen 4-2-3-1-System auf. Die auf den ersten Blick markanteste Änderung war hierbei, dass Kelvin Arase von der rechten auf die linke Seite rückte und die spielerischen Synergien, sowohl mit dem zentralen Mittelfeld, aber auch mit Ullmann und dem immer wieder ausweichenden Fountas sofort besser gegeben waren. Rapid hatte hiermit eine neue Dimension in seinem Spiel, die im rechtslastigen, aber offensiv ohnehin sehr mauen Spiel gegen Salzburg komplett fehlte.
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Sturm spiegelt Rapid-Aufstellung und hofft auf Dynamik
Nestor El Maestro versuchte die Formation der Hütteldorfer zu spiegeln und hoffte auf die Dynamik seiner Spieler. Deshalb spielte auch der häufiger pendelnde Thorsten Röcher im Sturmzentrum, Hoffnungsträger Despodov wurde am linken Flügel sehr häufig gesucht. Das Mittelfeld sollte mit einer klassischen 6-8-10-Staffelung auskommen, um die Wege durch die Mitte flüssig zu gestalten. Dies gelang Sturm aber wegen massiver Probleme in der Zentrumsbalance und schwachem, fehlerbehafteten Aufbauspiel nie – was aber auch an der Herangehensweise der Hütteldorfer lag. Doch von Anfang an.
Abtasten mit Erkenntnissen
Die erste Viertelstunde war als Abtasten zu charakterisieren. Die Wichtigkeit der Partie war zunächst beiden Teams anzumerken, wobei Sturm in den ersten Minuten erste Teilerfolge verbuchte und Rapid speziell auf der Suche nach Aufbaustabilität war, ohne ins offene Messer zu laufen. Sturm presste von Beginn an relativ hoch und wollte die Dynamik und Physis der Flügel und Röchers ausnutzen. Rapid war zunächst darauf bedacht, Sturm im Spielaufbau ein wenig laufen zu lassen und damit klarzustellen, wer hier dauerhaft die Feldüberlegenheit übernehmen möchte. Stück für Stück baute Rapid Souveränität auf und erkannte auch, dass Sturm durch die schwache Staffelung im Mittelfeld einen schnörkellosen Aufbau durch die Mitte zulässt.
Rapid baut Spielkonzept auf
Nach gut 20 Minuten veränderten sich als Resultat dessen zwei Aspekte: Stefan Schwab wurde stärker und Rapid wurde im Pressing wesentlich griffiger. Es schien auch so, als wäre die Kommunikation bei den Hütteldorfern in dieser Phase besser geworden. Die Zentrumsüberladungen funktionierten immer häufiger, Rapid verschob besser im Block und stand vor allem dann sehr kompakt, wenn Schick leicht nach innen kippte und damit eine Art „Viererzentrale“ mit Knasmüllner, Schwab und Ljubicic bildete. Daraus resultierte schließlich auch das 1:0.
Schicks wichtige Einrückbewegungen
Eine dieser Einrückbewegungen nützte Schick für einen Assist-Assist per Kopf, nachdem Sturm-Keeper Siebenhandl einen Abschlag nicht weit genug herausbrachte. Der überragende Taxiarchis Fountas, der am Ende des Tages einen Treffer und drei Assists verbuchen konnte, bediente Kelvin Arase mustergültig und dieser schob locker zum 1:0 ein. Die Einrückbewegungen von Schick führten in den folgenden Minuten zu einer weiteren Chance für Knasmüllner und einer Doppelchance für Fountas und Knasmüllner. Wenn Schick von Stojkovic hinterlaufen wurde, nützte er die Gelegenheit, um sich gut zehn Meter nach innen fallen zu lassen, was bei Sturm massive Probleme in der Zuordnung auslöste.
Arase schnürt Doppelpack und bleibt in der Kabine
Ein Schick-Eckball leitete schließlich das 2:0 ein. Zwei Sturm-Spieler konnten sich nicht entscheiden, wer den Ball klären sollte, Fountas deckte die Kugel gut gegen Spendlhofer ab und legte auf Kelvin Arase ab, der seinen vierten Saisontreffer markierte. Ab der 20.Minute hatte Rapid das Spiel vollständig im Griff und hätte auch schon höher führen können. Umso überraschender war Kühbauers Wechsel zur Pause, der Arase herausnahm und Kitagawa brachte. Es war eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund eines leicht ziehenden Muskels. Fountas rückte auf den linken Flügel, wo er noch sehr viele Räume bekommen sollte.
Sturm mit „perfekten“ Passstatistiken
Schon zur Pause überraschte ein Blick auf die Matchstatistiken, wonach Sturm 60% der Zweikämpfe gewann und eine höhere Passgenauigkeit aufwies. Genau diese eigentlich positiven Statistiken waren aber Knackpunkte für die Grazer. Einerseits wurde gerade auf der Zentralachse zu viel quer gespielt und zudem noch ausgesprochen riskant und teilweise ins Pressing der Hütteldorfer hinein, weshalb man praktisch nur mit weiten Bällen auf Despodov, nicht aber mit sauberem Spiel durch die Mitte Gefahr ausstrahlen konnte. Juan Domínguez brachte 95% aller Bälle an den Mann, in der gegnerischen Hälfte sogar 100%. Das ist für einen Sechser bei einem 0:2-Rückstand aber zumeist kein besonders gutes Zeichen – ebenso wenig, wenn man als Sechser in einer Stunde nur 20 Pässe spielt…
Nach Zweikampfverlusten: Rapid formiert sich und wartet clever auf Fehler
Andererseits war die Zweikampfstärke der Grazer trügerisch: Sturm gewann zwar viele Duelle, hatte aber in der Weiterverarbeitung schwere Probleme. Rapid musste nicht mal konsequent auf den zweiten Ball gehen und gegenpressen, sondern sich nach verlorenen Zweikämpfen lediglich im Raum sortieren. Dadurch wurden die Gruppenbildungen in Rapids Zentrale stets engmaschig und Sturm wurde schon durch den Druck, schnell etwas mit dem Ball machen zu müssen (natürlich auch wegen des Rückstands) zu leichtsinnigen Fehlern gezwungen. Den Grazern hätte es gutgetan, das Spiel häufiger neu aufzubauen und Sicherheit in der eigenen Abwehr zu suchen. Doch in der Abwehr machte man ähnliche Fehler, präsentierte sich im Herausspielen zu pomadig und unpräzise, wenn man nicht gleich den entscheidenden Zweikampf verlor, wie etwa Spendlhofer gegen Petrovic in der Szene, die zum Elfmeter führte.
Greimls Tackling gegen Despodov bringt Rapid noch mehr Sicherheit
Eine Schlüsselszene im Spiel gab es unmittelbar nach Wiederanpfiff: Zuerst nützte Rapid das schlechte defensive Umschaltspiel der Grazer, um einen perfekten Konter zu fahren. Fountas fand mit seinem Idealpass Kitagawa, der jedoch noch nicht vor Selbstvertrauen strotzt und den Sitzer ausließ. Im Gegenzug verlängerte Röcher einen weiten Ball in Richtung Despodov, der aber in letzter Sekunde vom (fehlerlosen) 18-jährigen Leo Greiml mit einem Tackling am Abschluss gehindert wurde. Es war die einzige Chance für Sturm, um noch einmal ins Spiel zurückzufinden.
Rapid wartet und schaltet gut um
Rapid war daraufhin weiterhin konzentrierter, während die Grazer immer mehr mit der vergebenen Anschlusschance haderten. Die Hütteldorfer stellten die Räume sehr clever zu, pressten mit mittlerer Intensität und vor allem erst im zweiten Drittel. Damit nützte man die massiven Aufbauschwächen der Grazer aus und setzte den Gegner genau in den Zonen unter Druck, wo Sturm große Probleme in der Ballweiterverarbeitung hatte. Selbst nach gewonnenen Sturm-Zweikämpfen hatte Rapid zumeist schnell wieder den Ball, weil Sturm deutlich zu viele ungezwungene Fehler auf Zweikämpfe folgen ließ, anstatt sich an den neuralgischen Punkten zu sammeln und die Staffelung an die von Rapid anzupassen.
Sturm wird noch zentrumslastiger – Rapid kontert problemlos
Auch von Trainer Nestor El Maestro wurde die Mannschaft nicht gerade unterstützt, denn neben offenbar mangelhaftem In-Game-Coaching, nahm der junge Trainer nach einer Stunde auch noch Kirill Despodov aus dem Spiel – und damit den einzigen Sturm-Akteur der Gefahr ausstrahlte. Das Sturm-Spiel wurde dadurch noch zentrumslastiger, worauf Rapid mit einem häufigeren, simplen Abkippen von Dejan Ljubicic zwischen die Innenverteidiger reagierte. Sturm biss sich dadurch nicht nur im dichten Zentrum die Zähne aus, sondern lief auch noch ins offene Messer.
Ein Tag zum Vergessen für Sturm
Die Hütteldorfer spielten gegen den Ball eine ausgezeichnete zweite Halbzeit, ohne sich körperlich bzw. in Zweikämpfen zu sehr aufzuopfern. Zudem wurde Sturm nun durch schnelle Umschaltaktionen auseinandergenommen. Dass ein strittiger Elfmeter und ein Tor aus Abseitsposition die beiden weiteren Treffer markierten, ist für die Blackies bitter, passte aber auch zum verbrauchten Tag für die Grazer. Mit etwas mehr Nachdruck hätte Rapid aber noch weitere Tore erzielen können und so geht das 4:0 auch in dieser Höhe in Ordnung.
Was man sonst noch beobachten konnte
– Fernsehkommentatoren sollten Spielern wie dem 18-jährigen Leo Greiml nicht wegen eines Fehlers, der vor einem Jahr passierte, vor dem Spiel „sehr wahrscheinliche Fehler“ prognostizieren. Außer sie sehen den Spieler regelmäßig, etwa bei der zweiten Mannschaft der Hütteldorfer. Das hat Marc Janko offenbar nicht. Und Leo Greiml spielte eine tadellose Partie, spielmitentscheidendes Tackling gegen Kirill Despodov inklusive.
– Vier Torbeteiligungen in einem Spiel gelangen in der laufenden Saison noch keinem Rapid-Spieler. Der Grieche Taxiarchis Fountas war nun der Erste, dem dieses Kunststück gelang. Die Selbstverständlichkeit in seinem Spiel, aber auch seine perfekten Laufwege und Aufdrehbewegungen waren absolute Schlüssel für den Sieg der Wiener. Technische Fertigkeiten sieht man übrigens auch Koya Kitagawa an, dem aber eben noch die Selbstverständlichkeit eines Taxi Fountas fehlt.
– Christoph Knasmüllner wurde in einer Phase ausgewechselt, als er gerade besser ins Spiel fand. Zuvor fiel er vor allem durch zwei vergebene Torchancen und immer wieder zu viel Lethargie in seinen Aktionen auf. In nur 17 Minuten gelangen Yusuf Demir auf der Knasmüllner-Position mit sieben Pässen ein Assist, zwei Torschussvorlagen und zudem sein erstes Bundesliga-Gurkerl. Der Rohdiamant der Hütteldorfer ist wohl nicht nur beim Stand von 3:0 mittlerweile eine echte Option und den Überraschungsmomenten bei Rapid würde es gut tun, wenn der 17-Jährige mal in der 77.Minute aus- statt eingewechselt werden würde.
– Wenn Nestor El Maestro nach dieser inferioren Leistung, unmittelbar nach einer Heimniederlage gegen Wolfsberg, von einem kleinen Formtief spricht, meint er das womöglich gar nicht wirklich so, sondern hat schlichtweg keine Lust mehr auf Sturm, wie er es ja schon im Herbst auf etwas seltsame Art und Weise anklingen ließ. Vielleicht wäre eine baldige Trennung hier für alle das Beste…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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