Es war ein Abend zum Vergessen für den SK Rapid. Mit dem 1:2 in Mattersburg ist das Meisterplayoff in weite Ferne gerückt. Vergebene Chancen,... Analyse: Rapid vergeigt Auswärtsspiel in Mattersburg

Es war ein Abend zum Vergessen für den SK Rapid. Mit dem 1:2 in Mattersburg ist das Meisterplayoff in weite Ferne gerückt. Vergebene Chancen, fehlende Kaltschnäuzigkeit, der schlechte Rasen – es gibt viele Gründe für die Niederlage im Burgenland. In Wahrheit war Rapid beim SVM aber nicht dreckig genug, mannschaftlich im defensiven Umschaltspiel schwach – und obendrein wurde die Partie von Didi Kühbauer vercoacht.

Die Mannschaft der Hütteldorfer stellte sich weitgehend von selbst auf – nur das zentrale Mittelfeld stellte ein Fragezeichen dar. Kühbauer entschied sich für Manuel Martic neben dem gesetzten Kapitän Stefan Schwab. Im Sky-Interview vor dem Spiel begründete er dies sehr schwammig mit der Passstärke des 23-Jährigen.

Der „Unauswechselbare“ schmort auf der Bank

Erst letzte Woche – in der Analyse zum 4:0-Sieg Rapids in St.Pölten – bezeichneten wir Srdjan Grahovac nach dessen Leistung als „unauswechselbar“. Das war er nun offenkundig nicht, aber die große Frage ist: Wieso eigentlich? Der Bosnier zeigte sich zuletzt vor allem im Spiel in die Tiefe wesentlich verbessert und ist in Rapids Mittelfeld der sicherste und stabilste Passspieler. Wäre Martic‘ Aufstellung mit der Physis argumentiert worden, wäre dies noch eher nachvollziehbar gewesen. Schließlich war er aber in einem Spiel, in dem es um Passstabilität und Pressingresistenz im zweiten Drittel ging – fast mit Ansage – der schwächste Rapid-Spieler.

Martic gerade in Mattersburg keine vernünftige Option

Dies ist kein allgemeines Plädoyer gegen Martic. Der Ex-St.Pöltner hat sich in den letzten Monaten ebenfalls deutlich verbessert, aber in Mattersburg ist er aus rein logischen Gründen und auch aufgrund seiner zu hohen Durchschnittsposition die ungeeignetste der vier Optionen für Rapids Mittelfeldzentrale. Auch Ljubicic wäre aufgrund seines einfachen und gerne verschleppenden Passspiels eine legitimere Alternative gewesen.

Rapid in den meisten Statistiken vorne, aber…

So fehlte Rapid am Ende das, was das Spiel deutlich zu Gunsten der Wiener entscheiden hätte können: Dominanz im zweiten Drittel. Rapid gewann mehr Zweikämpfe, war in der Luft überlegen, war insgesamt auch im Flügelspiel konkreter. Mattersburg spielte auf dem schlechten Geläuf weitgehend zerstörerisch, passte sich den Gegebenheiten besser an und holte das Optimum heraus. Das war aber nur möglich, weil Rapid im zweiten Drittel den Ball nicht laufen ließ und phasenweise „Angst“ vor dem schwer bespielbaren Rasen zu haben schien.

…keine Selbstverständlichkeit im Passspiel

Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass Rapid 58% aller Pässe spielte, Mattersburg demnach 42%. Ungeachtet der Feldregionen, in denen diese Pässe gespielt wurden, hätte diese Statistik stärker in Richtung Rapid ausschlagen müssen. Dies wäre nur im zweiten Drittel bzw. im Übergang vom ersten ins zweite Drittel – also im Spielaufbau – zu bewerkstelligen gewesen. Hier fehlte es schlichtweg an der Selbstverständlichkeit im Passspiel und auch an der Unterstützung durch einen Sechser/Achter für die Innenverteidiger, die Rapid in den letzten Partien so stark machte.

Trotz Rotgefährdung und schlechter Leistung: Kein Wechsel auf der „Sechs“

Zu allem Überfluss sah Martic unmittelbar nach dem 0:1 auch noch die gelbe Karte und musste fortan mit angezogener Handbremse attackieren. Dies war ebenfalls problematisch, da Martic aufgrund seiner Eigenfehler und auch der Fehler seiner Mitspieler zumeist nachlief und so dauerhaft rotgefährdet war. Dennoch entschied sich Kühbauer dazu, den Sechser drin zu lassen, obwohl die Halbzeit, bei einem recht sicheren Resultat von 1:1, ideal für einen Wechsel auf der Sechserposition gewesen wäre.

Weiterer Stabilitätsverlust nach Spielerwechseln

Stattdessen entschied sich Kühbauer aber erst nach 67 Minuten die Stürmer zu tauschen. Aliou Badji kam für den glücklosen bis schwachen Pavlovic, der zwischenzeitlich den Sitzer auf die Führung ausließ. Später kam Andrei Ivan für Christoph Knasmüllner, was Rapid weitere Stabilität gegen den Ball nahm. Knasmüllner spielte einmal mehr eine äußerst clevere Partie bei gegnerischem Ballbesitz, führte seine Zweikämpfe phasenweise perfekt und eroberte zahlreiche Bälle. Der ballbesitzfokussierte Ivan wurde von Mattersburg aber nach außen, in ungefährliche Zonen gedrängt und konnte nie Akzente setzen. Das war beim umtriebigen, zentral spielenden Knasmüllner nicht möglich und während der Partie hatte man häufig das Gefühl, dass Rapids Top-Scorer in dieser engen Partie das Zünglein an der Waage sein könnte.

„Zufallspartie“ in der letzten Viertelstunde

So entwickelte sich in der letzten Viertelstunde eine Roulette-Partie. Einerseits sah man den Mattersburgern die Erschöpfung an und den Burgenländern passierten immer mehr Konzentrationsfehler. Andererseits verlor Rapid durch die Personalentscheidungen Kühbauers immer mehr an Stabilität und spielte die Partie nicht mit kühlem Kopf zu Ende. In der Schlussviertelstunde war es aber schon um die Hütteldorfer geschehen. Strukturiertes Eingreifen wäre früher von Nöten gewesen – und so gelang den Mattersburgern der Lucky Punch.

Die Ausrede, die man nicht als solche verstanden haben möchte

Der katastrophale Rasen wurde einmal mehr als Ausrede herangezogen. Natürlich stets mit dem Nachsatz „soll keine Ausrede sein“. Das schiere Erwähnen des nicht bundesligatauglichen Untergrunds macht’s aber schon zur Ausrede. Wenn man dies nicht möchte, sollte man eben kein Wort darüber verlieren. Die Ausrede ist auch irgendwo berechtigt, keine Frage. Das Spielfeld war tatsächlich in einem fürchterlichen Zustand. Aber damit mussten beide Mannschaften leben und während Andreas Gruber beim 1:0 massiv vom Rasen unterstützt wurde, zeigte Martin Pusic mit seinem Assist zum 2:1, dass man auch auf einem solchen Geläuf Top-Pässe spielen konnte.

Kollektivversagen vor Mattersburgs 1:0

Gerade das 1:0 für Mattersburg war jedoch kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat aus kollektivem Versagen in der Rapid-Mannschaft. Zuvor scheiterte Schobesberger mit einem Angriff, Mattersburg konnte sich rustikal befreien und kein Rapidler schaltete vernünftig auf Defensive um.

– Bolingoli trabte nach hinten, anstatt den Raum zuzumachen, in den Gruber am Ende stach
– Schwab schob auf den ballführenden Salomon, konnte dessen Pass aber nicht verhindern
– Martic schloss den Passweg zu Gruber nicht und lief später locker hinterher anstatt den Mattersburger nach außen zu drängen oder im Vollsprint zu stellen
– Selbst als Gruber nach innen zog und Martic nur wenige Meter von ihm entfernt war, versuchte der Rapidler nicht, Gruber am Schuss zu hindern.
– Hofmann konnte Gruber nicht attackieren, weil sich hinter ihm Erhardt freilief. Hätte Martic Erhardt verfolgt, hätte Hofmann Gruber attackieren „dürfen“.
– Auch Sonnleitner rückte nicht schnell genug auf Erhardt nach, womit er Hofmann einen Zweikampf gegen Gruber ermöglicht hätte.

Es ist ein in dieser Saison vielfach angesprochenes Problem: In zu vielen Szenen, so auch in dieser, verlässt sich bei Rapid zu sehr Einer auf den Anderen. Auch die Kommunikation konnte vor dem 0:1 nicht einwandfrei funktioniert haben. Nach dem Motto „wird schon nichts passieren“ konnte Mattersburg die Aktion mit viel Glück fertig spielen und sich einen erheblichen Vorteil für den Rest des Spiels verschaffen.

Selbst zuzuschreiben

Ebenfalls klar ist, dass kein Hahn mehr nach diesen Kritikpunkten kräht, wenn Pavlovic das 2:1 und Rapid der Sieg gelungen wäre. Aber analytisch betrachtet sind die Kollektivausfälle der Grund dafür, dass Rapid in Mattersburg zwei Tore kassierte und die mangelnde Stabilität im zweiten Drittel der Grund dafür, dass Rapid nur so wenige zwingende Torchancen hatte bzw. selbst nur ein Tor machte. Wenn’s am kommenden Wochenende keine Schützenhilfe der Wiener Austria oder der Admira gibt, dann ist das Meisterplayoff für Rapid – über die gesamte Saison betrachtet verdient – dahin…

Daniel Mandl, abseits.at

Das Legendenbild „120 Jahre SK Rapid“, gezeichnet vom abseits.at-Art-Director Michael M. Magpantay. Druck auf Leinwand, Größe 60x40cm!

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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