Analyse: Rotierende Austria kommt in St. Pölten nicht auf Touren
Bundesliga 8.Juni.2020 Dalibor Babic
Am zweiten Spieltag der Qualifikationsgruppe trafen zwei siegreiche Teams vom Liga-Auftakt am Dienstag aufeinander. Der SKN St. Pölten feierte beim Trainerdebüt von Trainer Robert Ibertsberger einen furiosen 5:0 Auswärtssieg in Tirol, wo man sich völlig runderneuert präsentierte und ein kräftiges Statement setze konnte. Nun ging es gegen die Austria, wobei es für den Neo-Trainer Ibertsberger klarerweise ein besonderes Spiel war, leitete er doch im letztjährigen Playoff die Geschicke der Violetten. Auf der anderen Seite feierte auch die Wiener Austria einen erfolgreichen Start beim 1:0 Heimsieg über die Admira, wo man allerdings alles andere als glücklich ob der eigene Leistung war.
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Austria wirft Rotationsmaschine an
Trotz des Sieges gegen die Admira, war bei der Austria wie erwähnt nicht alles Eitel, Wonne und Sonnenschein, sondern man zeigte sich durchaus kritisch ob der zeitweise mageren Performance. Doch aufgrund der knapp dreimonatigen Zwangspause, überraschte es nicht, dass der Motor stottern und kein Offensivfeuerwerk abgebrannt werden würde. Daher war man nun gespannt, ob es mit der Zunahme der Spiele besser wird und man sich kontinuierlich steigern kann. Doch Austria-Trainer Christian Ilzer hatte andere Pläne, denn aufgrund des dichtgedrängten Programms, entschied sich der Übungsleiter frühzeitig die Rotationsmaschine anzuwerfen und kräftig durchzuwechseln. Es kamen sieben neue Akteure in die Startelf hinein, wodurch de facto die gesamte Mannschaft ausgewechselt wurde. Das System blieb dabei das übliche 4-2-3-1 und man hoffte natürlich, trotz der vielen Wechsel, ein gutes Grundgerüst auf das Feld zu schicken.
Auf der anderen Seite entschied sich der Neo-Trainer Ibertsberger beim SKN nicht so kräftig zu rotieren und nur drei Umstellungen vorzunehmen. Die Niederösterreicher laufen dabei unter Ibertsberger in einem 5-2-3/3-4-3 System auf, was den Austria-Fans im vergangenen Frühjahr auch noch gut bekannt sein dürfte. Im ersten Spiel gegen die WSG überzeugte der SKN dabei durchaus mit den guten Pressingwellen und dem hohen Druck, wodurch der Gegner zu schweren Fehlern gezwungen wurde und viele Balleroberungen gelangen. Ähnliches sollte klarerweise auch gegen die Austria gelingen, wobei man natürlich noch spezielle gegnerische Anpassungen sich zurechtlegte.
Gegen den Ball hatten sich die Gastgeber überlegt, zunächst abwartend im 5-2-3 den Spielaufbau der Austria in Ruhe zu lassen. Die drei Angreifer positionierten sich dabei zwar in der gegnerischen Hälfte, allerdings versuchten sie zunächst die Passwege ins Zentrum zu verschließen und die Gäste zu zwingen, den Ball in der hinteren Aufbaureihe laufen zu lassen. Sofern die Austria das mit mehreren Pässen tat, wartete man darauf, einen Pressingauslöser zünden zu können und die Violetten aggressiv zu attackieren. Als Ziel wurde dabei vor allem die rechte Seite mit Zwierschitz und Madl gewählt, die kontinuierlich und konsequent angelaufen wurden. In dem Fall verschob die gesamte Mannschaft zum Ball hin und nach vorne, um eine kompakte Formation und einen hohen Ball- und Gegnerdruck zu gewährleisten. Selbst die letzte (Abwehr)Linie des SKN stand dabei zeitweise nahe der Mittellinie und daher extrem hoch, was natürlich den Druck auf den Gegner dementsprechend erhöhte, da die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sehr gering waren. Man agierte im Pressing aber auch sehr mannorientiert, wodurch man gewährleisten wollte, dass eine klare Aufgabenteilung gegeben war und jeder Spieler des SKN wusste, wen er zu decken hatte.
Diese aggressive Vorgehensweise von St. Pölten war natürlich nicht ungefährlich, denn die Abwehrspieler mussten sehr viel Rückraum verteidigen und sehr aufmerksam agieren. Tat man das nicht oder leistete man sich einen Stellungsfehler, wurde es brandgefährlich. Nach zwei Minuten gab es bereits so eine Situation, wo die Austria in Person von Edomwonyi fast durchbrechen konnte und nur durch ein Foulspiel gestoppt werden konnte. Den fälligen Freistoß zirkelte Offensivspieler Sarkaria wunderbar ins kurze Eck und besorgte so früh die Führung für die violetten Gäste. Das war natürlich ein Einstand nach Maß für die Austria und besser hätte es nicht laufen können.
Austria mit offensiven und defensiven Problemen
Selber wollte die Austria offensichtlich über eine physischere Aufstellung in das Spiel hineingehen und über die Intensität die Oberhand gewinnen. Das spricht für die Aufstellung einer Doppelsechs und Akteuren wie Pichler und Edomwonyi, wodurch man sehr viel Physis auf dem Platz hatte. Dafür spricht auch, dass der SKN eher auf filigrane und bewegliche Spieler setzt, wie Ljubicic, Luxbacher oder Hofbauer, die im Mittelfeld aufgestellt wurden. Gegen das Pressing des SKN versuchten die „Veilchen“ dabei die Aufbaulinie zu verstärken, weshalb Sechser Jeggo in die Verteidigung abkippte und eine Dreierkette entstehen ließ. Davor postierten sich Ebner und Fitz im Sechserraum und sollten sich hinter der ersten Pressinglinie des SKN positionieren, um an dieser vorbeizukommen. Zunächst probierte man zwar durchaus, spielerisch zu lösen, allerdings folgten nach mehreren Pässen meist recht schnell die Ballverluste, da sich kaum ein Spieler spielerisch von den Mannorientierungen lösen konnte.
Die Folge davon war, dass man sehr viele lange Bälle über die eigene rechte Seite entlang spielte, da diese ja die definierte Pressingzone des SKN war und dementsprechend hoher Druck herrschte. Sichern konnte man diese langen Bälle allerdings nicht nachhaltig, weshalb zunehmend diese immer schneller wieder zurückkamen. Nur wenn der SKN es de facto zuließ, konnte die Austria den Ball länger in den hinteren Reihen laufen lassen. Dadurch wurde man logischerweise immer öfter in die Defensive gezwungen, wo man allerdings ebenfalls keine wirklich gute Figur abgab. Der SKN baute im Ballbesitz über ein 3-4-3 System auf, was sehr breit aufgestellt war, um die gegnerische Formation schlicht zu strecken und Räume in der gegnerischen Hälfte zu kreieren. Die Austria versuchte dagegen mit einem 4-2-3-1 vorzugehen, wobei man auf ein hohes Anlaufen der gegnerischen Aufbaureihe meist verzichtete. Edomownyi sollte sich beim Anlaufen um den zentralen Innenverteidiger kümmern, während die Dreierreihe dahinter sich an den beiden Halbverteidigern und Fitz an den ballnahen Sechser orientierten. Offensichtlich sollten dadurch die Passwege ins Zentrum verschlossen werden und der SKN auf den Flügel gedrängt werden.
Allerdings wirkte das ganze Anlaufverhalten nicht wirklich stimmig und durchdacht, denn St. Pölten konnte sich recht einfach durchspielen und über einen kontinuierlichen Spielaufbau in die höheren Zonen vorzudringen. Vor allem über die rechte Seite gelang dies dem SKN, da Innenverteidiger Klarer mit dem Ball am Fuß recht simpel in die gegnerische Hälfte vordringen konnte, ohne attackiert zu werden. Austria-Akteur Pichler hatte schlicht das Problem, einerseits für den Innenverteidiger, andererseits für den Rechtsverteidiger verantwortlich zu sein. Meist war es so, dass Pichler im Halbraum stand und eine Zwischenlösung wählte, wodurch allerdings SKN-Rechtsverteidiger Ingolitsch (später Rasner) relativ einfach angespielt werden und den Ball nach vorne treiben konnte. Stand Pichler wiederum breiter, konnte Innenverteidiger Klarer mit dem Ball am Fuß teilweise sehr weit nach vorne und ungestört in die gegnerische Hälfte stoßen.
Das drückte die Austria nach hinten und zwang sie dazu, weitestgehend in der eigenen Hälfte und tiefer zu verteidigen. Doch nicht nur auf den Flügelzonen bekam man Probleme mit dem Zugriff, auch der Abwehrchef des SKN, Luan, tat den violetten Gästen in vielen Szenen weh. Der Brasilianer wusste konstant mit seiner starken Spieleröffnung zu überzeugen, wodurch er kontinuierlich mit vertikalen Zuspielen die Linien der Austria überspielen konnte. Selbst wenn die Gäste versuchten, höher zu attackieren und zu pressen, zeigte der Brasilianer seine Ballsicherheit und befreite sich mehrmals aus diesen Situationen. Luan bekam man einfach nicht in den Griff und so lief man in den ersten beiden Dritteln des Feldes die meiste Zeit hinterher.
Dass der SKN nicht noch mehr aus diesen Situationen herausholen konnte, lag vordergründig an der mangelnden individuellen Qualität im letzten Drittel, wo man Durchschlagskraft und Sauberkeit vermissen ließ. So kam man zwar zu einigen gefährlichen Szenen, allerdings klappte da der letzte Pass nicht oder der Abschluss fiel zu schwach aus. Von der Austria kam dagegen abgesehen vom Tor und einer Edomwonyi-Chance kurze Zeit später nichts mehr und man konnte sich glücklich schätzen, mit einer Führung in die Halbzeit zu gehen.
Austria steigert sich, gibt dennoch Spiel aus der Hand
Die Violetten konnten mit dem Auftreten der ersten Halbzeit klarerweise nicht einverstanden sein und Austria-Trainer Ilzer schien an der Seitenlinie auch alles andere als glücklich mit der Leistung seines Teams zu sein. Zur Halbzeit wurde dann reagiert und Innenverteidiger Palmer-Brown kam ins Spiel, um die Defensive zu stabilisieren. Kurz vor dem Halbzeitpfiff kam bereits auch Routinier Klein in das Spiel, da sich Poulsen am Oberschenkel verletzte. Diese zwei Wechsel sollten dann auch dazu führen, dass die Austria zurück in das Spiel fand und den SKN besser bespielte. St. Pölten definierte ja die rechte Seite der Violetten als „Pressingzone“, was in der ersten Halbzeit gut funktionierte und viele lange Bälle erzwang. Allerdings standen nun zwei andere Spieler in diese Region und diese gingen mit dem aggressiven Attackieren des Gegners wesentlich besser um. Palmer-Brown und Klein konnten sich konstant aus diesen Situationen spielerisch befreien und behielten auch unter Druck einen kühlen Kopf, wodurch der Ballbesitz für die Austria gesichert werden konnte.
Palmer-Brown konnte speziell mit seinen vertikalen Pässen die Lücken zwischen den Linien bespielen und den SKN so zur Vorsicht zwingen, denn man drohte so an Stabilität einzubüßen, weshalb man lieber einen Gang zurückschaltete. Aber auch Klein drang immer wieder gut in die gegnerische Hälfte vor und löste einige Situationen spielerisch stark auf, wodurch die Violetten flüssiger in die gegnerische Hälfte kamen. Die rechte Seite mit Klein und Sarkaria war dann auch verantwortlich dafür, dass die Austria Lösungen gegen die Defensive des SKN fand und auch hier und da gefährlich wurde. Eine weitere Anpassung war, dass „Zehner“ Fitz öfter auf den Flügel auswich und Unterstützung leisten sollte, um Überzahlsituationen zu kreieren. Auch das trug dazu bei, dass das Flügelspiel der Wiener besser wurde.
Das führte auch dazu, dass man kurz nach der Pause sich eine gute Gelegenheit erspielte, als nach einer Fitz-Flanke Pichler im Strafraum vollkommen frei zum Kopfball kam, allerdings diesen über das Tor setzte. Durch die Anpassungen der Violetten bekam der SKN in der Defensive mehr Probleme und mussten sich zunehmend auf die Verteidigung fokussieren. Die Austria kontrollierte so die Partie und ließ auch nicht mehr viel zu und verwaltete die Führung, während der SKN nicht mehr wirklich zusetzen und zu keinen gefährlichen Situationen kam. Daher musste SKN-Trainer Ibertsberger reagieren und mehr Risiko gehen. So rückte man von der Fünferkette und dem 5-2-3 ab, um fortan mit einer Viererkette und einem 4-1-4-1 zu agieren.
Bevor dies sich bemerkbar machen konnte, hatte die Austria die Möglichkeit auf 2:0 durch den eingewechselten Monschein zu stellen, allerdings wurde der Angreifer wohl zu Unrecht wegen einer Abseitsstellung zurückgepfiffen. Stattdessen kam es wie es kommen musste und der SKN erzielte quasi postwendend den Ausgleich. Nach einer schönen Kombination über mehrere Stationen, steckte Luxbacher den Ball wunderbar auf den starken Ljubicic durch, der seine gute Leistung mit einem Treffer krönte. Danach zogen sich die Gastgeber vermehrt wieder zurück und lauerten auf Konter, während die Austria versuchte, den Siegestreffer zu erzielen. Zu großen Gelegenheiten kam man allerdings nicht mehr und wurde nur im Ansatz gefährlich, weshalb es letztlich beim 1:1 blieb.
Fazit
Letztlich war das Unentschieden zwischen den beiden Teams leistungsgerecht und verdient. Die Austria erwischte zwar einen Traumstart, allerdings wirkte dieses positive Ereignis nicht wirklich fördernd und man lieferte eine sehr schlechte Performance ab. Sowohl defensiv als auch offensiv hatte man mit Schwierigkeiten zu kämpfen und die mangelnde Sauberkeit im Offensivspiel zog sich erneut fort, wobei man auch in der Abwehr nicht sattelfest wirkte. In der zweiten Halbzeit steigerte man sich dann doch etwas und wirkte zumindest stabiler, allerdings fing man sich wiederum mit der einzigen Chance des Gegners den Ausgleich ein. Der SKN dagegen zeigte, dass der 5:0 Erfolg gegen die WSG Tirol keine Eintagsfliege war und man sich unter Neo-Trainer Ibertsberger in einem runderneuerten und passenden Kostüm präsentiert. In der ersten Hälfte ging man zu nachlässig mit den gebotenen Möglichkeiten um, während man in der zweiten Halbzeit doch zu sehr abbaute, sich aber dennoch einen Punktegewinn sicherte. In der Verfassung wird der SKN St. Pölten wohl nix mit dem Abstieg zu tun haben.
Dalibor Babic, abseits.at
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