Am sechsten Spieltag der Meistergruppe empfing der FK Austria Wien den frischgebackenen Cupsieger SK Sturm Graz zum Rückspiel der „Doppelrunde“. Dabei wollten die Violetten Revanche für die Niederlage vor zehn Tagen üben, wo man die Grazer gut forderte, jedoch aufgrund defensiver Nachlässigkeiten das Spiel letztlich verlor. Auf der anderen Seite herrschte bei Sturm Hochstimmung nach dem Cup-Erfolg über Rapid und man kam auf einer Euphoriewelle nach Wien-Favoriten angereist. Es war also alles angerichtet für ein interessantes Duell, wo es für beide Teams um einiges ging.
Austria versucht Defensivprobleme in den Griff zu bekommen
Die Austria hatte zehn Tage Zeit sich auf dieses Duell vorzubereiten und die Lehren aus dem Hinspiel zu ziehen. Der Fokus lag hier klarerweise auf der Defensive, wo man in den letzten Wochen viel zu viele Gegentreffer kassierte und sich deshalb für die teils guten Leistungen nicht belohnen konnte.
Austria-Trainer Wimmer griff zu einer interessanten Maßnahme indem er mit Lukas Mühl den wohl besten Abwehrspieler auf die Bank setzte und damit den Kapitän „opferte“. Für ihn rückte Innenverteidiger Meisl in die Mannschaft, der wohl aufgrund seines linken Fußes im Aufbauspiel den Vorzug bekam. Dennoch eine nicht wirklich nachvollziehbare Entscheidung, war doch Mühl im Vergleich zu seinen beiden Partnern Handl und Martins noch der Stabilste in den letzten Wochen und ist Meisl von den Innenverteidigern qualitativ eher die letzte Option. Vor allem opferte man damit für eine vermeintlich spielstärkere Option den stabilsten Part der Abwehr, was ein wenig kontrazyklisch anmutete.
Jedoch zeigte es gleichwohl auch die Richtung an, die die Austrianer in diesem Spiel einschlagen wollten. Man nahm sich augenscheinlich vor, das Pressing der Grazer mehr herauszufordern und zu versuchen, spielerische Lösungen dagegen zu finden. Das sah man auch an der Nominierung im zentralen Mittelfeld, wo U21-Teamkapitän Braunöder für den defensiveren Holland in die Mannschaft zurückkehrte.
Auch im Spiel selbst war recht früh ersichtlich, dass man von hinten das Spiel aufbauen wollte und im 3-4-1-2 auffächerte, um das Spielfeld möglichst breitzumachen und das Pressing des Gegners zu erschweren. Interessant war hier vor allem die Positionierung von Fitz, der sehr viel auf den linken Flügel auswich und versuchte, hier Überzahlsituationen zu kreieren und sich der Bewachung seiner Gegenspieler zu entziehen. In der Theorie klang dies nicht schlecht, in der Praxis wurde dies von einem guten Gegner jedoch rasch auf die Probe gestellt. Das lag vor allem daran, dass sich Sturm – trotz der Feierlichkeiten nach dem Cupsieg augenscheinlich seriös auf die Austrianer vorbereitete und dieses Spiel sehr ernst nahm. Bereits im Hinspiel adaptierte man das gewohnte 4-Raute-2, um einen besseren Zugriff auf die Dreierkette der Violetten zu erlangen.
Das war auch bei diesem Gastspiel in Wien der Fall, wo die Steirer de facto auf ein 4-2-3-1/4-3-3 zurückgriffen, um im Anlaufen/Pressing eine direkte Zuordnung auf die drei Innenverteidigung zu haben – was man mit einer Doppelspitze nicht gehabt hätte. Daher kümmerte sich Emegha um Martins, während Sarkaria und Prass sich an die Halbverteidiger Handl und Meisl orientierten. Dahinter bildeten Hierländer und Gorenc-Stankovic die Doppelsechs, sicherten das Ganze ab und kümmerten sich um die langen Bälle.
Realtaktische Formation der beiden Teams (Alle Daten von Wyscout S.p.a.)
Sturms-Pressing sorgt für Kontrolle
Durch diese klare Zuordnung im Pressingspiel wusste jeder Spieler was er zu tun hatte und man setzte die Austrianer von Anfang an damit unter Druck. Sobald die Innenverteidiger an den Ball kamen, wurden sie von den drei Offensivspieler prompt angelaufen und nach außen gedrängt. Wenn dann der Pass zu den Flügelverteidigern kam, schossen die Außenverteidiger von Sturm nach vorne und sicherten durch.
Dadurch waren die Violetten in der Zwickmühle, denn eigentlich wollte man sich spielerisch lösen und versuchte dies auch in einigen Sequenzen, doch ging das meist in die Hose und waren die Ballverluste die Folge. Allerdings war man, anders als noch im Hinspiel, nicht auf die möglichen vielen langen Bälle vorbereitet. Das sah man insofern, dass die langen Bälle oftmals von der rechten Seite kamen und überwiegend auf Gruber gingen, der in der Luft natürlich nicht dieselbe Präsenz wie ein Tabakovic hat. Dementsprechend wenige Bälle konnte man hier sichern und diese hohen Bälle kamen quasi wie ein Boomerang postwendend wieder zurück.
Ein Grund dafür war, dass man auf die zweiten Bälle kaum einen Zugriff erlangte, was auch damit zusammenhing, dass Fitz sehr weitläufig agierte und nicht immer seine Position im Zentrum hielt. Dadurch fehlte er allerdings in dieser Region beim Kampf um die zweiten Bälle, wodurch Sturm hier rasch die Oberhand erhielt. Natürlich war es hier auch hilfreich, dass man Tabakovic mit Wüthrich und Gorenc-Stankovic in die Zange nahm und so weitestgehend neutralisieren konnte. Das hatte zur Folge, dass Sturm rasch auf einen recht hohen Ballbesitzanteil kam und die Kontrolle über das Spiel erlangte.
Ein Grund dafür war auch, dass man – anders als noch im Hinspiel – eine spielerische Linie forcierte und nicht nur jeden Ball lang nach vorne auf Zielspieler Emegha schlug. Man hatte hier natürlich auch durch Wüthrich und Borkovic zwei aufbaustarke Innenverteidiger in den Reihen, was man gleich ausnutzen wollte, um noch mehr Kontrolle über die Austria zu erlangen und einen längeren Ballbesitz zu forcieren.
Daher spielte man auch öfter mal quer und zurück, statt eben ständig steil und lang die Tiefe zu attackieren. Dadurch triggerte man aber auch gezielt das Pressing der Austria, die mit der gesamten Mannschaft nach vorne rückte – und hier wollte man dann im richtigen Moment lange Bälle auf Emegha spielen.
Nach diesem Muster kam man dann auch in weiterer Folge immer wieder hinter die Abwehr der Gastgeber und speziell hinter Handl, der große Probleme mit dem umtriebigen und physisch starken Emegha hatte. Die Folge war, dass man in der ersten Viertelstunde zu einigen guten Situationen im letzten Drittel kam und ein Treffer in der Luft lag. Dieser fiel dann auch tatsächlich und wieder einmal war es eine Standardsituation, die der Austria einen Gegentreffer bescherte – nämlich die Nummer 17 in dieser Saison. Nach einer Gazibegovic-Flanke stand Schnegg mutterseelenalleine im Strafraum und brauchte nur noch ins Tor zur Führung seiner Mannschaft zu köpfen.
Für die Austria war dies natürlich ein Schock und man suchte den Faden im Spiel und eine Möglichkeit, Sturm zu gefährden. Der Spielaufbau war jedoch nach wie vor ein großes Problem, die Flügelverteidiger bekam man kaum ins Spiel und vorne konnte man die Bälle nicht sichern. Hin und wieder kam man zwar zu hohen Ballgewinnen durch das gute eigene Angriffspressing, allerdings spielte man diese Situationen nicht gut zu Ende und die Offensivspieler erwischten in der Entscheidungsfindung nicht ihren besten Tag.
Austria-Trainer Wimmer griff daher schon im Laufe der ersten Halbzeit ein und zog Tabakovic mehr in Richtung rechte Seite, damit er sich um die langen Bälle kümmern konnte. Die einzige Chance im ersten Durchgang kam nach einem gewonnenen zweiten Ball zustande, als Gruber auf Tabakovic durchsteckte und dieser am Tor vorbeischoss. Ansonsten blieben die Violetten harmlos.
Allerdings schien es man würde nun etwas mehr Zugriff auf das Spiel bekommen, um sich dann genau in dieser Phase wieder einmal mit einem schweren Eigenfehler das eigene Genick zu brechen. Nach einer Slapstick-Einlage von Martins und Meisl, bedankte sich Emegha und nahm dieses Geschenk zum 2:0 an. Das war auch der Halbzeitstand und die Krönung einer ganz schwachen Vorstellung der Austria, wo man immer zu spät kam und keinen richtigen Zugriff auf Sturm fand.
Austrianer stabilisieren sich und machen es nochmal spannend
Nach der schwachen ersten Halbzeit war auf Seiten der Wiener klar, dass eine Reaktion nötig war, sofern man doch noch eine Chance auf einen Punktegewinn haben wollte. Austria-Trainer Wimmer reagierte auch und korrigierte seinen Fehler mit der Herausnahme von Kapitän Mühl, der für den schwachen Handl ins Spiel kam. Diese Maßnahme zielte klarerweise auf die Stabilisierung der Abwehr ab, wo man Zuordnungsprobleme hatte und offensichtlich die Abstimmung überhaupt nicht passte. Es gab einige weitere Adaptierungen, wie etwa die höhere Positionierung der Flügelverteidiger und dass man wieder versuchte Zielspieler Tabakovic mit den langen Bällen zu finden, um dadurch nicht in die Pressingfalle der Grazer zu tappen. Auch Fitz hielt sich nun öfter im Zentrum auf, um im Kampf um den zweiten Ball seine Kollegen zu unterstützen.
Es dauerte auch nicht lange, ehe man Kapital daraus schlagen konnte. Nach einer scharfen Hereingabe von Ranftl, stand der mitaufgerückte Baltaxa goldrichtig und verkürzte durch seinen Treffer auf 1:2. Sturm dosierte in dieser Phase das Pressing etwas und versuchte auf Stabilität zu setzen, um die langen Bälle besser verteidigt zu bekommen. Dadurch bekam die Austria wiederum mehr Spielanteile und quasi Luft zum Atmen im Spielaufbau, wodurch das Spielgeschehen insgesamt ausgeglichener wurde. Es blieb jedoch intensiv und heiß umkämpft, was viele Duelle Mann gegen Mann zur Folge hatte.
Die Violetten taten sich jedoch schwer, die gut organisierte Defensive der Steirer konstant unter Druck zu setzen und Lösungen zu finden. Durch den hohen Balldruck der Grazer, hatte man nur wenig Zeit am Ball und es war Handlungsschnelligkeit und Genauigkeit in den Aktionen gefragt, was die Austrianer an diesem Tag nicht wirklich hatten. Die beste Ausgleichschance vergab Baltaxa nach einem Freistoß, als er einen Kopfball ans Tordach setzte.
Mit Fortdauer kam dann Sturm auch zu einigen guten Kontersituationen, um das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Diese spielte man jedoch nicht gut fertig, weshalb die Austria im Spiel blieb. Allerdings fehlten den Gastgebern auch in der Schlussphase die zündenden Ideen, weshalb bis auf einen Kopfball von Dovedan in der letzten Minute kaum Torchancen zustande kamen und man das Spiel mit 1:2 verlor.
Fazit
Es war ein ganz schwacher Auftritt der Austria im ersten Durchgang, wo man in vielen Aspekten des Spiels einiges vermissen ließ. Der Plan vermehrt spielerische Lösungen zu suchen schlug fehl und man konnte sich gegen das Pressing der Grazer überhaupt nicht behaupten, wodurch man einige Male in die Falle tappte.
Auch in den Zweikämpfen und im Kampf um den zweiten Ball war man zu wenig präsent, weshalb sich hier Sturm nach und nach eine Überlegenheit erspielen konnte. Eine anständige zweite Halbzeit war dann letztlich zu wenig, um den entstandenen Schaden zu reparieren. Hier agierte sicherlich auch Austria-Trainer Wimmer unglücklich und die Nichtberücksichtigung von Mühl wirft Fragen auf, vor allem wenn man sich die aktuelle Verfassung von Handl und Martins ansieht. Vor dem wichtigen Derby hat man also diese Baustelle nicht schließen können und tendenziell eher vergrößert, was sicherlich den Violetten Sorgen bereiten wird in den kommenden Tagen.
Sturm auf der anderen Seite lieferte speziell im ersten Durchgang eine ganz starke Vorstellung ab und ließ sich trotz der Feierlichkeiten nach dem Cuperfolg nicht aus dem Konzept bringen. Man stellte sich hervorragend auf die Austria ein und spielte die qualitative Überlegenheit in vielen Bereichen aus, wobei sich der vermehrte Fokus auf spielerische Akzente definitiv bezahlt machte und man so mehr Ausgewogenheit und Balance ins Spiel brachte.
Im zweiten Durchgang schaltete man dann zwar einen Gang zurück und verwaltete das Spiel großenteils, allerdings rächte sich das nicht und man fuhr dadurch wichtige drei Punkte ein, womit man weiterhin im Titelkampf dabei ist und dazu den Vorsprung auf den LASK ausbauen konnte.
Dalibor Babic
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