Zum Auftakt der 50. Bundesligasaison kam es am Sonntag zu einem Spitzenspiel zweier traditionsreicher Teams, die sich in der vergangenen Saison interessante Duelle lieferten.... Analyse: SK Sturm zeigt der Wiener Austria die Grenzen auf

Zum Auftakt der 50. Bundesligasaison kam es am Sonntag zu einem Spitzenspiel zweier traditionsreicher Teams, die sich in der vergangenen Saison interessante Duelle lieferten. Bei diesen hatte in allen vier Duellen der FK Austria Wien das Nachsehen, weshalb die „Violetten“ natürlich darauf erpicht waren, diese Serie zu durchbrechen und die Grazer endlich zu bezwingen. Auf der anderen Seite wollte der SK Sturm gleich mal ein Ausrufezeichen setzen und einen optimalen Start hinlegen, um die Ambitionen in Richtung Meisterschaftsgewinn zu untermauern. Das sollte den Steirern auch letztlich gelingen.

Austria und die Frage nach dem Tempo

Die Violetten konnten dabei wenige Tage vor diesem Duell nochmal Selbstvertrauen tanken und gewannen in einem komplizierten Spiel gegen Borac Banja Luka in letzter Sekunde mit 1:0. Die Leistung war dabei über weite Strecken recht gut und man trat dominant auf, was Hoffnung für das Spiel gegen Sturm machte. Allerdings erwartete hier die Wiener klarerweise ein völlig anderer Gegner, wo andere Tugenden gefragt sein würden. Die Spiele gegen die Grazer sind meist regelrechte „Pressingschlachten“ und man duelliert sich unentwegt um die ersten und zweiten Bälle. Das erwartete man wohl auch für dieses Spiel, weshalb man sich auch dementsprechend darauf einstellen musste. In der Mannschaft gab es nur zwei Änderungen, da Handl und Braunöder für Meisl und Jukic in die Startelf rutschten.

Man entschied sich erneut für das 3-4-3 System, wobei eine Tatsache dann doch überraschend kam. Kapitän Fischer durfte erneut in der Sturmreihe ran, was wohl im Sinne der Kompaktheit gegen den Ball von Vorteil war, allerdings fehlte den Violetten damit jegliche Geschwindigkeit in der Offensive. Daher war man natürlich gespannt, wie man dies kompensieren wollen würde. Auf der anderen Seite gab es beim SK Sturm keine Überraschungen in der Startelf und auch nicht in Sachen Systematik. Schon in der vergangenen Saison gingen die Steirer in den letzten beiden Duellen gegen die Austria dazu über, das eigene System von einem 4-Raute-2 auf ein 4-3-3/4-1-2-3 gegen den Ball anzupassen, um hier für einen besseren Zugriff zu sorgen.

In diesem Fall rutschte der nominelle linke „Achter“ Prass nach vorne auf die Höhe von den beiden Stürmern Wlodarczyk und Sarkaria, womit man als erste Pressinglinie eine Dreierreihe formte. Damit „spiegelte“ man schlicht die aufbauende Dreierkette der Austrianer und sorgte damit für eine direkte Zuteilung. Leicht dahinter lauerte der „Zehner“ Kiteishvili, der den ballnahen Sechser deckte, während eine Etappe dahinter zur Absicherung Hierländer und Gorenc-Stankovic de facto eine „Doppelsechs bildeten. Die Grazer waren damit auf alle Eventualitäten vorbereitet, nämlich, dass sie einerseits mit ihren vier Pressingspielern vorne den Spielaufbau der Gastgeber zustellen konnten, andererseits aber auch mit der „Doppelsechs“ bei langen Bälle und im Kampf um den zweiten Ball eine gute Absicherung zu gewährleisten. Das war für die Austrianer bereits in der vergangenen Saison eine Herausforderung, gegen die man keine Lösungen finden konnte.

Sturm überfordert und erdrückt die „Veilchen“

Und bereits in der Anfangsphase der Begegnung war zu erahnen, dass sich dies wohl auch in der neuen Saison nicht wirklich ändern würde. Das Team von Austria-Trainer Michael Wimmer versuchte erst gar nicht, sich auf irgendwelche Mätzchen einzulassen und in das Pressing von Sturm hineinzuspielen, weshalb hier meist rasch der lange Ball gewählt wurde. Dass war allerdings aus mehreren Gründen problematisch, da Sturm in der Defensive kompakt und formiert stehen konnte und damit einen Vorteil im Kampf um den zweiten Ball hatte, da ihre Abstände recht zur waren. Man lockte also die Gäste erst gar nicht tief in die gegnerische Hälfte, um dann hinter die Pressingwelle mit langen Bällen zu kommen, sondern beim geringsten Druck ging man kein Risiko ein und suchte Zielspieler Tabakovic in der Spitze.

Normalerweise wäre dies auch ein probates Mittel und es gelang den Violetten schon in der vergangenen Saison gegen einige Gegner, mit diesen langen Bällen auf den Torjäger, das gegnerische Pressing zu überspielen. Das Problem dabei ist allerdings, dass wohl keine Mannschaft der Liga so prädestiniert ist, Tabakovic zu verteidigen, wie die Grazer. In der Innenverteidigung hat man mit Affengruber und Wüthrich nicht nur zwei kopfballstarke Abwehrspieler, sondern davor mit Gorenc-Stankovic einen weiteren großgewachsenen und kopfballstarken Spieler, der die Innenverteidiger unterstützen konnte. Und dementsprechend schwierig war es für Tabakovic, sich durchzusetzen, denn nicht nur, dass er mit Wüthrich einen der besten Innenverteidiger der Liga gegen sich hatte, wurde er obendrein auch noch von einem der besten Sechser in die Zange genommen. So war es für den Stürmer natürlich schwierig, sich durchzusetzen und zu behaupten, um die Bälle für seine Mannschaft zu sichern.

Daher gewann Sturm auch viele „erste Bälle“, aber auch bei den „zweiten Bälle“ erarbeitete man sich schnell einen Vorteil und konnte damit den eigenen Ballbesitz sichern – aufgrund der oben beschriebenen Kompaktheit und der eigenen Aggressivität. Man war fast immer einen Schritt schneller als die Gastgeber und kam mit dieser unaufhörlichen Stresssituation besser zurecht. Sturm spielte auch nach Ballgewinnen äußerst aggressiv nach vorne und setzte damit die Abwehrlinie der Austrianer konstant unter Druck. Sei es durch vertikale Zuspiele in die Spitze mittels Steil-Klatsch-Steil Kombinationen, Spielverlagerungen auf den Flügel mit anschließenden scharfen Flanken in den Strafraum oder auch einfache lange Bälle, die Grazer verfügten über eine Vielzahl an Angriffsmuster, derer man sich bedienen konnte.

Dadurch hatten die violetten Gastgeber alle Hände voll damit zu tun, die Angriffswellen von den Grazern abzuwehren und kamen auch kaum aus der eigenen Hälfte heraus. Das lag auch am furchtbaren Ballbesitzspiel, denn man agierte hier äußerst fahrig, beging leichtfertige Fehler und nach spätestens zwei bis drei Pässen folgte oftmals der Ballverlust. Und selbst wenn man den Ball mal gewann, fehlte es in der Offensive schlicht an Tempo, um den großen Rückraum von Sturm überhaupt attackieren zu können. Damit konnten die Grazer mit der Abwehr natürlich nochmal eine Spur aggressiver nach vorne verteidigen, da sie vereinfacht gesagt keine Angst haben mussten, überlaufen zu werden. Das erlaubt es natürlich, der Abwehr noch näher ans Mittelfeld zu rücken und den Raum extrem zu verkleinern und den Gegner einen immensen Raumdruck auszusetzen. Aus diesem befreiten sich die Austrianer so gut wie gar nicht, weshalb auch der violette Spielmacher Fitz überhaupt kein Faktor in dem Spiel war.

Als wären diese gruppentaktischen Probleme nicht schwerwiegend genug, meinte es auch der Spielverlauf nicht gerade gut mit den Violetten. Bereits in der neunten Minute erzielte Sturm mit der ersten Chance das 1:0, nachdem die Austria einen Outeinwurf nicht klären konnte und Gazibegovic mit einem scharfen Schuss ins kurze Eck Torhüter Früchtl überraschte, der beim Gegentreffer nicht gut aussah. Das bestärkte natürlich Sturm nochmal zusätzlich in ihrer Spielweise und man erdrückte förmlich die Austria, die keine Bälle halten konnte und nur mit der Verteidigungsarbeit beschäftigt war.

Symptomatisch war dann auch letztlich die Schlüsselszene der Partie, wo sich die Violetten erstmals kurzzeitig im letzten Drittel festsetzen konnten und es so schien, als würde man endlich ins Spiel finden, um dann im defensiven Umschaltspiel völlig zu schlafen. In der Restverteidigung ließ man Martins in Stich, der sich sekundenlang mit dem gegnerischen Stürmer duellierte, ehe er ein brutales Foul beging, bei dem er allerdings den Gegner wohl nicht sehen konnte. Die Folge war, dass der Verteidiger zurecht vom Platz gestellt wurde und die Wiener mit zehn Mann weiterspielen mussten. Man stellte folglich auf ein 4-4-1 um und versuchte sich offensichtlich in die Halbzeit zu retten. Doch Sturm erhöhte nochmal die Schlagzahl und erzielte kurz darauf das 2:0. Wieder einmal kassierte die Austria nach einem Eckball ein Gegentor und das obwohl die beiden besten Kopfballspieler, Handl und Tabakovic, in der Zone wo das Tor fiel, eingeteilt waren. Damit ging es mit einem 0:2 Rückstand in die Pause und die Gastgeber mussten sich Sorgen machen, ob man nicht in ein Debakel rauschen würde.

Austria & Sturm passen Formationen an

In der Halbzeitpause hatten die Austrianer dann zumindest etwas Zeit, sich neu zu gruppieren und zu sammeln, um sich im zweiten Abschnitt von einem besseren Gesicht zu zeigen. Trainer Wimmer erkannte auch die Tempodefizite in der Mannschaft an und wechselte gleich doppelt zur Pause, in dem er mit Polster und Gruber die beiden schnellsten Spieler auf der Bank ins Spiel brachte und Kapitän Fischer ins Mittelfeldzentrum ging. Damit passte man auch das System zu einem 4-2-3/4-4-1 an und setzte dabei auf ein klassisches Mittelfeldpressing. Auch Sturm reagierte auf den Platzverweis der Violetten und man kehrte zurück zum gewohnten 4-Raute-2 System, da man nun keine aufbauende Dreierkette gegen sich hatte und zwei Spitzen im Anlaufen völlig ausreichend waren, weshalb man nun das Mittelfeld zusätzlich verstärken konnte, um kein Risiko einzugehen, die Partie nochmal spannend zu machen.

Allerdings zeigte die Pausenansprache von Austria-Trainer Wimmer scheinbar Wirkung, denn die Violetten stabilisierten sich etwas und zeigten in Unterzahl mehr spielerische Elemente als zuvor – wobei die Messlatte natürlich auch sehr niedrig lag. Mit Fischer im Zentrum kam man wesentlich besser mit dem Raumdruck klar und konnte ab und zu das Spiel verlagern und mit Polster hatte man nun einen Tempospieler auf der linken Seite, der die Tiefe der Grazer endlich bedrohte. Das musste die Abwehrkette dann auch respektieren und etwas zurückweichen, womit man im Mittelfeld mehr Luft zum Atmen hatte. Und in einer kurzen Phase erspielte man sich sogar zwei, drei gute Situationen in der gegnerischen Hälfte und kam durch Polster und Potzmann immerhin zu zwei Abschlüssen, wodurch nochmal Schwung in die Begegnung kam.

Doch der SK Sturm machte wenig später kurzen Prozess und setzte diesem Treiben ein Ende. Erneut war es ein Eckball, welchen die Violetten nicht gut verteidigten und wo Polster und Braunöder nicht gut aussahen, weshalb der aufgerückte Affengruber das 3:0 erzielen konnte. Damit war klar, dass das Spiel bereits nach 60 Minuten gegessen war und der Sieg an Sturm gehen würde. In weiterer Folge nahm der Austria-Trainer auch mit Galvao, Fischer und Tabakovic seine Routiniers raus, um sie für den Europacup zu schonen, während Sturm am Ende sogar auf ein 5-3-2 umstellte und mit Geyrhofer einen weiteren Innenverteidiger brachte, um kein Gegentor mehr zu kassieren. Der letzte Nachdruck war bei den Grazern dann auch nicht mehr gegeben, weshalb es letztlich beim 3:0 Sieg für die Steirer blieb.

Fazit

Der Austria wurden wieder einmal vom SK Sturm die Grenzen aufgezeigt und langsam könnte man von einem „Angstgegner“ sprechen. Es gelang wieder nicht, gegen das 4-3-3 von Sturm eine Lösung im Ballbesitz zu finden, weshalb die Entlastung völlig fehlte und die Abwehrkette ständig belagert wurde. Dazu war man im Gegenpressing nicht so griffig wie gewohnt und gewann auch zu wenige zweite Bälle, wodurch Sturm relativ einfach durch das Mittelfeld kam und zusätzlich noch mehr Druck auf die Abwehr lag, die alle Hände voll zu tun hatte und von den Kollegen zu wenig unterstützt wurde. Dementsprechend sah dann auch der erste Durchgang aus und Sturm hätte auch deutlicher führen können, so überlegen war man in dieser Phase.

Die rote Karte hat dann ihr übriges getan und damit war klar, dass es im restlichen Spiel nur noch um Schadensbegrenzung gingen würde. Zumindest konnte man sich im zweiten Durchgang stabilisieren und ein Debakel verhindern, wobei das zweite Gegentor nach einem Eckball umso ärgerlicher war, weil man dies erneut nicht verteidigen konnte und dies absolut vermeidbar gewesen wäre. Im Endeffekt bleibt für die Austrianer die Tatsache, dass man recht deutlich die Grenzen vorgezeigt bekam und noch relativ weit weg von Sturm ist. Hier stellt sich natürlich für die nächsten Monate die Frage, ob und wann man in der Lage sein wird, eine Lösung gegen die Grazer zu finden. Sonst könnte es für die Austrianer noch länger dauern, bis man einen Sieg gegen Sturm einfährt.

Dalibor Babic

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