Tabellenführer Sturm Graz konnte auch bei schwierigen wetterbedingten Verhältnissen in Wolfsberg gegen den WAC seine fußballerische Klasse unter Beweis stellen und schlussendlich verdient mit... Analyse: Sturm gewinnt stürmisches Spiel in Wolfsberg

Tabellenführer Sturm Graz konnte auch bei schwierigen wetterbedingten Verhältnissen in Wolfsberg gegen den WAC seine fußballerische Klasse unter Beweis stellen und schlussendlich verdient mit 2:0 gewinnen.
Allein aufgrund der äußeren Umstände war ein feinmechanisches Spiel nicht zu erwarten, trotzdem griff Sturm vor allem in der zweiten Hälfte auf die richtigen (vom Zufall unabhängigen) Mittel zurück und konnte so das Spiel noch in die gewünschte Richtung lenken.
Anders der WAC, dessen Spielanlage und Struktur im eigenen Ballbesitzspiel bei diesen Windverhältnissen zumindest ein paar Fragezeichen aufwirft. Leider haben sich diese Fragezeichen auch allzu oft auf die Wolfsberger Spieler übertragen.

Grundordnungen und Personal

Heimo Pfeifenberger schickte seine Mannschaft auch gegen den Tabellenführer in einer 4-4-2-Grundordnung auf das Spielfeld.
Vor Torhüter Sallinger bestand die Abwehrkette wieder aus den beiden Innenverteidigern Rnic und Sollbauer sowie den Außenverteidigern Zündel auf links und Wernitznig auf der rechten Seite.
Das Mittelfeld der Wolfsberger setzte sich aus den zentralen Akteuren Offenbacher und Rabitsch sowie den Flügelspielern Nutz und Flecker zusammen. Gerald Nutz musste dabei schon nach knapp 40 Minuten verletzungsbedingt durch Alexander Ranacher ersetzt werden.
Die Sturmlinie bestand wie schon in den letzten Wochen aus Ouédraogo und Gschweidl. Ouédraogo kommt dabei etwas mehr aus der Tiefe und ist meist die Anspieloption für die Mittelfeldspieler im Zwischenlinienraum, während Gschweidl die entgegengesetzten Bewegungen initiiert und den Raum hinter der gegnerischen Abwehrkette attackiert. In dieser Kombination ist dieses Sturmduo eines der interessantesten in der heimischen Bundesliga.

Die Flexibilität bezüglich Grundordnungen und personellen Besetzungen von Franco Foda in dieser Saison haben wir an dieser Stelle bereits einige Male angesprochen. Gegen Wolfsberg kam wieder die 5-4-1/3-4-3-Grundordnung zum Zug.
Auch im personellen Bereich gab es wenige Überraschungen. Das zentrale Verteidiger-Trio der Fünferkette bestand wieder aus Schulz und Koch auf den Halbpositionen sowie Maresic im Zentrum. Potzmann rückte nach seinen (sehr gelungenen) Einsätzen im zentralen Mittelfeld wieder auf die gewohnte rechte Flügelverteidigerposition, sein Pendant auf der linken Seite war erneut Lykogiannis.
James Jeggo und Stefan Hierländer ordneten sich im zentralen Mittelfeld ein, wobei Hierländer der wesentlich offensivere Spieler war und praktisch eine Art Freirolle hinter den drei vordersten Stürmern innehatte.
Auch in der Angriffslinie konnte Franco Foda wieder aus dem Vollen schöpfen. Huspek und Röcher durften dabei wieder die Flügel und Halbräume bearbeiten und mit ihre Schnelligkeit und Technik 1 gegen 1 Situationen ausspielen. Kapitän Deni Alar gab wie gewohnt die zentrale Sturmspitze.

Wolfsbergs Defensivkonzept: Zugriff durch Mannorientierungen

Das Spiel gegen den Ball von Wolfsberg war wie gewohnt schlicht, dafür aber sauber strukturiert und durchaus griffig. Dabei verteidigten die Mannen von Heimo Pfeifenberger aus der angesprochenen 4-4-2-Ordnung heraus, welche allerdings gespickt war mit etlichen lokalen Mannorientierungen. Aber auch das kennt man vom WAC.

Bezüglich der Pressinghöhe gab es bei den Wolfsbergern ebenfalls Raum für Flexibilität. Grundsätzlich positionierten sich die zwei Viererketten und die zwei Stürmer im Mittelfeldpressing, allerdings schoben Ouédraogo und Gschweidl immer wieder situativ nach vorne und attackierten die ballführenden Grazer Verteidiger.
Die 2 gegen 3 Unterzahlsituation in der vordersten Linie umging man dabei häufig sehr geschickt. Dafür positionierten sich in einem ersten Schritt Ouédraogo und Gschweidl in den Schnittstellen zwischen den drei Verteidigern von Sturm, um dann bei einem Pass auf die Halbverteidiger Schulz oder Koch diese seitlich anzulaufen und mögliche Pässe in das Zentrum zu erschweren. Der ballferne Stürmer rückte dabei ebenfalls zur Ballseite nach und nahm Maresic auf. Durch dieses lenkende und trennende Anlaufverhalten der Stürmer konnte die nominelle Unterzahlsituation gut balanciert werden und das Pressing meist mit dem nötigen Nachdruck durchgeführt werden.

Ein weiteres Element im Wolfsberger Pressingverhalten waren die etlichen direkten Mannorientierungen, von denen die Kärntner sowohl im Zentrum als auch auf den Flügeln Gebrauch machten.
Vor allem Sechser Rabitsch schob aus seiner angestammten Position neben Offenbacher immer wieder nach vorne und orientierte sich an James Jeggo, welcher der tiefste Punkt im Grazer Mittelfeld war und somit meist die erste mögliche, vertikale Anspieloption für die drei Verteidiger und Torhüter Siebenhandl war. Vor allem in den Phasen, in denen ein aktiveres Angriffspressing praktiziert worden ist, war diese direkte Zuordnung ein wichtiger Baustein, um die Pressingbewegungen mit dem nötigen Nachdruck durchführen zu können. Dadurch konnte das Spiel meist in die Flügelzonen gelenkt werden, was aber für Sturm Graz nicht unbedingt heißt, dass sie sich aus solchen Umklammerungen nicht befreien können.

Aber wie bereits angesprochen gab es nicht nur im Zentrum immer wieder eingestreute Mannorientierungen, sondern ziemlich konstant auch auf den Flügeln. Dabei kam es zur „klassischen“ Zuordnung: Die Außenspieler Nutz und Flecker orientierten sich an den Wing-Backs von Sturms Fünferkette, während sich die Außenverteidiger Wernitznig und Zündel um die Außenspieler Röcher und Huspek kümmerten.
Wenn dann Lykogiannis oder Potzmann in das dritte Drittel kamen, füllten die Wolfsberger ihre Viererkette zu einer Fünfer- bzw. Sechserkette auf. Meist war es aber eine Fünferkette, weil der ballferne Außenspieler hoch blieb und die Bindung zu den beiden zentralen Mittelfeldspielern hielt.

Diese Mechanismen auf den Flügeln sind zwar bei sehr vielen Mannschaften zu sehen, was aber erstens nicht heißen muss, dass es gut ist und zweitens mit einem hohen Grad an Passivität verbunden ist. Besitzt dann eine Mannschaft wie zum Beispiel Sturm noch sehr schnelle und spielintelligente Flügelspieler (spielintelligent in dem Sinn, dass man mit entgegenkommenden Bewegungen den Manndecker aus der Abwehrlinie zieht und zeitglich ein Mitspieler aus der Tiefe mit Dynamik in die geöffnete Bahn sprintet), können trotz dieser nominellen Überzahlsituationen häufig Instabilitäten und Durchbrüche für den Gegner entstehen.

Genau ein solcher Spielzug hat Sturm auch den Führungstreffer durch Deni Alar beschert.

Im obigen Spielausschnitt sieht man die Entstehung zum Treffer von Alar. Man sieht das, was wir bereits vorher angesprochen haben: Ranacher löste sich bereits aus der Mittefeldkette und orientierte sich am aufgerückten Potzmann. Ebenfalls zu sehen ist die Zuordnung Zündel-Huspek und der durch die Mannorientierungen geöffnete rechte Halbraum.

Huspek trifft im weiteren Verlauf des Spielzugs die richtige Entscheidung und lässt sich in diesem offenen Raum nach einer kurzen Auftaktbewegung von Koch flach anspielen. Zündel geht mit etwas Verzögerung mit ihm mit und öffnet dadurch praktisch die gesamte linke Abwehrseite neben Innenverteidiger Rnic.
Potzmann erkennt dies und hat aufgrund des Vorteils des Agierens den entscheidenden Schnelligkeitsvorteil gegenüber Ranacher.

Potzmann bekommt den Ball von Huspek, der ebenfalls wieder schneller die Situation erkannte und den Laufweg in die Tiefe startete, wo er den Ball von Potzmann im weit geöffneten Raum zwischen Rnic, Zündel und Ranacher bekam und den Ball mit entscheidender Schärfe in den Fünfer schlug. Dort verlor auch noch Sollbauer Alar aus den Augen, was diesen Treffer relativ simpel wirken ließ. Aber es war ein passender Spielzug mit den passenden Bewegungen gegen ein solches Abwehrverhalten.

Guten Fußball spielen kann man auch trotz Wind

Die Blackies aus Graz haben uns gezeigt, dass man auch gegen den Wind guten und druckvollen Angriffsfußball spielen kann. Dagegen waren die Offensivbemühungen der Wolfsberger zweifelhaft. Eigentlich waren sie bedenklich. Ein geordneter, flacher Spielaufbau von hinten heraus wurde gar nicht erst probiert, stattdessen schlug Tormann Sallinger jeden Abstoß hoch heraus auf Zielspieler Ouédraogo. Der hatte die Aufgabe, diese Bälle zu behaupten und auf die nachrückenden zentralen Mittelfeldspieler abzulegen oder selbst durch kurze Aufdrehbewegungen das Spiel auf eine Seite zu verlagern. Dabei muss man ihm zugutehalten, dass er dies dank seiner körperlichen Voraussetzungen immer wieder sehr gut machte und vor allem Jeggo in schwierige Zweikämpfe verwickelte.
Aber diese „Variante“ war so ziemlich das einzige Mittel, welches die Mannschaft von Heimo Pfeifenberger im eigenen Ballbesitzspiel zu bieten hatte. Dazu musste die eigene Viererkette in der ersten Halbzeit aufgrund des starken Gegenwindes bei eigenem Abstoß sehr tief stehen bleiben, um nicht simpel überspielt werden zu können. Zusammengefasst kann man sagen, dass Wolfsberg mit dieser Ausrichtung schlichtweg nicht in der Lage war, ein Tor zu erzielen. Es hätten schon einige Zufälle eintreten müssen, damit die Kärntner konkret vors Tor gekommen wären. Das ist dann halt ein bisschen gar wenig.

Dass die Grazer richtig gut Fußball spielen können, wissen wir nicht erst seit der Sonntagspartie gegen den WAC. Aber sie haben uns gezeigt, dass man sich mit stabilen Verbindungen zwischen den Spielern, einem flachen und kurzen Passspiel sowie gut entwickelten Automatismen (siehe die Entstehung zum ersten Tor) jedem äußeren Einfluss wiedersetzen kann.
Gegen die Mannorientierungen des WAC blieben Hierländer und Co. geduldig und warteten auf Lücken im gegnerischen Mannschaftsverbund. Dabei blieben sie immer ruhig und verfielen nicht in chaotische Strukturen, nur um zweckhalber die Partie schnell oder lebendig zu machen. Stattdessen vertrauten sie auf ihre Strukturen im Ballbesitz und schlugen bei der ersten guten Möglichkeit eiskalt zu. Diese Qualität hat wohl auch nur ein Tabellenführer.

Im Eingang der Analyse wurde bereits kurz erwähnt, dass Hierländer im zentralen Mittelfeld bei eigenem Ballbesitz wesentlich höher spielte als Jeggo. Dadurch entstand de facto wieder eine 3-3-3-1-Ordnung auf dem Feld, wie wir sie bereits beim Auswärtsspiel gegen den St. Pölten sahen.

Die Struktur von Sturm bei eigenem Ballbesitz erkennt man auch wunderbar anhand dieser Passmap:

Solche Passmaps zeigen uns neben den Passverbindungen zwischen den einzelnen Spielern auch deren realtaktische Positionen bei eigenem Ballbesitz, wodurch man einen sehr kompakten Überblick über die Strukturen einer Mannschaft im Ballbesitzspiel erhält.
Je fetter der Kreis, desto mehr Ballkontakte hatte der betroffene Spieler und je dicker die Linie zwischen zwei Spielern, desto mehr Pässe haben sie sich einander zugespielt.

Fazit

Es war unterm Strich ein absolut verdienter Sieg für Sturm Graz, welche damit wieder in der Tabelle an Red Bull Salzburg vorbeiziehen konnten.
Der WAC war grundsätzlich im Spiel gegen den Ball nicht schlecht organisiert, die analysierten Mechanismen auf den Flügeln wurden ihnen aber zum Verhängnis. Dazu stand mit Sturm ein Gegner auf dem Platz, der solche Situationen auch bespielen und ausnützen kann.
Die nächsten zwei Runden werden ein Leckerbissen für alle Sturm-Fans. Zuerst geht es in Graz gegen die wieder erstarkten Rapidler, zwei Wochen später wartet ein heißer Tanz in Salzburg. Wir sind gespannt…

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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