Nach der Last-Minute-Niederlage gegen RB Salzburg plante der SK Rapid am Wochenende im Heimspiel gegen den SKN St. Pölten drei Punkte ein. Aus diesem Vorhaben wurde jedoch nichts, denn die Niederösterreicher verließen den Platz nach dem Schlusspfiff als Sieger. Wir sehen uns im Detail an wie es zum überraschenden Sieg der Gästemannschaft kam.
Rapid setzt auch gegen den SKN St. Pölten auf Dreier/Fünferkette
Gegen starke Mannschaften wie RB Salzburg und den WAC bewährte sich die Dreier/Fünferkette des SK Rapid, da man in der Defensive etwas kompakter stand und mit Ullmann und Stojkovic zudem auch geeignete Akteure als Flügelverteidiger zur Verfügung standen. Gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel wird diese Formation von vielen Fans allerdings kritisch beäugt, da sie trotz des Doppelsturms defensiver eingestuft wird, als beispielsweise ein 4-2-3-1. Das muss natürlich nicht immer so sein, aber diesmal bewahrheitete sich die Skepsis der Anhängerschaft, zumal es nicht einmal einen richtigen Doppelsturm zu sehen gab.
Ausfälle in der Offensive wiegen schwer
Die personelle Situation sollte nicht als Ausrede gelten, wenn man als SK Rapid zuhause gegen den SKN St. Pölten verliert, allerdings spielten die zahlreichen Ausfälle, die vornehmlich die Offensive betrafen, sicherlich eine große Rolle. Neben Schick, Kitagawa und Schobesberger fiel nämlich auch Taxiarchis Fountas aus, der mit seinen acht Saisontoren nicht nur eine Art grün-weißer Lebensretter in der bisherigen Saison war, sondern auch viele Probleme in der Offensive kaschierte. Aufgrund der Ausfälle stellte Kühbauer Knasmüllner nominell als zweite (hängende) Spitze neben Badji auf, allerdings ließ sich der 27-Jährige weit ins Mittelfeld zurückfallen, sodass er eher auf der Zehner-Position zum Zug kam. So sahen die Durchschnittspositionen der Spieler in der Praxis aus:
Man sieht, dass es sich eher um eine 3-4-2-1- statt 3-5-2-Formation handelte. Murg hatte tatsächlich eine etwas höhere Position als Knasmüllner.
St. Pölten macht das Zentrum dicht
Der SKN St. Pölten begann ebenfalls mit einer 3-4-2-1-Formation und legte das Augenmerk darauf, das Zentrum dicht zu machen. Die vordersten drei Akteure, Balic, Pak und Hofbauer, zeigten im Spiel gegen den Ball ein starkes Anlaufverhalten und versperrten den Weg durch die Mitte. Die zentralen Mittelfeldspieler Ambichl und Luxbacher wurden von den drei Offensivspielern hervorragend unterstützt und trugen selbst mit großer Laufbereitschaft und einem guten Zweikampfverhalten dazu bei, dass das Zentrum versperrt blieb. Dabei war insbesondere Ambichls Leistung ein wenig überraschend, denn der Achter der St. Pöltner bestritt gegen den SK Rapid insgesamt 20 Zweikämpfe und stellte damit einen klaren persönlichen Bestwert in dieser Saison auf. Ambichl absolvierte in mehreren Bundesliga-Partien heuer weniger als zehn Zweikämpfe und die Intensität, die er gegen Rapid an den Tag legte, war aller Ehren wert.
Gäste mit Problemen im Spielaufbau
So gut das taktische Verhalten gegen den Ball war, so problematisch war die Qualität des Spiels bei eigenem Ballbesitz. Wenn die Gäste gefährlich wurden, dann meist über den blendend aufgelegten Davies, der insgesamt acht Dribblings machte und seine Gegenspieler dabei gleich mehrmals stehen ließ. Auf Passstafetten der Gäste wartete man vergeblich. Obwohl der SK Rapid keinesfalls mit einem intensiven Pressing agierte, hielten die Niederösterreicher im Schnitt nur acht Sekunden den Ball in ihren Reihen und kamen nur vier Mal mit dem Ball zum gegnerischen Strafraum. In 57% aller Fälle kam man nicht einmal kontrolliert über die eigene Hälfte.
Hausherren mit Problemen im Spielaufbau
Dass der SKN St. Pölten den Fans kein atemberaubendes Kombinationsspiel bieten konnte, ist keine große Überraschung. Dass Ljubicic, Schwab, Murg und Knasmüllner im Zentrum blass blieben hingegen schon. Dies lag zum einen am oben beschriebenen Anlaufverhalten, zum anderen aber an einer ganz schwachen individuellen Performance. Insbesondere Knasmüllner und Murg traten selten effektiv in Erscheinung und funktionierten auch nicht im Verbund miteinander. Knasmüllner gewann nur 27% seiner Zweikämpfe, verlor bei allen drei Dribblings den Ball und wurde nur 20-mal von seinen Kollegen angespielt. Murg war ein wenig besser eingebunden, allerdings sah man ihm die mangelnde Spielpraxis deutlich an. Murg zeichnet sich für 20 Ballverluste verantwortlich, Schwab für 17, Knasmüllner für 15! Insgesamt kam der SK Rapid auf 133 Ballverluste (Saisonschnitt 120,8). Mittelstürmer Badji trug zu diesem Problem massiv bei, da er an vorderster Position kaum Bälle sichern konnte und ihm wieder einmal zu viele technische Fehler unterliefen. Der Stürmer liegt mit 21 Ballverlusten sogar noch vor Thomas Murg.
Ein weiteres großes Problem war zudem die Raumaufteilung, die wir nun genauer analysieren:
Asymmetrische Flügel
Bei einem 3-5-2 bzw. 3-4-2-1-System, wie Rapid es gegen den SKN St. Pölten praktizierte, nehmen die Flügelverteidiger eine enorm wichtige und laufintensive Rolle ein, da sie oftmals alleine ihre gesamte Seite abdecken müssen. Dauerläufer Maximilian Ullmann ist das Paradebeispiel für diese Position und der Flügelverteidiger erledigte auch gegen den SKN St. Pölten seine Aufgaben recht gut. In der obigen Grafik sieht man, dass er eine höhere Position als Stojkovic einnahm, allerdings auch oftmals ohne Anbindung an seine Mitspieler blieb. Knasmüllner wich nur selten auf den linken Flügel aus, Murg dafür umso öfter auf die rechte Seite. Als Arase in der 62. Minute (viel zu spät) in die Partie kam, wurde es auch für Ullmann einfacher. In der kurzen Zeit spielte er mehr Pässe zu Arase, als über die gesamte Partie zu Murg oder zu Badji.
Dadurch, dass Murg in der Offensive oftmals den rechten Flügel besetzte, hatte Stojkovic eine zu niedrige Grundposition bei eigenem Ballbesitz. Der Legionär hätte dem Spiel viel mehr Tiefe geben müssen, wurde allerdings mehrmals aufgrund des Einrückens von Thomas Murg „zurückgedrängt“. Obwohl also der rechte Flügel eher überladen wurde, kamen nur 16 Angriffe der Grün-Weißen über rechts, während 20 Angriffe über links kamen.
Ein Vorteil der Fünferkette ist, dass die Flügelverteidiger für gewöhnlich offensiver agieren können, da sie von den drei zentralen Abwehrspielern besser abgesichert werden. Stojkovic hätte die gleiche Partie allerdings locker auch als Rechtsverteidiger einer Viererkette absolvieren können. Die Fünferkette war daher auch in dieser Hinsicht unnötig.
Fünferkette zu spät aufgelöst
Didi Kühbauer hätte eigentlich spätestens nach 30 Minuten einsehen müssen, dass er etwas Grundlegendes ändern muss, um mehr Torchancen gegen den SKN St. Pölten herauszuspielen. Schließlich zeigt auch das Expected-Goal-Modell, wie harmlos die Hütteldorfer in der ersten halben Stunde waren:
Quelle: Wyscout S.p.a
Die dunkle Linie symbolisiert die Entwicklung des xG-Wertes des SK Rapid über die gesamte Partie. Die blaue Linie zeigt wie sich die xG-Werte der Gäste über die 90 Minuten entwickelt haben.
Neben der Positionierung der Außenverteidiger hätte man auch die Qualität des Passspiels beim Übergang zwischen Abwehr und Mittelfeld mit der Auflösung der Fünferkette verbessern können, indem beispielsweise ein Mittelfeldspieler tiefer abkippt und mehr Verantwortung im Spielaufbau übernimmt. Die drei Innenverteidiger hatten nämlich durchaus Probleme im Mittelfeld Anspielstationen zu finden. Insbesondere der zentrale Abwehrspieler Dibon fand nur selten vertikale Anspielstationen und spielte ganze 19 Pässe auf Mateo Barac, was in der Passstatistik zwischen zwei Spielern in dieser Partie der Höchstwert ist. Ljubicic, Schwab, Knasmüllner und Murg erhielten von Dibon insgesamt nur 10 Pässe über die gesamte Partie.
Quelle: Wyscout S.p.a
Die Größe des jeweiligen Punktes korreliert mit der Anzahl der Ballberührungen. Man sieht deutlich, dass die Zentrumsspieler des SK Rapid nicht so dominant wie gewohnt gegen nominell schwächere Gegner agierten und dass Knasmüllner (28), Murg (10) und Badji (27) kaum in die Partie fanden. Da auch die eingewechselten Spieler angezeigt werden, lohnt sich ein Blick auf die Position von Arase (36) am linken Flügel, der nach seiner Einwechslung dem Spiel des SK Rapid deutlich mehr Tiefe und Breite gab. Ein 4-2-3-1 mit Arase und Murg als offensive Flügelspieler wäre wohl im Nachhinein die deutlich bessere Wahl gewesen.
Mentalitätsfrage?
Keine Frage – die Spieler wirkten weit weniger giftig als beispielsweise im Heimspiel gegen den Wolfsberger AC und hätten vielleicht mit mehr Leidenschaft und einem anderen Spielverlauf drei Punkte erzwingen können. Nichtsdestotrotz ist die Niederlage, die trotz des schwachen Spiels alleine schon aufgrund der Expected-Goal-Werte von 1.29:0.45 als unglücklich bezeichnet werden kann, in erster Linie nicht der mangelnden Mentalität geschuldet. Neben den Ausfällen setzte man angesichts der Personalsituation einfach auf ein für diesen Gegner unpassendes System, welches die Akteure noch dazu schwach interpretierten. Bei dieser Gelegenheit darf man natürlich auch die Gäste loben, die von ihrem Trainer gut auf den SK Rapid eingestellt wurden und im Spiel gegen den Ball konzentriert agierten.
Während der LASK oder der WAC einen klaren Spielplan verfolgen, ist es für Außenstehende oftmals schwer zu erahnen, was die Grundidee im Spiel des SK Rapid ist – insbesondere wenn man die Partie gegen nominell schwächere Gegner selbst gestalten muss, hat man das Gefühl, dass ein großer Teil der Möglichkeiten durch individuelle Aktionen oder Zufall zustande kommt.
Zum Abschluss haben wir noch ein Update der Expected-Goal-Werte, das die Gesamtsituation für die Rapid-Fans vielleicht ein klein wenig hoffnungsvoller erscheinen lässt.
Der Trend zeigt laut dem xG-Modell weiterhin eher nach oben, aber es wartet noch viel Arbeit auf das Trainerteam. Es stimmt wohl, dass die Mentalität der Mannschaft in den letzten Monaten besser wurde und die Fans und das Team seit der Cup-Partie gegen Salzburg wieder vermehrt an einem Strang ziehen – in spielerischer Hinsicht muss sich jedoch noch enorm viel ändern, wenn man zu den Top-3-Teams aufschließen will.
Stefan Karger, abseits.at
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Stefan Karger
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