Mit Ercan Kara holt Rapid einen alten Bekannten zurück nach Hütteldorf und will mit dem 29-jährigen Routinier vor allem die Effizienz in der Offensive... Analyse: Wie passt Ercan Kara ins aktuelle Rapid-System?

Mit Ercan Kara holt Rapid einen alten Bekannten zurück nach Hütteldorf und will mit dem 29-jährigen Routinier vor allem die Effizienz in der Offensive steigern. In den bisherigen 16 Bundesligapartien spielten die Wiener zwar stark, erzielten aber nur 20 Tore, was auch der Hauptgrund dafür ist, dass man nur auf dem dritten Platz rangiert.

Die Wintertransferzeit war in Hütteldorf sehr ereignisreich und zum Ende hin auch turbulent. Mit Romeo Amane und Ange Ahoussou holte Rapid bereits Verstärkungen fürs Mittelfeldzentrum und die Innenverteidigung. Beide wurden als Vorgriffe für die neue Saison bezeichnet. Mit Andrija Radulovic und Heimkehrer Ercan Kara kamen nun auch zwei Verstärkungen für die Offensive hinzu.

Die Sache mit dem „Game Changer“

Lange Zeit tappte man im Dunklen, ob und wie Rapid seine Offensive verstärken würde. Immer wieder hörte man über mehrere Ecken, dass die Hütteldorfer nach einem Stürmer suchen würden und dieser ein Unterschiedsspieler sein solle. Speziell im Austrian Soccer Board ging danach nach einem entsprechenden abseits.at-Artikel der Begriff „Game Changer“ viral.

Nun kommt mit Ercan Kara tatsächlich ein Name, den man kennt, vielleicht aber auch einer, den man nicht unbedingt vermutet hätte. Der 29-Jährige spielte zwischen 2020 und 2022 bereits zwei Jahre für Rapid, kam für die Hütteldorfer auf 37 Tore und 16 Assists in 84 Spielen. Und auch wenn der Reiz des Neuen bei Kara ausbleibt, kann der gebürtige Wiener mit türkischen Wurzeln dennoch zu ebendiesem „Game Changer“ für Rapid werden.

In Stürmermetriken immer einer der Ligabesten

Stöbert man in unseren Artikeln aus den Jahren 2020 und 2021 erkennt man, wieso Kara für Rapid so wertvoll war. Speziell unsere traditionellen Statistik-Roundups zur Winterpause belegen das:

Kara führte 2020/21 zur Winterpause die xG-Wertung der Bundesliga an (29.12.2020)

Kara feuerte im selben Vergleichszeitraum die meisten Schüsse ab (8.1.2021)

Ebenfalls im selben Zeitraum wurde Kara am meisten gefoult (14.1.2021)

Auch zur Winterpause 2021/22 führte Kara die xG-Wertung der Liga an (20.12.2021)

Dies sind nur Auszüge aus den Statistikartikeln, die die Gefährlichkeit Karas zusammenfassen. Rapid ersetzte seine Stürmer seit dem Abgang von Aliou Badji stets sehr genau und schaffte es, die wichtigen und nötigen Stürmerwerte genau zu treffen. Zuerst mit Kara und Fountas, nach dessen Abgang mit Burgstaller und schließlich – nachdem Burgstaller erste körperliche Verschleißerscheinungen zeigte – auch mit Beljo. Die Rapid-Stürmer lagen in wichtigen Metriken stets in der Ligaspitze. Mit der neuerlichen Verpflichtung Karas hat man nun zwei „xG-Kaiser“ in den eigenen Reihen, was Rapid in verschiedenen Spielphasen noch gefährlicher machen sollte.

Kara bei Rapid mit extremen xG-Werten

In seiner ersten Zeit bei Rapid zog Kara ausgesprochen viele Duelle, hatte sehr viele Ballkontakte in der Box, schoss extrem häufig und wurde oft gefoult. Alles Werte, die schließlich auch für einen hohen xG-Wert und als Resultat daraus auch für viele Tore sorgten.

Karas erste Halbsaison im Frühjahr 2020 war noch von Eingewöhnung in der Bundesliga geprägt. Hier kam er auf drei Tore bei einem xG-Wert von 2.37. In der Saison 2020/21 – seiner einzigen ganzen Saison im grün-weißen Dress – brachte es Kara auf 20 Pflichtspieltore bei einem xG-Wert von 25.79. Das zeigt, dass er trotz seiner starken Torausbeute immer noch recht deutlich unter Erwartung lief. Hinzu kommt, dass er mit sechs Assists bei 5.35 xA auch recht gute Vorbereiterwerte hatte.

Abgangssaison mit Parallelen zu Beljo

Im Herbst 2022 – der Halbsaison vor seinem Transfer nach Orlando – erzielte er 14 Pflichtspieltore und wies einen xG-Wert von 17.46 auf. Damit lief er erneut unter Erwartung. Kara war also rein von seiner Präsenz und der Vielzahl an Abschlussmöglichkeiten, die er bekam, noch wertvoller für Rapid, als es die faktischen Torstatistiken belegen. Zum Vergleich: Dion Beljo kam im vergangenen Herbst ebenso wie Kara in seiner letzten Rapid-Halbsaison auf 14 Tore, allerdings bei einem xG-Wert von 14.78 – was statistisch somit der Erwartung entspricht. Allerdings spielt Beljo derzeit in einer stärkeren Mannschaft, als Kara damals.

Überperformer in den USA und der Türkei

Bei seinem US-amerikanischen Arbeitgeber Orlando City drehte sich das Bild dann ein wenig und Kara begann, anders in seiner Rapid-Zeit, überzuperformen. Effektiv erzielte er in den USA in 53 Spielen 18 Tore und vier Assists. Für diese Ausbeute benötigte er 14.72 xG und 2.39 xA. Auch wenn die Gesamtausbeute in den USA nicht so hoch war, wie man es sich vielleicht erhoffte, konnte der 192cm-Mann in seinen etwas mehr als 1 ½ Jahren in den USA die Effizienz ein wenig hinaufschrauben.

Im September 2023 wechselte Kara in die Türkei, unterschrieb bis Sommer 2026 bei Samsunspor. In der ersten Saison kam er noch recht regelmäßig zu Einsätzen, wenn auch eher von der Bank, als in der Startelf, aber im Herbst 2024 war er einer der Leidtragenden einer enorm starken Saison des Klubs von der Schwarzmeerküste. Samsunspor liegt in der türkischen Süper Lig derzeit auf dem dritten Rang, Kara wurde zum Reservistendasein verdammt und in der Liga nur achtmal eingewechselt.

Insgesamt kam Kara in Samsun auf 34 Einsätze, in denen er es auf fünf Tore und zwei Assists brachte. Dabei waren es nur 1.244 Spielminuten, die der Ex- und Neo-Rapidler abspulte. Mit 4.32 xG und 0.74 xA lief er auch bei Samsunspor leicht über Erwartung.

Wie tut sich Kara in einer dominanten Rapid-Elf?

Kara hat also seine Chancen nach seiner Rapid-Zeit besser „konvertiert“. Während er bei Rapid noch hohe xG-Werte und verhältnismäßig zu wenige Tore erzielte, machte er in den USA und der Türkei mehr Tore als erwartet. Bei Rapid könnte sich diese Statistik wieder umdrehen, was mehrere Gründe hat.

Zunächst ist ein wichtiger Faktor die Spielstärke Rapids und die Dominanz, die das Team in der österreichischen Bundesliga auszuüben imstande ist. Kara wird bei Rapid besser „gefüttert“ werden, als bei seinen beiden letzten Ex-Klubs und es ist anzunehmen, dass er auch wieder in den Top-Statistiken aufscheinen wird, was die Ballaktionen im Strafraum und die Schüsse in Richtung gegnerisches Tor betrifft.

Genau diese Metriken sind für Stürmer absolut zentral, denn mit Ballaktionen im Strafraum und Schüssen steigen auch die xG- Werte und schließlich die Tore. Dion Beljo ist hierfür ein gutes Beispiel, aber da sich der Kroate auch im Aufbauspiel zu Angriffen stark beteiligt und immer wieder an die Flügel pendelt, schaffte er es nicht, noch dominantere Werte aufzubauen. Seine Werte sind weiterhin top und weisen ihn als potentiellen Klassestürmer aus, aber in Karas Fall ist zu erwarten, dass er in der neuralgischen Zone vor dem Tor zu noch klareren Touches und Chancen kommen würde, als Beljo – auch weil er weniger pendelt, sondern den Fokus auf die Zone der Wahrheit bzw. die Zentralachse legt.

Wie passen Kara und Beljo zusammen?

Hier stellt sich jedoch die Frage, wie Kara am idealsten ins Angriffskonzept Rapids eingebunden werden kann. Die Frage, die sich am meisten stellt ist die, ob er auch in einem Zweiersturm mit Beljo harmonieren würde. Die Antwort auf diese Frage ist am ehesten, dass die Kompatibilität stark gegnerabhängig sein wird.

Eine Doppelspitze mit zwei Brecherstürmern könnte Rapid natürlich andere Facetten, wie etwa Tiefgang in letzter Instanz, nehmen. Gleichzeitig verfügen die Hütteldorfer für die beiden Zehnerpositionen aber vor allem mit Isak Jansson über einen Spieler, der die große Physis in der Spitze mit Tiefenläufen aus der Etappe ausnützen könnte. Etwa, wenn einer der beiden Stürmer in den Zehnerraum antizipiert, die Abwehrkette des Gegners dazu zwingt herauszurücken, sodass Jansson die sich öffnenden Räume hinter dem herausrückenden Innenverteidiger bespielen bzw. anlaufen könnte.

Da sowohl Beljo, als auch Kara passable Techniker sind und Bälle auch in der Etappe gut festmachen und weiterverarbeiten können, wäre es auch denkbar, dass jeweils einer der beiden situativ in den Zehnerraum antizipiert, um am Kombinationsspiel teilzunehmen.

Ein Wuchtiger und ein Wendiger

Dennoch ist eine Variante mit Beljo und Kara als Zweiersturm nicht unbedingt die wahrscheinlichste. Mit Kara hat man jedoch einen potentiellen Ersatzmann für Beljo, der im Falle eines schlechten Tags für den Kroaten einspringen kann. Und auch Varianten mit beiden Stürmern für eine gewisse Dauer des Spiels, etwa eine Schlussphase, wird man beobachten können. Wenn Rapid ein Tor erzwingen muss und den Gegner noch einmal gezielt stressen will, kann die Präsenz von Beljo und Kara den Unterschied ausmachen.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Robert Klauß auf einen wuchtigen und einen wendigen Stürmer mit Tiefgang setzen wird. Es böten sich also Varianten mit Kara oder Beljo und Wurmbrand oder Jansson an. Hinzu kommt mit Noah Bischof noch ein weiterer Stürmer, der beide Tugenden vereint und ebenfalls eine gute Option wäre, wenngleich die Situation für ihn nach Wurmbrands Kopenhagen-Sternstunde und der Verpflichtung von Kara nicht leichter wurde.

Kaum Vergleichwerte für „Doppelbrecher“-Variante

Dass Kara mit seinem damaligen Sturmpartner Taxiarchis Fountas – zumindest spielerisch – gut harmonierte, ist den Rapid-Fans noch in Erinnerung. Kara spielte allerdings in seiner ersten Rapid-Zeit nie mit anderen Brecherstürmern zusammen. So kam Ferdy Druijf etwa erst nach Karas Abgang nach Orlando als dessen Ersatz. Die Frage nach der Kompatibilität mit Beljo ist demnach eine, für die es kaum Vergleichswerte gibt und die schlichtweg in Trainingsmustern ausgetestet werden muss.

Was aber mit Sicherheit hinzukommt und was im Herbst auch immer wieder fehlte, ist die Doppelbesetzung der Angriffspositionen. Rapid hat praktisch mit einem Schlag mit Beljo, Kara und Wurmbrand drei fitte Stürmer, mit Jansson einen weiteren, für den Einsätze in der Spitze auch wegen der Radulovic-Verpflichtung wieder wahrscheinlicher wurden und mit Bischof einen Notnagel in der Hinterhand. Rapid kann im Frühjahr also deutlich mehr nachlegen, wenn es der Spielverlauf erfordert – was wiederum auch fürs Mittelfeld und durch Ahoussou für die Abwehr gilt.

Kara und die Vorfreude auf volle Ränge

In der Breite hilft Kara Rapid also mit Sicherheit. Aber es wäre angesichts seiner Aktivitätswerte auch nicht verwunderlich, wenn der 29-Jährige zu einem echten Konkurrenten für Dion Beljo wird. Auch die mentale Komponente ist hierbei nicht zu verachten, denn Kara spielte bei Rapid zum Großteil in der Hochzeit der COVID-19-Pandemie und damit zumeist vor leeren Rängen. Die Publikumseuphorie, die derzeit rund um den SK Rapid herrscht, könnte ihn ebenfalls noch zu einem Leistungssprung anspornen, denn irgendwie hat man auch nach seiner erfolgreichen ersten Rapid-Zeit das Gefühl, dass der einstige Unterhauskicker und mittlerweile siebenfache ÖFB-Teamspieler mit der großen Siegermentalität bei Rapid noch nicht „fertig“ war…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen