Am zehnten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der FK Austria Wien den Aufsteiger Blau-Weiß Linz zum allerersten Duell dieser beiden Vereine. Dabei stand für... Analyse: Wiener Austria gelingt der Befreiungsschlag

Am zehnten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der FK Austria Wien den Aufsteiger Blau-Weiß Linz zum allerersten Duell dieser beiden Vereine. Dabei stand für die violetten Gastgeber viel auf dem Spiel, wollte man doch endlich den ersten Heimsieg in dieser Saison feiern und die eigene Negativserie beenden. Allerdings kam mit Blau-Weiß ein formstarker Gegner angereist, welcher in den letzten Wochen fleißig Punkten sammelte und sich mittlerweile in der höchsten Spielklasse etablieren konnte. Keine einfache Aufgabe also für die Wiener, für die der Druck recht hoch war.

Austria muss das zentrale Mittelfeld vorgeben

Nachdem man in nahezu heroischer Manier im großen Wiener Derby mit zwei Mann weniger ein torloses Unentschieden erringen konnte, hoffte man im Lager der Violetten auf eine positive Initialzündung, mit der der Umschwung gelingen sollte. Allerdings hinterließ dieses Derby auch seine Spuren, musste man neben dem weiterhin verletzten Kapitän Fischer, auch die beiden gesperrten zentralen Mittelfeldspieler Holland und Braunöder ersetzen. Damit blieb mit Jukic nur noch ein einziger gelernter zentraler Mittelfeldspieler im Kader übrig und Austria-Trainer Wimmer musste sich etwas einfallen lassen. Im Derby rückte Flügelverteidiger Potzmann mit Jukic ins Zentrum und machte seine Sache ordentlich, weshalb nichts gegen dieses Duo sprach.

Michael Wimmer packte jedoch bei der Pressekonferenz vor dem Spiel sein Pokerface aus und kündigte eine Lösung bestehend aus dem Trio Fitz, Handl und Galvao an. Diese sollte es letztlich nicht geben, allerdings dafür einige interessante systematische Anpassungen. So lief man nicht im gewohnten 3-4-3, sondern eher in einem 3-1-4-2/5-1-2-2 auf. Das kam dadurch zustande, da der kurzerhand umfunktionierte Potzmann die Verantwortung für die alleinige Sechserposition bekam, während vor ihm das Trio Jukic, Fitz und Gruber im Zwischenlinienraum wirbeln sollte. Auch die Leihgabe Asllani rückte in die Startelf, um gegen die physische Verteidigung des Gegners, einen klassischen „Zielspieler“ in den Reihen zu haben.

Mit Blau-Weiß Linz kam ein Gegner angereist, der einerseits ebenfalls auf eine Dreier/Fünferkette setzt und in einem ähnlichen System wie die Austria aufläuft, andererseits in den letzten Wochen eine gute Balance zwischen Pressingwellen und dem tiefen Verteidigen hinbekam. Daher mussten sich die Austrianer auch für alle Eventualitäten rüsten und verschiedene Varianten in Punkto Matchplan haben. Das Spiel begann dann auch so wie zu erwarten, indem die Gäste versuchten früh zu attackieren und die Violetten nicht in einen spielerischen Rhythmus kommen zu lassen. Hier wurde auch probiert, in den Zweikämpfen direkt Präsenz zu zeigen und bereits nach wenigen Minuten hatte man mehrere härtere Fouls angesammelt, die der konsequente Schiedsrichter aber mit frühen gelben Karten unterbinden konnte.

Violettes Mittelfelddreieck übernimmt das Kommando

Die „Veilchen“ zeigten dabei von Beginn an aber auch das Bestreben, spielerische Lösungen zu finden und die Vorteile eines technisch starken Mittelfelds auszunutzen. Hier hielt „Sechser“ Potzmann meist die Position im Zentrum, während im linken (Halb)Raum sowohl Fitz, als auch Jukic immer wieder auswichen und versuchten, Überzahlsituationen zu kreieren und das Pressing des Gegners auszuhebeln. Doch nicht nur das, auch die beiden Halbverteidiger Handl und Galvao sollten mutig vorgehen und auch mal ins Mittelfeld dribbeln, oder mit ihrer technischen Stärke das Pressing anlocken, um dann den freien Mann zu finden. Diese Vorgehensweise war dann auch von Erfolg gekrönt und immer wieder gelang es, mittels kleinräumigen Kombinationen über mehrere Stationen, sich aus Drucksituationen zu befreien und mit Tempo in Richtung gegnerisches Tor zu kommen.

Hier war speziell das Trio bestehend aus Potzmann, Jukic und Fitz federführend, die mit ihrer Ballsicherheit und Ruhe am Ball immer wieder den freien Mann im Zwischenlinienraum fanden und sich so dem Zugriff des Gegners entzogen. Daher spielte sich auch sehr viel auf der linken Seite des Feldes im ersten Durchgang ab und immer wieder war es diese „Dreiecksbildung“, die die Angriffe initiierten. Somit legte man auch eine starke Anfangsphase hin und dominierte in den ersten beiden Spielfelddritteln nach Belieben. Verlor man den Ball, ging man sofort ins Gegenpressing und wurde versucht, hier auch die Linzer sofort unter Druck zu setzen, um das Spielgerät wiederzuerobern. Die Folge war, dass man nicht nur auf 70 Prozent Ballbesitz kam, sondern nach knapp 20 Minuten auch auf eine Zweikampfquote von 81 (!) Prozent kam. Ein absurd hoher Wert, der aber die Überlegenheit der Austrianer unterstrich.

Das einzige Problem? Wenn man ins letzte Drittel kam, mangelte es hier an der nötigen Durchschlagskraft. Das lag oftmals daran, dass man entweder schlechte Entscheidungen traf oder nicht sauber genug agierte, aber auch insgesamt zu überhastet versuchte zum Abschluss zu kommen und zu Distanzschüssen griff. Hier hätte man die Angriffe überlegter zu Ende spielen müssen, ist doch die Torwahrscheinlichkeit bei Schüssen aus der Distanz sehr, sehr gering. Damit machte man sich einige aussichtsreiche Angriffsbemühungen zunichte, weshalb man zu kaum zwingenden Torchancen kam. Die beste vergab Flügelverteidiger Polster (die von Handl technisch sensationell eingeleitet wurde), als dieser den weit vor dem Tor stehenden Torhüter nicht überheben konnte.

BW Linz nutzt Austria-Schlendrian aus

Nach gut 20 Minuten war dieser Aufschwung der Violetten allerdings vorbei und flachte von Minute zu Minute ab. Der Auslöser hierfür ist in einer Szene zu sehen, als die Austrianer das Pressing der Linzer wunderbar über mehrere Stationen auflösen konnten und hier eine gewisse Pressingresistenz demonstrierten, ehe Jukic ausrutschte und so die Gäste in Strafraumnähe an den Ball kamen. In weiterer Folge wurde dann per Lupfer Angreifer Noß eingesetzt, der an Torhüter Früchtl scheiterte. Eine Schrecksekunde für die Wiener und beinahe hätte man erneut durch einen Eigenfehler aus dem Nichts einen Gegentreffer kassiert. Im Anschluss merkte man dann zunehmend die Verunsicherung in der Mannschaft und dass der Kopf bei den Violetten zu arbeiten begann.

Man fiel in eine Passivität zurück, lief nicht mehr vorne an und traute sich auch im Ballbesitz weniger zu bzw. nahm hier wesentlich weniger Risiko. Dadurch häuften sich auch die Ballverluste und BW Linz kam zu mehr Ballbesitz und fand immer besser in einen Spielrhythmus hinein. Daher fand nun auch das Geschehen zunehmend in der Hälfte der Austrianer statt und drohte das Spiel aus Sicht der Gastgeber – trotz des starken Beginns – zu kippen. Entlastungsangriffe waren in dieser Phase Mangelware und man war zunehmend in der Defensive gebunden. Genau in dieser Phase gelang den Violetten aber dann der Führungstreffer und meinte es das Spielglück ausnahmsweise gut mit den Austrianern.

Asllani verarbeitete einen Befreiungsschlag stark und zog mit einem Tiefensprint die Aufmerksamkeit auf sich, wodurch Fitz den freistehenden Gruber bedienen konnte, der mit einem sehenswerten Abschluss das 1:0 besorgte. Doch nicht nur das, keine zwei Minuten später war es erneut Asllani, der stark auf Polster ablegte und dieser erneut Gruber bedienen konnte, der sich auch diesmal diese Chance nicht nehmen ließ und zum 2:0 traf – ein Doppelschlag innerhalb kürzester Zeit! Das war die dringend benötige Moralinjektion für die violetten Gastgeber und dadurch ging man mit einer komfortablen Pausenführung in die Halbzeitpause.

Austria brennt dank Anpassungen spielerisches Feuerwerk ab

Nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit kamen die Violetten so aufs Feld, wie sie es bereits zu Beginn dieses Spiel taten. Das Pressing wurde wieder intensiviert, man versuchte den Gegner schnell unter Druck zu setzen und so den Rhythmus zu brechen. Mit dem Ball gab es aber auch einige Anpassungen und die spielerische Komponente sollte forciert werden. Hier rückte vor allem „Sechser“ Potzmann in den Fokus, der im Verlauf des ersten Durchgangs immer besser ins Spiel fand und nun eine noch größere Rolle einnehmen sollte. Um das Pressing des Gegners noch besser auszuspielen, wurde er angewiesen, in die Abwehrkette abzukippen und neben Martins zu rücken. So entstand im Spielaufbau kurzzeitig eine Viererkette, da in dem Fall Handl und Galvao quasi klassische Außenverteidiger gaben und sehr breitstanden.

Mit diesem einfachen Kniff wurde die Zuordnung des Gegners durcheinandergebracht und der Zugriff erschwert, da die Gastgeber eine Überzahl gegen die erste Pressinglinie der Gäste kreierten. Auch wurde offensichtlich der Auftrag erteilt, Potzmann auch im Raum vor der Abwehr vermehrt einzubinden und dessen Ballsicherheit besser zu nutzen. Das zahlte sich auch prompt aus, als Potzmann kurz nach dem Wiederanpfiff aus dem Spielaufbau heraus mit einem tollen Pass das Pressing des Gegners auflöste und einen Angriff initiierte, bei dem Fitz zu einer aussichtsreichen Schussposition kam und am Tor vorbei zielte. Das war allerdings der Startschuss für eine Drangphase der Austria, in der man sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte.

Angeführt vom starken Duo Jukic/Potzmann im Zentrum, agierte man im Ballbesitz nicht nur ballsicher, sondern dynamisch und kam so immer wieder druckvoll ins letzte Drittel. Doch nicht nur spielerisch, sondern auch im Gegenpressing übernahm dieses Duo das Kommando und leitete so auch das 3:0 ein, als die beiden schnell nachsetzen und gemeinsam den Ball zurückeroberten, bei dem in weiterer Folge Galvao und Potzmann sich ins letzte Drittel kombinierten und Gruber mit einem Schuss am Torhüter scheiterte, ehe der nachsetzende Asllani mit seinem ersten Profitor das 3:0 markierte. Damit fiel auch eine Vorentscheidung und war de facto klar, dass die Austrianer als Sieger vom Platz gehen werden.

Mit diesem Selbstvertrauen und dieser Sicherheit ließ sich auch dementsprechend einfacher Fußball spielen und war die Leichtigkeit bei den Gastgebern zurück. Immer wieder ließ man blitzsaubere Kombinationen von der Leine und ließ den Ball und Gegner laufen, wodurch man zu einigen weiteren guten Gelegenheiten kam. Eine davon nutzte Angreifer Gruber zu seinem „Tripplepack“, als man innerhalb von 12 Sekunden vom Abstoß bis in den gegnerischen Strafraum kam, und der Offensivspieler erneut von Fitz bedient wurde und mit einem überlegten Abschluss das 4:0 besiegelte.

Fazit

Der Austria gelang der langersehnte Befreiungsschlag und man feierte nicht nur den ersten Sieg seit Anfang August, sondern auch den ersten Heimsieg in dieser Bundesliga-Saison. Dabei begann man engagiert und druckvoll das Spiel und erarbeitete sich eine klare Überlegenheit, aus der man allerdings zu wenig Kapital schlug. Im Anschluss schlich sich wieder ein Schlendrian ins violette Spiel hinein und man begann gehörig zu wackeln. In dieser Phase wankte man zwar, fiel allerdings nicht und gelang es mit einem Doppelschlag das Spiel in die eigene Richtung zu lenken.

Im zweiten Durchgang demonstrierte man dann, was möglich ist, wenn die Leichtigkeit und die Überzeugung ins eigenen Spiel zurückkehren. Angeführt vom starken Zentrumsduo Jukic/Potzmann, spielte man sich den Frust von der Seele rund siegte auch letztlich in der Höhe verdient mit 4:0. Hier muss man auch Austria-Trainer Wimmer ein Lob aussprechen, der mit seinen Anpassungen im Spielaufbau die genau richtigen Maßnahmen zur Halbzeit setze und damit das Pressing des Gegners völlig destabilisierte. Dadurch wurde die Grundlage gelegt, dass man sich fußballerisch in einen Rausch spielte und viele sehenswerte Spielzüge zeigte, die Lust auf mehr machen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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