Ein weitgehend ereignisloses Wiener Derby endete am Sonntagabend ohne Sieger. Die Austria und Rapid trennten sich in der Generali-Arena zu Wien-Favoriten torlos. Dalibor Babic (Austria) und Daniel Mandl (Rapid) analysieren das Duell der Rivalen aus der Hauptstadt wie immer gemeinsam.
Austria überraschend offensiv aufgestellt
Für die Austria war das Wiener Derby mit großem Druck verbunden, da man nach wie vor zwar in Reichweite der Meistergruppe liegt, aber einige Zähler für den Sprung nach oben fehlen. Diese fehlenden Zähler hoffte man natürlich nun im Derby gegen Rapid einfahren zu können, auch wenn klar war, dass dies eine schwierige Aufgabe werden würde. Im Hinspiel zeigte Rapid bereits der Austria die Grenzen auf und nur ein überragender Patrick Pentz verhinderte damals eine klare Niederlage der Violetten. Jedoch hat sich die Austria seither klar gesteigert und ist in der aktuellen Frühjahrstabelle auf dem starken dritten Platz – direkt hinter Rapid. Die „Veilchen“ zeigten auch bei der Aufstellung, dass man auf Sieg eingestellt war und Stöger überraschte mit seinen Personalentscheidungen. Man lief im Vergleich zum Spiel gegen St. Pölten nahezu unverändert auf und bot viele Offensivspieler auf, wobei mit Pichler der wohl aktuell wichtigste Spieler im Angriff angeschlagen fehlte. Für ihn rückte Djuricin in den Angriff und sollte mit Monschein die Doppelspitze bilden.
Da es personell auch keine großartigen Veränderungen im Vergleich zum letzten Spiel gab, deutete auch einiges darauf hin, dass die Austria erneut mit einem 5-1-2-2 und einer Dreier/Fünferkette auflaufen würde. Doch dem war diesmal nicht so und man setzte stattdessen auf ein 4-4-2/4-1-3-2 System, welches sehr offensiv anmutete. Im Mittelfeld war einzig Martel richtig defensiv aufgestellt, während man mit Fitz, Sarkaria und den beiden Stürmern viel Präsenz im vorderen Bereich aufstellte. Dazu kam dann auch noch mit Linksverteidiger Wimmer eine sehr offensive Nominierung, was das Gesamtbild abrunden sollte.
In den ersten Minuten ging man dann auch sehr engagiert zu Werke und probierte, das offensive Potenzial abzurufen. Immer wieder wurde versucht, mit direkten Kontakten schnell nach vorne zu kommen und die beiden Stürmer in Szene zu setzen. Doch Rapid war gut auf das Vorhaben der Austria eingestellt und vor allem die Abwehr versuchte den beiden violetten Angreifern so wenig Tiefe wie nur möglich zu gewähren, weshalb sich die Abwehrspieler der Grün-Weißen oftmals vorsichtshalber fallenließen.
Dadurch konnte die Austria nicht diese Durchschlagskraft in der Offensive entwickeln und der Anfangselan flachte zunehmend ab. Die Gäste aus Hütteldorf stellten sich auch immer besser auf die Verhaltensweise der Violetten ein und blieben eng am Mann, weshalb viele Zweikämpfe die Folge waren und durch kleine Foulspiele kein richtiger Rhythmus im Spiel aufkommen konnte. Die Austria griff offensiv zudem immer öfter zu unpassenden Mitteln und versuchte mit vielen langen Bällen die beiden Stürmer in Szene zu setzen. Allerdings fehlte mit Pichler die physische Präsenz in diesen Duellen und vor allem jemand, der diese schwierigen Zuspiele sichern konnte. Gerade in diesem Bereich merkte man, wie schwerwiegend der Ausfall von Pichler war, da dieser durch seine Präsenz und seiner Durchschlagskraft einige strategische Schwächen der Austria-Offensive kaschieren kann. Monschein und Djuricin konnten dieses entstandene Loch kaum ausfüllen und kamen nur selten dazu, ihre Stärken ausspielen zu können, weshalb sie zunehmend in der Luft hingen.
Balanceprobleme und offener Zwischenlinienraum
Das war allerdings ein Problem für die Austria, denn dadurch fehlte es an Präsenz in der Offensive und an Akteuren, die Situationen initiieren konnten. Sarkaria tat sich gegen den starken Stojkovic schwer und wurde oftmals von mehreren Gegenspielern umstellt, während Fitz bemüht war, aber oftmals falsche Entscheidungen traf oder nicht die nötigen Optionen gegeben waren. So rückte die Defensive der Austria immer mehr in den Fokus und Rapid übernahm die Kontrolle. In der Defensive sah es der Matchplan der Violetten vor, vor allem der linken Angriffsseite Rapids mit dem laufstarken Ullmann Einhalt zu gebieten. Daher bot man mit Zwierschitz und Teigl auch zwei eher defensiv orientierte Spieler auf, die die eigene rechte Seite dichtmachen sollten. Prinzipiell versuchte man im 4-4-2 mit den beiden Stürmern das Zentrum zu verdichten und die beiden Sechser von Rapid zu isolieren, damit die Gäste zunehmend über den Flügel kommen mussten. Das klappte allerdings nicht immer, da vor allem Rapid-Kapitän Ljubicic einen sehr großen Aktionsradius hatte und viel in die Halbpositionen abkippte, von wo aus er dann das Spielgerät nach vorne brachte.
Es deutete sich bereits nach der Anfangsphase an, dass die Austria speziell im Zentrum Balanceprobleme haben könnte. Vor allem wenn man aufgerückt Ballverluste erlitt und sich etwa Fitz nach vorne orientierte, fehlte oftmals die passende Absicherung und der einzige Sechser Martel musste sehr weite Räume verteidigen, was eine schwierige Aufgabe für den Youngster war. So gab es bereits im ersten Durchgang einige Szenen, in denen Rapid-Spielmacher Demir und der eingerückte Fountas Überzahl gegen Martel herstellten und auch frei und anspielbar im Zwischenlinienraum waren. Rapid fand die beiden auch in einigen Situationen und sie konnten mit Tempo auf die Abwehr der Gastgeber zulaufen, diese bereinigte allerdings die Situationen oftmals gerade noch, weshalb auch Rapid kein Kapital aus diesen Situationen schlagen konnte. So deutete sich zwar eine große Problemstelle der Austria an, die Rapid zu wenig bespielte und ausnutzte, weshalb die Begegnung so dahinplätscherte und zunehmend an Dynamik verlor. Das lag daran, dass auch Rapid zu vielen langen Bällen griff und so das Spiel über den Kampf um den ersten und zweiten Ball geführt wurde. Daher war der 0:0-Pausenstand auch nicht überraschend
Rapid bohrt Austria an, Stöger muss Intervenieren
Nach dem Wiederanpfiff änderte sich zunächst personell nichts bei der Austria, allerdings fand man sich zunehmend in Schwierigkeiten wieder. Rapid erkannte nämlich die Problem- und Schwachstellen der Austria und ordnete die Spieler an, gezielt den Zwischenlinienraum und das Zentrum der Violetten zu attackieren und weniger lange Bälle zu spielen. Zu diesem Zweck wurde Linksverteidiger Ullmann noch weiter nach vorne gezogen und sollte auf der Seite dem Spiel die nötige Breite geben, damit Fountas sich ausschließlich im Zentrum bzw. im Halbraum aufhalten konnte. Dadurch hatte Rapid mit Fountas und Demir nun eine konstante Überzahl gegen den einzigen Sechser der Austria und man spielte diesen strategischen Vorteil nun auch kontinuierlicher aus. Die Veilchen reagierten darauf auch unpassend, da der rechte Flügel Teigl seinen Gegenspieler Ullmann mannorientiert verfolgte und nicht etwa ins Zentrum neben Martel rückte und Zwierschitz seinen Gegenspieler übergab. Dadurch entstand bei der Austria auch situativ eine Fünferkette, mit der man zwar die Breite des Feldes abdeckte, aber in den entscheidenden Zonen im Zentrum in Unterzahl agierte, da die Innenverteidiger auch nicht aus ihren Positionen nach vorne stachen.
Die Folge war, dass Rapid bereits in der frühen Phase des zweiten Durchgangs zu einigen gefährlichen Szenen kam und gute Torchancen vorfand. Die Austria wackelte in dieser Phase gehörig und ein Gegentreffer lag in der Luft, da man sich auch offensiv nach wie vor nicht in Szene setzen konnte und für zu wenig Entlastung sorgte. Die beiden Stürmer setzten sich in den direkten Duellen selten durch, wodurch auch kaum Löcher in der Defensive der Hütteldorfer entstanden. Man konnte schlichtweg die offensiven Vorteile, die sich die Violetten strategisch mit dieser gewählten Variante eigentlich erwartete, schlichtweg nicht ausspielen. Im Gegenteil, sie führte zu immer größeren Problemen, was auch Austria-Trainer Stöger nicht entging. Also wechselte er mit Monschein einen Stürmer aus und brachte dafür mit Ebner einen zusätzlichen Mittelfeldspieler, um das Zentrum zu verstärken.
Das war in dieser Situation zweifellos die richtige Entscheidung, denn ansonsten hätte es nicht mehr lange gedauert, bis Rapid die Führung erzielt hätte. Durch diesen Wechsel stabilisierte sich die Defensive der Austria wieder etwas und die Gäste kamen nun nicht mehr so einfach vor das gegnerische Tor, auch wenn man weiterhin Möglichkeiten auf die Führung vorfand. Die Austria auf der anderen Seite verstärkte sich zunehmend auf Konter und fand auch einige gute Situationen vor, die man jedoch zu stümperhaft vergab. Oftmals passte der letzte Pass nicht oder man traf die falsche Entscheidung, weshalb die Violetten auch kaum zu Torchancen kamen. So war schnell klar, dass ein Punkt das Höchste der Gefühle für die Austria sein würde und dementsprechend wenig Risiko ging man auch in der Schlussphase ein. Torhüter Pentz bewahrte dann auch seine Mannen mit einer tollen Reaktion kurz vor Schluss vor der Niederlage, weshalb es beim torlosen Unentschieden blieb.
Kühbauer versucht’s mit Spielmacher Demir
Rapid begann das Derby erwartungsgemäß in einem klassischen 4-2-3-1-System, in dem Supertalent Yusuf Demir zum vierten Mal in der Bundesliga auf der Zehn eingesetzt wurde. Mit Fountas am linken Flügel sollte dies die Möglichkeit für Rochaden eröffnen, die etwa mit Knasmüllner nicht so flexibel ausgefallen wären. Mit Ausnahme der ersten Viertelstunde war Rapid praktisch durchgängig die bessere Mannschaft, vergab in der Schlussphase den Matchball. Dass die Kühbauer-Elf das 332. Wiener Derby nicht gewann lag aber nicht primär an der vergebenen Doppelchance durch Knasmüllner und Kara, sondern an einer verschlafenen ersten Halbzeit.
Spiel auf zweite Bälle statt Kombinationsfußball
Rapid beging in der ersten Halbzeit einen Kardinalsfehler: Sicher auch aufgrund der schlechten Rasenverhältnisse suchte man weniger den Weg über Passsicherheit auf der Doppelacht mit Ljubicic und Petrovic, sondern bespielte die Austria praktisch wie den LASK. Viele lange Bälle in Richtung Ercan Kara sollten Rapid in Gegenpressingsituationen im Zwischenlinienraum bringen. Dort sollte Demir mit Unterstützung der leicht einrückenden Fountas und Schick Bälle absammeln und schnell in die Tiefe verarbeiten. Kara kam damit wieder auf 48 Duelle, von denen er diesmal aber nur 17 gewann.
Dass Kara weniger sattelfest im Zweikampf war als sonst, wäre prinzipiell kein großes Problem gewesen, aber auch die Gegenpressingaktionen Rapids ließen mannschaftliche Kompaktheit vermissen. Speziell aus der Doppelacht heraus baute Rapid in diesen Aktionen zu wenig Druck auf. Das war der Nachteil der langen Bälle, zumal Ljubicic und Petrovic vor eine schwierige Balanceaufgabe gestellt waren. Einerseits durfte man das defensive Mittelfeld aufgrund der offensiven Mittelfeldausrichtung der Austria nicht entblößen, weshalb man andererseits zu inaktiv in höheren Räumen war, wenn Rapid im Aufbau mit weiten Bällen operierte.
In der zweiten Halbzeit spielte Rapid vor allem technisch zielgerichteter und so, wie man es wohl schon in der ersten Halbzeit hätte tun sollen. Man versuchte durch präzise Aktionen in den Zwischenlinienraum zu kommen – das Hochschieben Ullmanns bot dabei eine weitere wertvolle Anspielstation an. In der ersten Halbzeit versuchte man die Austria also eher niederzukämpfen, was wiederum Schlüsselspieler Demir nicht zugutekam.
Geplant war das aber vermutlich nicht. In Ansätzen sah man durchaus, dass sich Rapid auch in der ersten Halbzeit durch das Mittelfeld kombinieren wollte, aber es mangelte an der Passqualität, was die Grün-Weißen immer mehr verunsicherte und die Herangehensweise veränderte. Vor allem Dejan Petrovic war bei weitem nicht so passsicher wie sonst und auch einfache Verlagerungen gelangen dem Slowenen häufig nicht. Das war auch gegen Salzburg schon der Fall, weshalb die Austria im zweiten Drittel eher Petrovic als Ljubicic stellte und unter Druck setzte. Petrovic Passquote kam dadurch bei 43 Zuspielen nur auf einen Erfolgswert von 62,8%, was für diese Position zu wenig war, speziell wenn man berücksichtigt, dass der 23-Jährige kein besonders großes Risiko in seinem Passspiel einging.
Rapids Defensivspieler am konstantesten
Insgesamt war es bezeichnend für ein schwaches Wiener Derby, dass die besten Rapid-Spieler in der Defensive zu finden waren. Filip Stojkovic zeigte eine extrem abgebrühte Leistung und war der beste Mann am Platz. Der Montenegriner gewann 24 seiner 29 Duelle und spielte seine gesamte Routine fehlerfrei aus. Auch die Rückkehr von Maximilian Hofmann in die Startelf stabilisierte die Rapid-Abwehr, während auch Mateo Barac eine defensiv ordentliche Vorstellung ablieferte. Im Spielaufbau hatte es der Kroate jedoch nicht immer leicht, weil die Austria ihn als Zielspieler im hohen Pressing ausmachte und zu langen Bällen zwang. Das Anlaufen des Rapid-Innenverteidigers war es auch, das den Charakter des Aufbauspiels veränderte und Rapid ins Konzept der langen Bälle auf Kara kippen ließ. Erst als Ullmann in der zweiten Halbzeit höherschob, konnte Barac zielgerichteter aufbauen.
In der Offensive zeigte Rapid dieselben Schwächen wie in den letzten Partien. Die Entscheidungsfindung in letzter Instanz passte nicht und man vertendelte zu viele Bälle in konkreten Abschlusssituationen. Speziell bei Taxiarchis Fountas konnte man beobachten, dass er nicht so frei im Kopf ist, wie vor seiner Armverletzung. Der Grieche, der sein letztes Bundesligator am 4. Oktober 2020 gegen den LASK erzielte, lässt die Leichtigkeit der Vorsaison vermissen, wenngleich man sieht, dass er sich aufopfert und sein Glück ein wenig erzwingen will. Genau das scheint aber aktuell sein Problem zu sein.
Auch in der Strafraumbesetzung hatte Rapid wieder Verbesserungspotential und mehrere grundsätzlich gute Zuspiele vom Flügel in den Rücken der Austria-Abwehr konnten von den Favoritnern recht einfach weggeräumt werden. Bis zum Strafraum wurde Rapid mit Fortdauer des Spiels immer besser, in der „Zone der Wahrheit“ war man aber schließlich nicht zwingend genug.
Zähes Derby ohne Gewinner
Unterm Strich steht somit ein Wiener Derby, das in kein Geschichtsbuch eingehen wird. Rapid hätte sich den Sieg mehr verdient als die harmlose Austria, die Qualität des Spiels verdiente allerdings insgesamt keinen Sieger. Rapid muss sich trotz 22 Schüssen den Vorwurf gefallen lassen, keine konkreteren Chancen herausgearbeitet zu haben. Nur drei Schüsse gingen aufs Tor von Patrick Pentz und so war es eher die Qualität der vorgetragenen Angriffe, an denen Rapid erneut scheiterte. So zwingend wie im Hinspiel waren die Hütteldorfer letztlich nie und je länger das Spiel dauerte, desto klarer war, dass nur ein glücklicher Lucky Punch die Partie entscheiden könnte. Dass der aktuell ein wenig unter Ladehemmung leidende Ercan Kara diesen in der Schlussminute vergab, passt ins Gesamtbild eines alles in allem faden Wiener Derbys mit einem Ausgangsparadoxon: Das Ergebnis schmerzt Rapid mehr als die Austria, bringt den Grün-Weißen aber auch verhältnismäßig mehr.
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Dalibor Babic (Austria) & Daniel Mandl (Rapid), abseits.at
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Dalibor Babic
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