Mit einem 1:1 in Klagenfurt musste Rapid am Sonntagabend den ersten Punktverlust in der neuen Saison hinnehmen. Die Hütteldorfer waren dabei eine Halbzeit lang... Analyse: Zu wenig „Torgeilheit“ sorgt für ersten kleinen Rapid-Patzer

Mit einem 1:1 in Klagenfurt musste Rapid am Sonntagabend den ersten Punktverlust in der neuen Saison hinnehmen. Die Hütteldorfer waren dabei eine Halbzeit lang ein Mann mehr und scheiterten – auch erstmalig in der neuen Spielzeit – an fehlendem Torhunger.

Rapid-Trainer Robert Klauß stellte seine Mannschaft massiv um und brachte im Vergleich zum Trabzonspor-Spiel sechs neue Spieler. Das 4-2-2-2 blieb jedoch dasselbe und mit Sangaré, Burgstaller, Jansson, Lang und Auer – die später auch allesamt eingewechselt wurden – hatte Rapid die stärkste Bank seit langem.

Oswald egalisiert Fehlstart

Der Spielverlauf sprach zunächst nicht für Rapid und eine Fehlerkette bei den Grün-Weißen leitete das 1:0 für die Hausherren ein. Dion Beljo konnte den Ball an der Mittellinie nicht sichern, fabrizierte einen Fehlpass und ging viel zu halbherzig ins Gegenpressing. Danach kam es zu einem Abstimmungsproblem zwischen Hofmann und Raux Yao, wobei vermutlich nichts passiert wäre, wenn Hofmann seine Position nicht verlassen hätte. Da er das aber tat, konnte Ben Bobzien alleine aufs Tor laufen und traf sicher zum 1:0.

Eine Viertelstunde später war es eine beherzte und direkt durchgezogene Aktion des aufstrebenden Moritz Oswald, die Rapid den Ausgleich brachte. Ab hier hatte Rapid praktisch alles wieder im Griff und es wirkte so, als wäre der Führungstreffer nur eine Frage der Zeit. Dion Beljo hatte bei einem Schuss an die Innenstange Pech – es war bei weitem nicht sein erster Aluminiumtreffer in Grün-Weiß.

Rote Karte führt VAR ad absurdum

Nachdem es mit einem 1:1 in die Pause ging, veränderte eine skandalöse Schiedsrichterentscheidung den Spielcharakter. In einem Zweikampf zwischen Klagenfurt-Abwehrchef Thorsten Mahrer und dem erneut sehr unauffälligen Rapid-Stürmer Furkan Dursun entschied der Schiedsrichter nach Rücksprache mit dem VAR und einem Videostudium auf Freistoß und Rot für Mahrer. Rapid-Coach Klauß gab nach dem Spiel zu, dass er selbst wohl nicht mal das Foul gepfiffen hätte. Es war ein neues Beispiel dafür, dass österreichische Schiedsrichter und Video Assistant Referees dem „System VAR“ schlichtweg noch immer nicht gewachsen sind. Wenn eine solche Szene mit Rot geahndet wird, dann ist es tatsächlich sinnvoller, den VAR wegen völliger Sinnlosigkeit abzuschaffen – und dem Schirigespann inklusive zuständigem VAR obendrein eine lange Pause zu geben.

Drei Sitzer zwischen Minute 60 und 68

Bereits zur Pause hatte Robert Klauß Mamadou Sangaré statt Moritz Oswald gebracht. Dies schien aufgrund der Belastungssteuerung ein geplanter Wechsel gewesen zu sein. Nachdem sich der Rapid-Trainer die folgenden Minuten ansah und auf einen frühen Führungstreffer hoffte, aber auch Beljos vergebenen Sitzer per Kopf nach einer Stunde und eine weitere gute Chance für den Kroaten zwei Minuten später erleben musste, wechselte Klauß nach 67 Minuten Burgstaller und Jansson ein. Der Rapid-Coach wollte das Führungstor nun erzwingen.

Burgstaller hatte mit seiner ersten Aktion das 2:1 auf dem Kopf, verzog aber auch knapp. Und obwohl Rapid praktisch über die gesamte Halbzeit Einbahnstraßenfußball zeigte, wurde man ab der Burgstaller-Aktion nach 68 Minuten nicht mehr zwingend.

Powerplay grundsätzlich richtig gemacht

Grundsätzlich hat Rapid strukturell – und hierbei vor allem in der Spieltiefe – in Überzahl alles richtig gemacht, was auch die folgende Grafik unterstreicht:

Die Passmatrix der Hütteldorfer über die volle Spieldauer. Die Außenverteidiger schoben gut nach vorne, die Abstände im Zentrum und auf den Halbpositionen waren in Ordnung, die Innenverteidigung positionierte sich durchschnittlich sehr hoch und gut. [Screenshot von Wyscout S.p.a.]

Der augenscheinlichste Grund dafür, dass Rapid hier doch kein zweites Mal treffen konnte, war, dass die Gäste in der brütenden Kärntner Hitze nicht „torgeil“ genug waren. Im Gegensatz zu den anderen Spielen der bisherigen Saison konnte Rapid den entscheidenden Treffer nicht erzwingen. Sinnbildlich dafür stand Dion Beljo, dessen Körpersprache nicht die eines „Neuners“ war. Es war viel mehr ein „schaun mer mal“ – und zu viel Geduld, nachdem man nach drei Großchancen zwischen der 60. und 70. Minute offenbar dachte, dass noch ausreichend Zeit für den Lucky Punch war.

Zu brav: Rapid in Überzahl nicht „torgeil“ genug

Der kam aber nicht. Durch die Hitze und den größeren Aufwand, den Rapid mit dem Ball betreiben musste, konnte Pacults Elf die Wiener ein wenig einlullen, Zeit von der Uhr nehmen und trotz einer dauerhaften Drucksituation gut aus der direkten Gefahrenzone fernhalten.

Rapid spielte aber im Gegensatz zu den letzten Spielen auch nicht „wild“ genug. Das „wilde“ Spiel, für das Klauß gerne immer wieder Sangaré als Sinnbild nimmt, wurde hier von einem braven, strukturierten Offensivspiel abgelöst, wie man es eher aus der Barisic-Ära kannte. Hier wiederum kann als Sinnbild Louis Schaub genannt werden, der kaum aus seiner Position ausbrach und vom tief stehenden Gegner recht einfach zu verteidigen war. Er brachte in Überzahl keine Überraschungsmomente ein, sondern besetzte stur den Halbraum. Die Kärntner mussten dadurch primär gut mitverschieben und das Zentrum in der unmittelbaren Gefahrenzone verteidigen.

Zu hohe Positionstreue

Auch die obenstehende Passmatrix zeigt, dass Rapid für die Lage, in der man sich befand, fast zu viel Struktur hatte. Zwar handelt es sich hier um Durchschnittspositionen und diese dürfen nicht exakt für bare Münze genommen werden, aber die enorm symmetrische Anordnung ist als gutes Symbol für die Art und Weise zu sehen, wie Rapid in Überzahl über weite Strecken agierte. In früheren Spielen, etwa zu Hause gegen Wisla Krakau, kam es plötzlich vor, dass Isak Jansson auf der rechten Seite auftauchte und Burgstaller einen Treffer servierte. Der Gegner kam mit den oft überraschenden Positionsrochaden Rapids nicht mit – doch das fehlte den Grün-Weißen in Klagenfurt völlig.

Rapid übergeduldig, Klagenfurt musste nicht aus Konzept ausbrechen

Die Angriffsmuster von Rapid waren in Überzahl stets dieselben und die Klagenfurter mussten in ihrer Abwehrschlacht nur auf defensive Grundlagen zurückgreifen. Rapid zog den Gegner weder in der Breite, noch in der Tiefe ausreichend auseinander, sondern schien sich von den vergebenen Sitzern zwischen der 60. und 70. Minute ein wenig blenden zu lassen. Man sah in dieser Phase, dass sich Chancen ergeben würden und blieb aufgrund dessen, dass man wohl noch mehr Chancen dieser Qualität erwartete, übergeduldig. Die Klagenfurter stellten sich aber auf die Angriffe der Hütteldorfer gut ein und so kam es in weiterer Folge zu keinen weiteren guten Gelegenheiten für die numerisch überlegenen Gäste.

Plätschernde Spielphasen

Da Rapid praktisch durchgehend auf die gleiche Art und Weise angriff, konnte man auch einige der eigenen Stärken, etwa im Gegenpressing, nicht ausspielen. Die Kärntner konnten einfach in zwei verschiedenen Spielphasen verbleiben, nämlich der gegen den Ball und den defensiven Standards und konnte sich sowohl in der Raum-, als auch in der Mannorientierung relativ einfach einrichten.

Wichtige Learnings für Rapid

Und so stand am Ende ein für Rapid enttäuschendes 1:1 gegen die Pacult-Elf, das jedoch auch einige Learnings mit sich bringen sollte. Einigen Spielern muss klar sein, dass es im Schongang in der Bundesliga gegen keinen Gegner einfach wird – von Europa ganz zu schweigen. Auch die nötige, größere Flexibilität und mehr Einfallsreichtum gegen einen tiefstehenden Gegner (ob in Überzahl oder nicht) wird ein Arbeitsfokus sein müssen. Laut WyScout hieß es am Ende 0.31 : 1.79 xG für Rapid, laut OPTA 0.82 : 2.04 und das ist jeweils auch in der Entwicklung von Chancen bei einer 45-minütigen Überzahl gegen einen technisch allgemein unterlegenen Gegner zu wenig.

Zu guter Letzt wird es auch ein Weckruf vor dem Heimspiel gegen Trabzonspor am Donnerstag sein. Ein neuerlicher Sieg hätte die Selbstsicherheit womöglich auf ein ungesundes Maß steigen lassen. Das 1:1 in Klagenfurt könnte Rapid also auch dabei helfen, sich wieder ein wenig zu besinnen und die Demut nicht zu verlieren.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen