Moerli: „Sie kennen ja die erste und zweite deutsche Bundesliga. Warum ist der läuferische und konditionelle Unterschied im Vergleich mit unserer Liga so groß?... Andreas Müller im großen Faninterview: „Bei anderen Klubs gab’s immer Problemchen – die gibt’s hier nicht!“

Moerli: „Sie kennen ja die erste und zweite deutsche Bundesliga. Warum ist der läuferische und konditionelle Unterschied im Vergleich mit unserer Liga so groß? Die anderen Mannschaften sind mir ja egal, aber warum hab ich das Gefühl, dass einige bei Rapid nach 60-70 Minuten  am Zahnfleisch gehen. Damit meine ich nicht Steffen Hofmann, sondern unser Juwel Schaub im Besonderen, aber sonst auch andere die es nicht schaffen, die letzten 20 Minuten noch zu zulegen.
Meine Frage daher lautet: Liegt es…
1) an dem jungen Kader/Unerfahrenheit/unnötigen Laufwegen?
2) an den Pausen im Trainingsalltag – ich meine damit, dass die Spieler nicht dauerhaft am Trainingsgelände sind, sondern ihre Freizeit selbst gestalten können, was international nicht der Fall ist.
3) Ernährung der Spieler, gibt es einen Ernährungsplan, den die Spieler einhalten sollten?
4) oder schlicht gesagt: Ist unser Training nicht nach internationalen Standard?
Sollte meine Vermutung ansatzweise stimmen (gutes Beispiel ist Petsos: Der kam zum Schluss der Transferzeit und war sofort ein wichtiger Faktor in unseren Spiel durch seine Laufarbeit, die er aber nach einem Jahr auf unsere Verhältnisse angepasst hat). Können sie mit ihrer Erfahrung da nicht eingreifen?

Andreas Müller: Dich würde ich gerne einladen und dir alles zeigen.

Ja, es gibt einen Ernährungsplan. Die Spieler schreiben auf, was sie über die Woche gegessen haben. Das gibt es. Ich sag ja: Ich bin hier her gekommen und es war schon sehr professionell.

Wir arbeiten, was die physischen Dinge und die Athletik angeht, nicht anders als Vereine, die in der Champions League spielen. Das ist durch Tests auf der Schmelz und Leistungsdaten belegbar. Unsere Mannschaft läuft nicht weniger als ein Champions-League-Starter. Aber wir müssen unterscheiden, dass es da einen individuellen Qualitätsunterschied gibt. Wir können sicher noch zulegen, was „intensive Läufe“ und Sprints über 30, 40 Meter betrifft, was auf der Außenbahn gefragt ist. Wir können diesbezüglich Spieler sicher noch weiter nach oben bringen, aber der Abstand ist knapp bemessen und nicht sehr groß.

Es gibt auch einige Spieler, die in der zweiten Halbzeit sogar noch einmal zulegen können – zum Beispiel Schwab, Schrammel und auch Steffen Hofmann. Louis Schaub hat sicherlich Momente, in denen er Luft nach oben hat. Aber wenn man die Aktionen von Louis sieht, dann weiß man wie intensiv seine Spielweise ist. Mehrere Dribblings auf hohem Tempo sind nun mal intensiv. Klar, er ist 19 Jahre alt und ich glaube schon, dass er da und dort immer wieder mal überdreht und der Dampf nach hinten raus mal fehlt. Aber das sind ganz normale Dinge, die ich aus meiner eigener Erfahrung kenne. Ich war mit 19 genauso, nach dem Motto „los und Feuer“. Du merkst es Spieler mit der Zeit selbst, dass du den einen Weg manchmal nicht machen solltest und dir das bisschen Kraft für einen anderen Moment aufsparen solltest.

Die Kritik, dass wir eine Mannschaft haben, die in der zweiten Hälfte einbricht, kann ich nicht nachvollziehen. Die Daten belegen das Gegenteil. Wir brauchen keinen Vergleich mit absoluten Top-Teams scheuen.

Das Eine ist, was man messen kann. Das Andere, das man nicht messen kann, ist das, was sich im Kopf abspielt. Nehmen wir das 0:0 gegen die Admira: Wir spielten eine tolle erste Halbzeit und es fehlte lediglich ein Tor. Die zweite Halbzeit war ein mentales Problem. Mit einer Aktion kommt ein bisschen Unsicherheit in die Mannschaft, der Gegner wird stärker, fängt plötzlich auch an offensiv zu spielen. Meistens ist es so, dass man mehr läuft, wenn man Spiele verliert, als wenn man sie gewinnt.

Bezüglich „Vollzeitprofi“: Dort wo ich früher gearbeitet habe, war es oft so, dass zweimal täglich Training war. Und es gibt viele Dinge, die man als Außenstehender nicht sieht. Zum Beispiel, wenn die Spieler nach dem Training noch eine Stunde in der Kraftkammer sind. Vor und nach dem Training wird auch individuell gearbeitet. Es gibt viele Termine, die nicht unbedingt etwas mit Sport zu tun haben, Medientermine, Sprachunterricht usw. Aber ich glaube, dass wir in diesem Bereich nicht anders arbeiten, als der Großteil der Vereine in Europa. Gerade was Deutschland angeht: Da gibt es fast keinen Verein, bei dem die Spieler den ganzen Tag auf dem Gelände sind. Die haben ihr Training und dann haben sie Zeit für sich. Internationalen Standard kann man dieses „Vollprofitum“ also nicht nennen. In Italien zum Beispiel haben sie schon die Tradition, dass sie als Mannschaft länger zusammen sind, gemeinsam essen etc. Aber das ist für mich kein entscheidender Faktor. Entscheidend ist, dass die Arbeit, die getan werden muss und die einem Spieler vorgegeben wird, richtig und gut und professionell gemacht wird.

Marcel Sabitzer (SK Rapid Wien)

Sabitzer wechselte vor der Saison von Rapid zu RB Leipzig und wurde umgehend nach Salzburg verliehen.

Gibson: „Der Fall Sabitzer schlägt auch in Deutschland hohe Wellen und RB Leipzig bläst ein rauher Wind entgegen. Mit Watzke, Rummenigge und Neururer meldeten sich keine Ahnungslosen zu Wort. Warum ist der Widerstand gegen dieses „Franchise“ in Deutschland um einiges höher als in Österreich? Damit ist nicht der Widerstand der Fans anderer Clubs gemeint.“

Andreas Müller: Entscheidend war, dass der Spieler nicht mehr für Rapid spielen, sondern wechseln wollte. Sabitzer hatte eine Ausstiegsklausel, diese Option wurde gezogen und wir hatten keine Möglichkeit den Spieler hier zu behalten. Das war ein Vertrag, der vor meiner Zeit gemacht wurde. Der Verein hatte damals nicht die Möglichkeit diesen Spieler eigenständig zu finanzieren. Daher war es für Rapids Verhältnisse gut, dass dieser Spieler überhaupt bei uns war. Dagegen anzugehen und vielleicht auch öffentlich auch den Konzern Red Bull anzugreifen – ich weiß nicht ob das guter Stil ist. Ich kenne Ralf Rangnick aus gemeinsamen Zeiten bei Schalke und habe öfter mit ihm darüber gesprochen. Ich habe ihm klar gesagt, dass wir das so nicht akzeptieren können, sondern – und das ist völlig legitim – uns etwas einfallen lassen müssen, was Dibon betrifft.

Ernesto: „Hat man sich von Red Bull durch das Entgegenkommen in der Causa Dibon einfach kaufen lassen? Immerhin haben sie vor diesem Deal das Vorgehen als „Geschmäckle“ bezeichnet, sich danach aber sehr ruhig verhalten. hatte der Deal nun ein „Geschmäckle“ oder nicht bzw. hat man das einfach nicht mehr kritsiert weil man Dibon billiger bekommen hat? Macht man sich damit nicht in irgendeiner Weise zu einem Handlanger bei fadenscheinigen Deals? Ist das nicht eine unterwürfige Haltung dem mächtigeren Verein gegenüber? Mir hat die Vorgehensweise nicht gefallen.“

Andreas Müller: Das ist keine unterwürfige Haltung. Wir hatten, was Dibon betrifft, unsere Vorstellungen. Wir hätten uns ganz normal damit auseinandergesetzt, Christopher Dibon zu verpflichten, unabhängig vom Sabitzer-Transfer. Das war ja schon im Vorfeld klar: Er war ein Jahr ausgeliehen, wollte unbedingt hier bleiben, wir haben das gegenüber Salzburg auch mehrmals dokumentiert und dann natürlich eine Hausnummer genannt bekommen.

Im Endeffekt sah es ja so aus, was man ja erst im Nachhinein mitbekommen hat: Sabitzer macht von der Ausstiegsklausel Gebrauch, wechselt nach Leipzig und Ralf sagt mir daraufhin „wir leihen ihn von Leipzig aus“. Wir können in dieser Sache nicht der Ankläger sein. Von Seiten der UEFA und der FIFA müssen einfach klare Regeln her. Da können wir uns noch so auf die Hinterbeine stellen.

Ich habe in meiner Zeit als Manager schon einiges in Richtung UEFA unternommen, aber am Ende holst du dir nur Backpfeifen ab und bist der Idiot. Ich bin damals vehement dagegen vorgegangen, als Rafinha von der brasilianischen Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele abgezogen wurde. Da gab’s ein riesiges Theater, weil das nicht im offiziellen Spielkalender eingetragen war – und der Bursche hat einfach einen Abflug gemacht. Blatter hat sich einfach darüber hinweggesetzt. In diesen Dingen muss man einfach erwarten dürfen, dass sie von vornherein von oberster Stelle auszuschließen sind.

Daniel Mandl: Das heißt du forderst einfach straffere Regeln.

Andreas Müller: Natürlich! Dann kommt man gar nicht in die Situation. Aber wir als Rapid – was sollen wir machen? Er hat eine Ausstiegsklausel fürs Ausland, wechselt zu Leipzig und von da aus wird er verliehen. Legitim irgendwo, kann man machen. Wenn er woanders hin verliehen wird. Aber dadurch, dass ein Konzern mehrere Vereine hat, müssen klarere Richtlinien her.

Daniel Mandl: Nachdem du ja schon Erfahrung mit UEFA/FIFA hast: Hast du das Gefühl, dass derartige Beschwerden Erfolg haben können und ein solcher Fall zu einem Präzedenzfall werden kann, oder wird man mit derartigen Bemühungen eher auf Granit beißen?

Andreas Müller: Wenn man so etwas anpackt, bist du fast nur noch mit sowas beschäftigt. Ich für meinen Teil habe gesagt: Er ist eh weg, wir können ihn eh nicht halten. Sieh zu, dass du eine Mannschaft zusammenkriegst und konzentrier dich auf deinen Job bei Rapid und das Wesentliche. Ich bin schon einer, der solche Dinge gerne ausficht, aber in dem Fall wäre es verlorene Energie gewesen. Zwar Energie, die mir dann den einen oder anderen Sympathiepunkt mehr gebracht hätte, aber darauf war ich in dem Moment nicht scharf. Ich war konzentriert darauf, in der laufenden Transferperiode einen Kader zusammenzustellen, von dem wir alle überzeugt sind.

flanders: „In der Vergangenheit sind gute und erfolgreiche Spieler, Trainer und mit Helmut Schulte auch ein Sportdirektor nach Deutschland in die zweite Liga abgewandert. Welche sportliche Rolle würde Rapid in der deutschen Bundesliga bzw. 2. deutschen Bundesliga spielen?“

Andreas Müller: Schwierige Frage. Sehr schwierig zu beantworten. Ich bin davon überzeugt, dass wir von unserer fußballerischen Qualität auf jeden Fall in der 2. Liga gut mithalten können. Auf der anderen Seite ist die 2. Liga kein Zuckerschlecken, wo es auf alle klassischen Fußballertugenden und Präsenz ankommt – und damit hätten wir, Stand jetzt, sicherlich unsere Probleme. Wir hatten ja schon den einen oder anderen internationalen Vergleich, zum Beispiel das Testspiel gegen Galatasaray. Klar, Freundschaftsspiel, nicht überbewerten, aber das war eine sehr gute Mannschaft und man gesehen, wie wir im Stande sind gegen eine solche Mannschaft zu bestehen. Wenn ein Cesare Prandelli, der ein ausgewiesener Fachmann ist, sagt: „Die Mannschaft hat Qualität und Potential“, dann sagt er das nicht einfach so. Das Gegenteil dazu war natürlich Helsinki, da ging es um Situationen und Momente, die unserer Mannschaft einfach noch fehlen.

Aber in Deutschland hast du diesen Druck eben jedes Wochenende, auch in der 2. Liga. Es wäre interessant zu sehen, ob und wie sich Rapid auf die Gegebenheiten in der 2. Liga einstellt und daran wächst, oder ob es doch so wäre, dass man sich im unteren Bereich wiederfindet. Schwierig. Aber rein vom fußballerischen Vermögen oder Potential hätte ich in der 2. deutschen Bundesliga keinerlei Bedenken.

Man sieht auch, dass sich zahlreiche österreichische Spieler, die von Österreich in Top-Ligen wechselten, schnell und gut adaptiert haben. Auch weil sie eine gute Ausbildung genossen. Das beste Beispiel ist das 5:1 der österreichischen U19 gegen Deutschland vor knapp einer Woche. Da sieht man, was hier gearbeitet wird. Auch hier wurden die richtigen Schritte eingeleitet, was Nachwuchs und Akademiewesen betrifft. Jetzt gilt es, im Profibereich aufs nächste Level zu kommen. Und deshalb ist es für uns als Rapid so wichtig, dass wir nächstes Jahr wieder internationale Spiele haben, weil das das Level ist, wo du lernst und weiterkommst.

Juventus Turin - Logo, Wappen

Mit dem italienischen Meister Juventus wird Rapid momentan keine Kooperation eingehen.

Santiago82: „Sind die Pläne, eine Kooperation mit einem Großklub einzugehen, wieder auf Eis gelegt worden?“

Andreas Müller: Das Thema Juventus Turin war ja gerade erst Thema. Aber was ist eine Kooperation? Das soll ja nicht so sein, dass wir ein Ableger für ihren 50-Mann-Kader sein sollen, weil sie nicht wissen, wo sie alle ihre Spieler unterbringen sollen. Das ist ja keine Kooperation. Eine Kooperation gehört in allen Bereichen entwickelt: Sponsoring, sportlicher Bereich, Know-How über Scouting und so weiter. Wenn dem so gewesen wäre, hätte es durchaus konkret werden können. Aber ich habe sehr schnell festgestellt, dass es von deren Seite nur darum ging, uns Spieler zu geben, damit sie sich entwickeln. Die hast du dann ein, zwei Jahre und dann sind sie wieder weg. Ich glaube, dass wir so eigenständig sein sollten, dass wir unseren Weg selbst wählen und gestalten können. Ohne, dass man eine große Kooperation macht, kann man immer wieder zu diesen Vereinen gehen und sagen: Besteht die Möglichkeit den einen oder anderen Spieler von euch auszuleihen? Ich denke, dass es schwierig ist, eine solche „Kooperation“ mit Leben zu erfüllen.

Auf der nächsten Seite gibt’s einen Wordrap mit dem Vorstand Sport des SK Rapid und einige interessante Details über Scouting und das Prämiengefüge.

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Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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