Andreas Schicker verlässt den SK Sturm in Richtung Hoffenheim. Er hat Sturm wieder zur Erfolgsmarke gemacht und steht jetzt vor seiner bisher größten Herausforderung.... Andreas Schicker: Vom „Lehrbua“ zum Mann der Stunde

Andreas Schicker verlässt den SK Sturm in Richtung Hoffenheim. Er hat Sturm wieder zur Erfolgsmarke gemacht und steht jetzt vor seiner bisher größten Herausforderung. Ein Kommentar.

„Was willst mit dem Lehrbuben vom Kreissl?“ lautete so mancher Kommentar als Andreas Schicker vor vier Jahren, am 1. Mai, Sturms Gründungstag, zum Geschäftsführer des SK Sturm ernannt wurde und Günter Kreissl in dieser Funktion nachfolgte. In Graz eine nicht seltene Reaktion, wenn es um einschneidende Veränderungen bei den Schwarzweißen geht. Zuerst wird einmal geschimpft. Dass sich die Vorurteile als haltlos herausstellten, stellt heute, nach zwei errungenen Cupsiegen und einem Meistertitel in der Ära Schicker niemand mehr infrage.

Sturm hat sich unter dem Obersteirer zur Nummer Eins Österreichs entwickelt, spielt in der Champions League und ist wieder eine namhafte Adresse, wenn es darum geht, sich als Verein für neue Spieler interessant zu machen. Überhaupt, die Transferpolitik: Schicker hat von Anfang an einen klaren Weg verfolgt was die Verpflichtung neuer Akteure angeht. Besonders hervorzuheben sind dabei die Ein- und Weiterverkäufe wie Kelvin Yeboah, Rasmus Hojlund, Emanuel Emegha oder Alexander Prass. Sie waren No-Names als sie zu Sturm kamen, spielten in Graz groß auf und wurden lukrativ weiterverkauft. Hinzu kam die Verpflichtung von langfristig in Graz spielenden Akteuren, sogenannten Achsenspielern, wie Gregory Wüthrich, Jon Gorenc Stankovic und Otar Kiteishvili und jüngst Mika Biereth. Um sie herum wurden, trotz der weiterziehenden Abgänge, immer schlagkräftige Teams aufgebaut. „Einfahrer“ waren selten, am ehesten nicht funktioniert haben die Personalien wie Luca Kronberger oder Bryan Texeira. Und selbst letzterem ist es in der Ära Schicker gelungen, sich einen Platz in den Herzen der Fans zu sichern. Als er nämlich das entscheidende 3:2 im Cup-Derby 2023 gegen den GAK erzielte.

Doch zum Schicker’schen Weg gehörte auch das Ziehen klarer Grenzen. Publikumslieblingen wie Jörg Siebenhandl oder Jakob Jantscher wurde klar kommuniziert, dass man nicht mehr mit ihnen plant. Kicker wie David Affengruber oder Manprit Sarkaria, die Wechsel anstrebten, bekamen beim Verein nicht die berühmte zweite Chance. Vor allem die Zurücksetzung Sarkarias in die zweite Mannschaft hat Schicker einiges an Fan-Kritik eingebracht. Doch wie gesagt: was liegt, das pickt; Schicker blieb sich treu.

Nicht nur am personellen Sektor hat der SK Sturm unter Schicker eine Entwicklung durchgemacht, die staunen lässt. Auch wirtschaftlich steht der Verein so gut da, wie nie zuvor. Die Merchandising-Erlöse sprengen alle im Verein bisher bekannten Grenzen, kürzlich wurde ein dritter Fanshop eröffnet, die Heimspiele sind so gut wie immer ausverkauft. Schon Wochen bevor die Spiele stattfinden. Sturm ist modern wie nie und Schicker hat dabei entscheidenden Anteil.

Was den Mann, der in der seltenen Freizeit gern die Ruhe seiner Almhütte genießt die er in Eigenregie betreibt, weil ihn das erdet, auch auszeichnet, ist seine Bodenständigkeit. Für Journalisten so gut wie immer erreichbar, stets klar in der Kommunikation. Keine Schachtelsätze, immer größtmögliche Deutlichkeit. Dass sein Ziel Deutschland ist, hat Schicker immer klar gesagt. Und man gönnt ihm den Schritt. Hoffenheim also. Kein leichtes Pflaster dieser Tage. Trainer Pelegrino Matarazzo ist nicht unumstritten, die Fans rebellieren gegen die Klubführung und haben auch schon Schicker ins Visier genommen, bevor der überhaupt unterschrieben hat. „Schicker bleib fort!“ war noch das Harmloseste, was da von sich gegeben wurde. Kurz: Es gibt im deutschen Fußball aktuell leichtere Aufgaben als den Geschäftsführer-Posten in Sinsheim. Doch einfach waren auch die Voraussetzungen in Schickers ersten Sturm-Tagen beileibe nicht – und trotzdem hat er kontinuierlich eine Mannschaft aufgestellt die inzwischen auch Gegner wie Red Bull Salzburg schwindlig spielen kann, wie dieser Tage bewiesen wurde, und wieder eine echte Marke ist.

Andreas Schicker ist nicht nur für die Herausforderung Hoffenheim alles Gute zu wünschen, sondern auch – aus schwarzweißer Sicht – für großartige Jahre in Graz zu danken. Sein Sturm-Nachfolger, er soll aus dem Ausland kommen, wird große Füße brauchen um jene Abdrücke zu füllen, die Andreas Schicker in Graz hinterlässt.

Philipp Braunegger für abseits.at

Philipp Braunegger

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