Andy Marek und das Eisenhower-Prinzip bzw. wieso der Ausschluss ganzer Fanklubs für Rapid unabdingbar ist
Bundesliga 6.September.2012 Daniel Mandl 3
Beim SK Rapid verändert sich etwas. So hat es zumindest den Anschein. Nach den Fanproblemen in Thessaloniki gab Andy Marek bekannt, dass er sich in Zukunft aus dem Bereich der Fanarbeit zurücknehmen wird, nur noch in beratender Funktion tätig sein will. Noch bevor die neue „Fan-Taskforce“ vorgestellt wurde, verbannte Rapid nun gestern zwei ganze Fanklubs aus dem Stadion. Aber alles der Reihe nach.
Andy Marek wurde extern häufig für seinen zeitweise zu toleranten Umgang mit den Rapid-Fans kritisiert. Die Kritiker waren nicht nur Fans anderer Vereine, sondern auch immer wieder Anhänger aus dem eigenen Lager – und da nicht nur solche, die mit dem Begriff „Fanszene“ rein gar nichts anfangen können. Bereits nach dem Platzsturm vom 22.Mai 2011 wurden Rücktrittsaufforderungen laut, doch Marek tauchte durch die folgenden schweren Zeiten hindurch und wurde nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille im Hanappi-Stadion vor einigen Monaten wieder mit Support von den Tribünen und jener „romantischen Stimmung“ belohnt, die er selbst über viele Jahre so erfolgreich aufgebaut und forciert hatte.
Marek zieht sich nach PAOK-Skandal aus der Fanarbeit zurück
Doch Rapid ist ein Verein, bei dem sich die Sachlage schnell wieder ändern kann. Sie änderte sich im August im Norden Griechenlands. Dort waren die mitgereisten Rapid-Schlachtenbummler zwar nicht für die Krawalle auf der Straße verantwortlich, einige „antworteten“ jedoch direkt im Stadion auf die Ausschreitungen und schossen zurück. Die Konsequenz der UEFA ist ein vorerst nicht 100%ig bestätigtes Geisterspiel und eine hohe Geldstrafe, die Konsequenz des Andy Marek ist ein Rückzug aus der Fanpolitik des SK Rapid. Die neuen Fanverantwortlichen werden voraussichtlich im Oktober oder November präsentiert werden.
„Neue Gesichter“ mit Fokus: Gut für Rapids Fanszene
Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Den organisierten Fans des SK Rapid wird es gut tun mit neuen Gesichtern konfrontiert zu werden. Gar nicht unbedingt, damit Marek nicht eines dieser Gesichter ist, sondern darum, weil sich frische Kräfte fokussierter und intensiver auf ihre Arbeit mit den Fans stürzen können. Marek betonte häufig, dass er in der Fanszene Freunde hat und diese auch weiterhin haben wird. Von Außenstehenden wurde er deshalb oft kritisiert – immerhin drückt man bei Freunden auch mal ein Auge zu, wenn sie Fehler machen. Das Hauptproblem an Mareks Arbeit beim SK Rapid ist aber ein anderes.
Andy Marek und das Eisenhower-Prinzip
Wenn es einen Bereich professionellen Arbeitens gibt, den Tausendsassa Andy Marek bis heute nicht beherrscht, dann ist dieser wohl das so genannte Eisenhower-Prinzip. Der ehemalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower prägte und lehrte diesen Begriff, der es ermöglichte anstehende Aufgaben in Kategorien einzuteilen. Die Basis dieser Kategorien sind dabei die Eckpfeiler Wichtigkeit und Dringlichkeit. Und für Andy Marek ist nahezu alles wichtig und dringend. So häuften sich mit der Zeit immer mehr Themen an, in die Marek involviert war. Und weil sich der 50-Jährige immer wieder gerne in diese Themen verbiss, vergaß er Aufgaben entsprechend zu delegieren und konnte aufgrund der großen Fülle seiner Verantwortlichkeit nicht mehr so fokussiert arbeiten, wie es ihm wohl lieb gewesen wäre. Dies ist der Hauptgrund warum eine Reform der Fanarbeit Rapid einen großen Push geben kann – wahrscheinlich auch in anderen Bereichen, weil man auch auf einen etwas freigeschaufelten Andy Marek zugreifen kann.
Zwei Fanklubs ausgeschlossen
Bevor jedoch die neuen Fanbetreuer vorgestellt werden, gab es noch einen in dieser Schnelligkeit unerwarteten Paukenschlag. Rapid verbannte zwei komplette Fanklubs aus dem Stadion, da diese kein Interesse mehr hatten mit dem Verein zu kooperieren. Namen nannte Rapid keine, in der Szene sind die höchstwahrscheinlich betroffenen Fanklubs natürlich bestens bekannt. Der Ausschluss ganzer Fanklubs aus dem „Vereinsleben“, wie es der Klub auf seiner Homepage benennt, lässt die Meinungen der Fans auseinandergehen.
Logische Show für die Öffentlichkeit
Zwar handelt es sich bei den beiden verbannten um keine außerordentlich großen Fanklubs, aber dennoch ist der kollektive Rauswurf solcher Gruppierungen gefährlich und könnte nach hinten losgehen. In den drei großen Rapid-Foren ist bereits jetzt von Sippenhaftung die Rede und die Fanklubs werden als Bauernopfer für die nationale – und nach dem PAOK-Auswärtsspiel wohl auch internationale – Presse betrachtet. Für die breite Öffentlichkeit sieht es schließlich gut aus, wenn Rapid hart durchgreift. Hintergründe werden vom durchschnittlichen Zeitungsleser selten genauer beleuchtet. Schon gar nicht in diesem Fall, denn die Sachlage ist für den oberflächlich Informierten klar und muss nicht weiter hinterfragt werden.
Pauschale Strafen gegen Rapid : Pauschale Strafen gegen Verantworliche
Dies ist der „fanfreundliche“ Ansatz, der momentan hitzig diskutiert wird. Die Kehrseite der Medaille und damit auch der Grund, warum das Handeln des SK Rapid absolut legitim und nachvollziehbar ist, ist der, dass auch Rapid pauschal bestraft wird, wenn Einzelne übers Ziel hinausschießen. Einer der frisch verbannten Fanklubs betonte, dass man mit dem Klub nichts mehr zu tun haben möchte. Rapid schreibt in seiner Presseaussendung nicht ohne Zynismus, dass jetzt auch der Verein nichts mehr mit diesen Fans zu tun haben will. Die Olivenzweige scheinen damit endgültig aufgebraucht. Auch wenn Einzelne durch die Maßnahme möglicherweise unschuldig zum Handkuss kommen, waren sie dennoch Mitglieder eines Fanklubs, dessen Motto sich dem Verein gegenüber destruktiv präsentierte. Und eben weil Rapid – etwa von der UEFA –hart und pauschal bestraft wird, darf sich der Verein ohne schlechtes Gewissen das Recht herausnehmen, kleinere Gruppierungen, die „Fankultur“ unter anderem nicht im eigentlichen Sinn ausleben und ihrer Fantätigkeit ebenso nach einem Leitbild oder –spruch nachzugehen, pauschal zu bestrafen.
Rapid kann und muss hart durchgreifen
Diese Maßnahmen sind zweifelsohne hart und gerade für Rapid untypisch, aber Rapid kann und muss auf diese Art und Weise handeln. Rapid kann so handeln, weil man es sich aufgrund der großen Fanbasis leisten kann, auf wenige Anhänger zu verzichten, die in den Augen des Vereins mehr Schaden anrichten, als Mehrwert bieten. Und Rapid muss so handeln, weil es sich beim österreichischen Rekordmeister um ein Wirtschaftsunternehmen handelt, das mit seinem stetigen Wachstum auch große zusätzliche Verantwortung zu tragen hat. Der so oft von Fans dämonisierte „Kommerz“ ist im Fußball allgegenwertig – bei jedem professionellen Fußballklub. Und wenn Fans aufgrund ihrer allgemein destruktiven Position gegenüber Sport und Verein ebendiese „Gewinnerzielung“ gefährden, muss das Wirtschaftsunternehmen Rapid die dafür Verantwortlichen „kündigen“ als wären sie schlechte Mitarbeiter auf dem Weg zu einem eigentlich großen gemeinsamen Ziel. Es geht nicht in jeden Kopf, aber Rapid ist nicht nur ein traditionsreicher, von vielen Leuten verehrter und mitreißender Fußballklub, sondern auch ein Unternehmen, das neben den Befindlichkeiten und Launen seiner Fans auch andere Probleme zu bewältigen hat. Insofern sind die Befürchtungen vieler organisierter Fans, dass derartige Sippenhaftung Usus werden könnte sicher verständlich (auch auf den jeweils kritisierenden Einzelfall herunter gebrochen!), aber Rapid fasste diesen Schritt nicht aus Show-Gründen und zumindest nicht primär um andere abzuschrecken. Rapid fasste diesen Schritt, weil die aktuell notwendige Prioritätensetzung ihn erlaubt bzw. eher um ihn bettelt.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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