Peter Elstner war bis zu seinem Tod im Sommer 2021 der Grand Seigneur der österreichischen Sportreporterzunft. Viele Fans verbinden mit seiner klaren Tenor-Stimme und... Anekdote zum Sonntag (162) –  Der Lauscher auf der Straße

Peter Elstner war bis zu seinem Tod im Sommer 2021 der Grand Seigneur der österreichischen Sportreporterzunft. Viele Fans verbinden mit seiner klaren Tenor-Stimme und zarten Wiener Färbung zahlreiche besondere Momente von „Pepi, lass mi eine!“, als Elstner nach dem WM-Quali-Spiel gegen die DDR 1989 bei Teamchef Hickersberger um Einlass in die Kabine flehte, oder bis zum Herzschlagfinale bei der Nordischen Ski-WM zehn Jahre später, als der Reporter aufgeregt mit „Wir sind bei dir, Christian Hoffmann!“ den Schlusssprint des Kombinierers live im TV begleitete. „Fußball und nordischer Sport waren anfangs meine beiden Faibles.“, erklärte Peter auch anlässlich der Veröffentlichung seines vorletzten Buches im Jahr 2019.

Seine ORF-Vorgesetzen rieten ihm anfangs jedoch ab sich auf das Kicken zu fokussieren („Das wollen alle machen!“), doch letztendlich setzte sich Elstner durch und leitete ab 1980 die Sendung Fußball im Samstagabendprogramm. Später war er freier Journalist und feierte nach seiner Pensionierung ein journalistisches Comeback bei einem Privatsender. Der passionierte Sänger coachte bis 2018 gegen ein Taschengeld die Jung-Profis des SK Rapid in Medienfragen. Sein Credo dabei: „Ich sage den Spielern immer, dass es immer irgendwie rauskommt, wenn nicht die Wahrheit erzählt wird. Entweder in der Zeitung zwischen den Zeilen oder im Fernsehen durch die Körpersprache.“ Peter Elstner starb im Alter von 81 Jahren.

Nur wenige wissen, dass der Journalist in seinen Jugendtagen selbst aktiver Kicker war: Der 1940 Geborene schnürte die Schuhe nach Ende des Zweiten Weltkriegs für Rudolfshügel im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Am 26. Juni 1954 machte sich der damals Vierzehnjährige nach einer ärgerlichen Niederlage gegen Wacker Meidling auf den Heimweg nach Wien-Margareten. Es war ein schwüler Sommertag, trotzdem freute sich der junge Peter auf zuhause: Schließlich hatte ihm seine Mutter seine Leibspeise gefüllte Paprika gekocht über die er sich nun nach der 2:5-Schlappe herzumachen dachte. Elstner marschierte zu Fuß vom Grünen Berg Richtung Matzleinsdorfer Platz. Doch irgendetwas, war an diesem Sommertag nicht wie sonst.

Dem späteren ORF-Mann fiel es erst nach einigen Schritten auf: Es war keine Menschenseele an diesem Nachmittag auf den feucht‑dampfenden Straßen zu sehen. Peter stutze. Als er an einem Wohnhaus vorbeikam, hörte er durch das geöffnete Parterrefenster aufgeregte Männerstimmen und Radiorauschen. Langsam dämmerte es dem Fußballnarr: Heute stand das Viertelfinal-WM-Match Österreich gegen die Schweiz an. Er blieb stehen und lauschte: Ein empörter Radioreporter berichtete vom 0:3‑Rückstand der ÖFB-Mannschaft in der Hitze von Lausanne. „Das gibt es doch nicht!“, dachte Peter, doch beim nächsten offenen Fenster bestätigte sich die Meldung. Dabei waren Happel, Ocwirk und Co. als Favoriten in das Spiel gegangen. Der später Journalist ging bedacht weiter und konnte schließlich beim nächsten offenen Fenster einen erlösenden Schrei vernehmen: „Tor durch Wagner. 1:3.“ wurde durch den Äther berichtet. Der heimschleichende Peter hantelte sich ab diesem Zeitpunkt von offenem Wohnungsfenster zu offenem Wohnungsfenster und wurde so peripherer Ohrenzeuge der österreichischen Aufholjagd: Das zweite Tor durch Rapidstürmer Alfred Körner und schließlich „Turl“ Wagners Ausgleichstreffer verursachten auch beim Mithörer eine Achterbahn der Gefühle. „Tor, Tor, Tor – hat man das schon erlebt?! Fußballfreunde in ganz Österreich vom Burgenland bis Bregenz, von Innsbruck bis Linz, von Wien-Floridsdorf bis Döbling bis Hütteldorf und bis in den Prater hinein! 3:3! Die Freude kennt keine Grenzen!“, jauchzten Heribert Meisel und Edi Finger senior ins Mikrofon.

Diese Freude sollte sich aber noch vervielfältigen, als der Austrianer Ocwirk das ÖFB-Team in Führung schoss. Elstner hörte alles am Gehsteig mit. Noch bevor er den Gürtel erreicht hatte, stand es schon 5:3 für die Rot-Weiß-Roten und Fredi Körner hatte einen Elfer verschossen. Der von Durst und Hunger gepeinigte Elstner war ultra-nervös geworden. Die Kette jener Wohnhäuser, die ihn an dem nationalen Ereignis mithören ließen, riss schließlich ab und so versäumte der fußballbegeisterte Bursche den Anschlusstreffer der Schweizer und postwendend das 6:4 der Österreicher. Erst in der elterlichen Wohnung erfuhr Elstner, dass das Spiel 7:5 für das ÖFB-Team ausgegangen war. Erschöpft, aber glücklich machte sich Peter postwendend über die nur mehr lauwarmen Paprika her und wusste, dass er diesen Heimweg mit „Live-Ticker“ anno 1954 nicht mehr vergessen würde.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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